Gelsenkirchen. Benedikt Höwedes ist auf dem Markt und auf Schalke fehlen die Anführer. Doch sollte S04 wirklich zuschlagen? Unsere Redakteure diskutieren.
Seit seiner Vertragsauflösung bei Lokomotive Moskau träumen viele Schalke-Fans von einer Rückkehr des langjährigen Kapitäns Benedikt Höwedes. Insgesamt 16 Jahre schnürte der gebürtige Halterner zwischen 2001 und 2017 die Schuhe für Königsblau und wurde in dieser Zeit zur Vereinslegende. Doch kann er den aktuell kriselnden Schalker wirklich helfen? Schalke-Reporter Andreas Ernst und Redakteur Robin Haack diskutieren.
Das ist Benedikt Höwedes
Höwedes-Transfer: Schalke darf sich diese Chance nicht entgehen lassen
Von Andreas Ernst
Benedikt Höwedes sucht einen Verein – Schalke sucht Führungsspieler. Höwedes ist durch und durch Schalker – und Schalke fehlen Typen, die durch und durch Schalker sind. Da kann eigentlich nur ein Ruf an Sportvorstand Jochen Schneider gehen: Diese Personalie sollte er sich nicht entgehen lassen.
Doch ist das so einfach? Schneider will die Mannschaft zur kommenden Saison erheblich verjüngen, die noch verbliebenen Routiniers, die rund um 30 Jahre alt sind, gehen wahrscheinlich (Daniel Caligiuri, Benjamin Stambouli) oder sollen gehen (Guido Burgstaller). Doch ganz ohne erfahrene Spieler, die im Training und in der Kabine vorangehen, die sich auch mal auf die Ersatzbank setzen würden, geht es in keiner Mannschaft. Eine Rolle, die wie gemacht ist für den inzwischen 32-jährigen Höwedes.
Für Benedikt Höwedes wäre ein Neuanfang problemlos möglich
So verbissen wie bei seinem Abschied ist „Bene“ nicht mehr – was nicht nur daran liegt, dass er Familienvater ist, genug Geld verdient hat in seinem Fußball-Leben und nun weiß, dass Nordrhein-Westfalen sein Lebensmittelpunkt für die Zukunft sein soll.
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Der Abschied des Weltmeisters im Sommer 2017 war jedenfalls nicht sehr harmonisch. Doch weder Trainer Domenico Tedesco, der ihn seinerzeit als Kapitän abgesägt hatte, noch Sportvorstand Christian Heidel sind noch da. Und nur fünf Spieler aus dem mutmaßlichen Kader der kommenden Saison haben das Theater vor drei Jahren mitbekommen. Ein Neuanfang wäre problemlos möglich – und das auf einem neuen Trainingsgelände. Selbst das hat sich verändert.
Sportlich kann Höwedes Schalke auch noch helfen, wenn auch nicht so wie zu seiner besten Zeit rund um die WM 2014. In der Innenverteidigung plant Schalke mit Ozan Kabak, Salif Sané und Malick Thiaw. Auch Matija Nastasic steht noch unter Vertrag, er kann bei einem passenden Angebot aber gehen. Aber egal ob als vierter oder fünfter Innenverteidiger, egal ob als Standby-by-Profi oder ab und an in der Startformation: Höwedes tut Schalke immer gut.
Das sehen auch die Fans so. Denn sie gieren nach Identifikationsfiguren. So günstig wie Höwedes dürfte keine andere zu bekommen sein.
Benedikt Höwedes könnte sich auf Schalke seinen guten Ruf zerstören
Von Robin Haack
Wird im Jahr 2020 auf Schalke über Benedikt Höwedes gesprochen, dann stets positiv. Auch wenn sein Abschied schon drei Jahre zurückliegt, erinnern sich die Anhänger gern an ihren langjährigen Kapitän zurück. Es gibt wohl keinen Spieler, der Tugenden des selbsternannten Kumpel- und Malocherklub in den vergangenen Jahren besser repräsentiert und auch gelebt hat als Höwedes. Völlig zu Recht ist er in Gelsenkirchen deshalb bis heute eine Legende.
Nach seinem Abschied aus Moskau würden sich mit Sicherheit große Teile der Fans freuen, wenn der verlorene Sohn – weggeschickt vom damaligen Trainer Domenico Tedesco – nach Hause kommen würde. Selbst Torwart Ralf Fährmann hat seinen alten Kumpel in einem Kommentar bei Instagram aufgefordert, nach Hause zu kommen. Doch eine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte wäre für Höwedes nicht der richtige Schritt. Sie würde seinem guten Ruf schaden.
Schalke befindet sich in der wohl größten Krise der jüngeren Vergangenheit. Sowohl finanziell als auch sportlich ist der Klub auf Talfahrt. Aber auch ein Benedikt Höwedes könnte den Königsblauen sportlich nicht aus der Krise führen, denn auch an Vereinslegenden nagen die Zeichen der Zeit. Bei einem möglichen Transfer wäre die Erwartungshaltung an den Weltmeister von 2014 gigantisch – doch ob, er diese mit 32 Jahren sportlich noch erfüllen kann, darf und muss bezweifelt werden. Schafft er es nicht, bröckelt sein Legendenstatus.
Schalke auch ohne Höwedes in der Innenverteidigung gut aufgestellt
Höwedes war nie der Schnellste. Ein aggressives Pressing, wie es die Mannschaft von Trainer David Wagner es in der Hinrunde gezeigt hat, gehörte ebenfalls nicht zu seinen großen Stärken – ins sportliche System würde er also nur bedingt passen. Zumal die Innenverteidigung die vielleicht kleinste Baustelle im S04-Kader ist. Auch bei möglichen Abgängen von Benjamin Stambouli (Vertrag läuft aus) und Jean-Clair Todibo (Leihende) stehen in Salif Sane, Ozan Kabak und Matija Nastasic drei Innenverteidiger im Kader, die sich qualitativ in der Bundesliga nicht verstecken müssen. Zudem steht mit dem 18-jährigen Malik Thiaw ein großes Talent für diese Position in den Startlöchern.
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Sollte sich Schalke tatsächlich um Höwedes bemühen, dann also in erster Linie wegen seines Charakters und seiner Führungsqualitäten. Trotz aller Fußball-Romantik darf das nicht für einen Transfer ausreichen.