Gelsenkirchen. Teil 16 der Schalke-Serie: Peter Peters erinnert sich an das „absolute Sorgenjahr“ 2008, in dem der Klub wirtschaftlich viel riskierte.
Das Telefonat fand am Abend des 3. Dezember 2008 statt. Peter Peters stand vor dem Stadion „De Grolsch Veste“ in Enschede und rief Clemens Tönnies an. Der damalige Vorsitzende des Schalker Aufsichtsrates habe zu dieser Zeit „wie ein Fels in der Brandung“ für Schalke gestanden, sagt Peters und gesteht: „An diesem Abend habe ich ihn angerufen, weil ich mir enorme Sorgen gemacht habe, ob unsere Wette auf die Zukunft funktioniert.“ Denn Schalke hatte sportlich schon fast alles verspielt in diesem Jahr, durch eine 1:2-Niederlage in Enschede jetzt auch noch das Weiterkommen im Uefa-Cup.
Farfan und die Wette auf die Zukunft
Schalkes Wette auf die Zukunft waren vor der Saison große Investitionen in die Mannschaft: Jung-Manager Andreas Müller hatte für sich entschieden, als Nachfolger des gefeuerten Mirko Slomka mit Fred Rutten wieder einen Trainer aus Holland zu holen. Und der bekam die Verstärkung nach Wunsch: Mit Orlando Engelaar (Twente Enschede/ 5,5 Millionen Euro Ablöse) und Jefferson Farfan (PSV Eindhoven/ zehn Millionen) brachte er zwei Profis aus dem Nachbarland mit.
Der Plan, der dahintersteckte: Mit diesen Verstärkungen sollte die Gruppenphase der Champions League erreicht werden, dann würde sich alles finanzieren. Nur: Als Bundesliga-Dritter der vergangenen Saison musste Schalke erst noch in die Play-Offs. „Und dann“, sagt Peters, „kam diese unheilvolle Auslosung.“
Schalke erwischte Atletico Madrid – den einzig möglichen namhaften Gegner. Das Hinspiel wurde zwar mit 1:0 gewonnen, aber ausgerechnet Farfan verletzte sich nach einem Foul schwer an der Schulter. Und ohne seinen neuen Star ging Schalke beim Rückspiel in Madrid mit 0:4 unter. Das ganze Finanzierungs-Konzept mit der Champions League: Geplatzt. Es ging nur im Uefa-Pokal weiter. Und auch da nur bis nach Enschede im Dezember.
Peter Peters weiß noch genau, wo er den Tag mit der „unheilvollen Auslosung“ verbracht hat: In Frankfurt bei der Deutschen Fußball Liga. Gemeinsam mit DFL-Chef Christian Seifert erfuhr er vom Gegner Atletico Madrid. „Wir hatten die wirtschaftliche Notwendigkeit, in die Champions League zu kommen“, gesteht der damalige Vorstand. Im Rückblick scheint das Risiko immer noch vertretbar: Schalke hatte in der Saison zuvor das Viertelfinale der Königsklasse gegen den FC Barcelona erreicht, war nun bei der Auslosung gesetzt und durfte mit einem Gegner wie Famagusta oder Bratislava rechnen – Atletico war wirklich der GAU. Peters sagt aber auch: „Daran sieht man, wie sehr man bei den Planungen vom Sport abhängig ist.“
Aufsichtsrat traute seinen Augen nicht: Müller wollte mit Rutten verlängern
Und da lief es das ganze Jahr nicht. Nicht nur der Europapokal war früh beendet, auch in der Bundesliga blieb Schalke hinter den Erwartungen – im März war der DFB-Pokal die einzige verbliebene Chance. Schalke musste bei Mainz 05 und Christian Heidel antreten und verabschiedete sich auch hier durch eine 0:1-Niederlage – das Tor fiel in der 88. Minute durch Bancé. Schalkes Aufsichtsrat verlangte Antworten und traf sich zur Klausurtagung.
Allgemein war erwartet worden, dass Manager Andreas Müller die Krise an Trainer Fred Rutten festmachen und diesen entlassen würde. Doch die Klausurtagung nahm einen anderen Verlauf: Zentraler Punkt in Müllers Krisen-Konzept war eine Vertragsverlängerung mit dem unglücklichen Trainer, um diesen zu stärken. Der Aufsichtsrat traute seinen Augen nicht – händeringend versuchte man, den Manager von diesem Plan abzubringen. Sitzungsteilnehmer erinnern sich daran, dass man Müller sogar geraten habe, einmal den Raum zu verlassen, um seine Entscheidung an der frischen Luft zu überdenken. Doch der Assauer-Nachfolger blieb bei seinem Konzept, den Vertrag mit Rutten verlängern zu wollen. Und deshalb sah der Aufsichtsrat keinen anderen Ausweg, als sich mit sofortiger Wirkung von Müller zu trennen.
Rutten musste dann zweieinhalb Wochen später ebenfalls gehen.
Der wirtschaftliche Druck und die Anrufe bei Tönnies
Peter Peters, damals schon in seiner 16. Saison auf Schalke, sagt heute: „Das war das absolute Sorgenjahr, weil wir den Sport nicht in den Griff bekommen haben.“ Im Frühjahr 2008 flog Mirko Slomka, keine zwölf Monate später waren auch Andreas Müller und Fred Rutten auf Schalke Geschichte – jeder einzelne Schritt schien folgerichtig. „In diesem Jahr haben wir alles verspielt.“ Und über allem stand der wirtschaftliche Druck, weil Schalke ja nicht nur weiter die Arena bezahlen musste, sondern auch so viel in die Mannschaft investiert hatte. Die Wette auf die Zukunft endete diesmal in einer schweren Schieflage.
In welchem Umfang Clemens Tönnies damals ausgeholfen hat, will Peter Peters nicht beziffern. Er sagt nur: „Ich habe in diesem Jahr mehrfach bei ihm angerufen, Clemens war wie ein Anker für uns. Ich war froh, dass wir ihn hatten. Er hat uns unterstützt.“ Schalkes Vertrauen in den Vereinschef war damals groß. Auch bei der Suche nach einem neuen sportlichen Leiter sagte Tönnies nur: „Vertraut mir.“