Gelsenkirchen. . Der Revierklub denkt über eine Änderung der Rechtsform nach. Die Tendenz geht offenbar zur Genossenschaft. Experte erklärt das Modell.

Seit Monaten wird bei Fußball- Bundesligist Schalke 04 über eine Ausgliederung der Profi-Abteilung diskutiert. Diesen Schritt empfiehlt auch der zurückgetretene Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies. Der krisengeschüttelte Revierklub komme in Zukunft nicht daran vorbei, sagte Tönnies dieser Redaktion. Schalkes Marketing-Chef Alexander Jobst sagte, die Corona-Krise dürfe dafür kein Sprungbrett sein. „Wenn wir der Auffassung sind, dass wir die Ausgliederung als sinnvoll erachten, werden wir das mit Transparenz kundtun.“

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Mit der Änderung der Rechtsform könnte Schalke neuen Investoren die Tür öffnen. Eine Möglichkeit: Eine Genossenschaft, bei der Mitglieder Anteile erwerben können. Das Handelsblatt berichtet darüber, dass der FC Schalke wohl zu dieser Rechtsform tendiert. Wie sieht das Modell aus? Welche Vorteile bietet es? Was bedeutet das für den Verein? Wir haben mit Wirtschaftsexperte Stefan Prigge gesprochen. Der 53-Jährige ist Professor für Unternehmens-Rechnung und Unternehmens-Finanzierung an der HSBA Hamburg School of Business und Gründungsmitglied des Sports Governance e.V.

Bald auch bei Schalke 04? Das Modell der Genossenschaft

Stefan Prigge ist Professor für Unternehmens-Rechnung und Unternehmens-Finanzierung an der HSBA Hamburg School of Business.
Stefan Prigge ist Professor für Unternehmens-Rechnung und Unternehmens-Finanzierung an der HSBA Hamburg School of Business. © HSBA

Bislang gibt es keine Genossenschaft im deutschen Profifußball. Der Zweitligist FC St. Pauli arbeitete in der Vergangenheit eine Genossenschaft aus, setzte sie bislang aber noch nicht um. In Hamburg sollte die Genossenschaft mit bis zu 46 Prozent an der Betreiberfirma des Millerntor-Stadions beteiligt werden. Mindestens 51 Prozent würde der FC St. Pauli halten. Auf Schalke sind keine Details bekannt, aber das Thema wird viel diskutiert.

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Anders als bei einer Fan-Anleihe muss das Geld nicht zurückgezahlt werden. „Das Eigenkapital, das durch eine Genossenschaft gewonnen werden kann, ist unbefristet verfügbar, kann allerdings von den Genossenschaftsmitgliedern gekündigt werden“, erklärt Prigge. „Das ist das besondere und darin unterscheidet sie sich auch von einer Aktiengesellschaft. Die AG ist nicht verpflichtet, die Aktien zurückzunehmen. Wenn ein Anleger die Aktie wieder los werden will, muss er sie an der Börse verkaufen.“

Die Vorteile: Mehr Einfluss der Fans, bessere Verteilung der Macht

„Ich finde, dass dies ein Modell ist, was im deutschen Sport fehlt. Für mich ist das die große Lücke“, sagt Wirtschaftsexperte Stefan Prigge. Um Kapital zu generieren, müssen normalerweise größere Investoren gefunden werden. Das Genossenschaftsmodell bietet die Möglichkeit, dass sich Unterstützer mit kleinen Beiträgen beteiligen können. Als Gegenleistung erhalten sie ein Mitspracherecht. Für Prigge könnte damit der Konflikt zwischen Vereinstradition und Wirtschaft gelöst werden: „Das Genossenschaftsmodell könnte das angespannte Verhältnis zwischen Fans und Kommerzialisierung mildern, weil es den Anhängern mehr Macht verleiht. In Deutschland gibt es eine besondere Vereinstradition. Diese muss aber in ein modernes System übertragen werden. Denn die Kommerzialisierung lässt sich nicht mehr wegdiskutieren.“

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Ein weiterer Vorteil: Die Macht wird auf vielen Schultern verteilt. Während bei einer Aktiengesellschaft (Beispiel Bayern München) die Macht des Einzelnen oder des Unternehmens zunimmt, je mehr Aktien erworben werden, richtet sich der Einfluss in der Genossenschaft nicht nach dem investierten Geld. „Im Unterschied zur Aktiengesellschaft wird in einer Genossenschaft nach Köpfen abgestimmt. Es ist egal, ob Anleger zehn Prozent am Gesamten halten: Sie haben nur eine Stimme. Eine Genossenschaft folgt eher dem Partizipationsgedanken, was sie gerade für Profivereine attraktiv machen kann.“ Wichtig sei die Vorarbeit. Schon bei der Gründung müsse genau festgelegt werden, wie die Macht verteilt wird. "Dem Anfangsstatut kommt eine große Bedeutung zu. Wenn die Genossenschaft später wächst, wird es sehr schwierig, die Satzung zu ändern“, sagt Prigge.

Die Nachteile: Finanzielles Risiko für den Verein, schlechte Rendite

Aus Vereinssicht geht mit der Genossenschaft ein finanzielles Risiko einher, denn die Mitgliedschaft ist kündbar. "Theoretisch kann die Kündigungsfrist auf bis zu fünf Jahre ausgedehnt werden, aber der Verein muss den Anteil zurückzahlen. Das macht eine Genossenschaft im Falle einer Kündigungswelle auch riskant“, erläutert der Experte. Bei einem Eklat, wie ihn gerade Schalke erlebt, könnten viele Mitglieder ihre Kündigung einreichen und das Kapital abziehen wollen. Der Verein würde dadurch in erhebliche Schwierigkeiten geraten.

Außerdem ist eine Genossenschaft für Kapitalanleger wenig attraktiv. „Eine Genossenschaft ist unkommerziell. Wenn ein Mitglied 50 Euro eingezahlt hat, kriegt es im Falle der Kündigung auch 50 Euro wieder – sofern der Verein keinen Verlust gemacht hat. Denn das macht die Genossenschaft für Kapitalanleger unattraktiv: Anders als bei einer Aktiengesellschaft, werden die Anleger nicht am Gewinn beteiligt. Die Verluste können aber sehr wohl das eingebrachte Kapital schmälern. Die reine Finanzrendite ist eher schlecht“, erklärt Prigge. Dieser Nachteil kann allerdings auch ein Vorteil für den Verein sein: Er kann größeres Vertrauen in seine Geldgeber haben: „Andererseits kann der Verein mit der Genossenschaft Kapitalanleger gewinnen, die mit dem Verein sympathisieren.“