Gelsenkirchen. Sven Schneider, Vorsitzender der Schalker Fan-Initiative, fordert konsequentes Vorgehen beim Kampf gegen Rassismus. Ein Interview.

Beim FC Schalke 04 stehen in dieser Woche alle auf. Aber nicht nur im Stadion beim Anfeuern ihrer Lieblinge, sondern auch außerhalb des Platzes. Mit zahlreichen Aktionen unter dem Titel #stehtauf will der Verein in der Woche vor dem Heimspiel am Samstag gegen den SC Paderborn Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung setzen. Dieser Arbeit hat sich die Schalker Fan-Initiative schon seit 28 Jahren verschrieben und wurde dafür unter anderem im Jahr 2017 mit dem Julius-Hirsch-Preis des DFB ausgezeichnet. Im WAZ-Interview spricht der Vorsitzende Sven Schneider über das Engagement der Fan-Initiative.

Mit der Aktionswoche #stehtauf will Schalke Zeichen gegen Rassismus setzen. Wie stehen Sie dazu?

Sven Schneider: Schalke hat den Anspruch, sich mit der Kampagne klar zu positionieren. Daran werden wir den Verein messen, ob das auch wirklich mehr ist als nur eine Image-Kampagne. Wir wollen, dass der Anspruch an Antidiskriminierung und Antirassismus auch gelebt wird. Dass man zusätzlich Kampagnen macht, ist grundsätzlich gut, reicht aber allein nicht. Man muss danach handeln und sanktionieren.

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Seit 28 Jahren tritt die Fan-Initiative gegen Rassismus ein. Wie kam es damals zur Gründung?

Schneider: Die Stadionbesuche haben damals einfach keinen Spaß mehr gemacht. Früher gab es in der ganzen Kurve Asylantenrufe und Affenlaute. Aber nicht nur auf Schalke, auch in anderen Stadien. Das war Anfang der 90er völlig normal. Dann hatten wir zwei Alternativen: Entweder gehen wir nicht mehr hin, oder wir versuchen, etwas dagegen zu machen. Wir haben uns für Letzteres entschieden. Danach gab es erste Flugblattaktionen, bei denen sich auch Spieler wie Yves Eigenrauch positioniert haben.

Die Fan-Initiative richtet sich gegen Diskriminierung und Antisemitismus. Wie gehen Sie dann mit den Vorfällen wie dem im Pokalspiel gegen Berlin um?

Schneider: Man muss das auf jeden Fall ernstnehmen. Der Spieler behauptet das ja nicht einfach so und fängt im Spiel an zu weinen. Genau für solche Fälle ist der Antirassismus-Paragraph in der Satzung gelandet, um dieses Verhalten sanktionieren zu können. Das Problem ist allerdings, dass keiner weiß, wie, wo, wann, und was genau passiert ist. Von uns hat im Stadion auch keiner etwas davon gehört. Deshalb müssen wir abwarten, inwiefern sich das Ganze aufklärt. Wenn die Personen identifiziert werden können, müssen sie sanktioniert werden. Und zwar mit Vereinsausschluss und Stadionverbot.

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Gibt es wirklich ein Rassismusproblem auf Schalke?

Schneider: Nein, Rassismus ist kein Schalke-spezifisches Problem, sondern ein gesamt-gesellschaftliches. Es hat eine Veränderung in der Gesellschaft gegeben, zum Beispiel durch die Wahlerfolge rechter Parteien oder durch Sätze in den sozialen Netzwerken, die jetzt angeblich wieder gesagt werden dürfen. Frauke Petry von der AfD hat sich kürzlich ja dafür eingesetzt, dass der Begriff ‚völkisch‘ positiv umdefiniert wird. Schalke 04 und wir als Fans haben deshalb eine Verantwortung, gegenzusteuern und klare Kante zu zeigen.

Wie viele Fans gehören zum aktiven Team?

Schneider: Wir haben zwar 350 Mitglieder, aber der aktive Kreis ist sehr überschaubar. Es ist meistens relativ einfach, Helfer für bestimmte Projekte zu gewinnen. Das ist zeitlich überschaubar. Aber für ein Vorstandsamt zu kandidieren und auch die Verantwortung anzunehmen, die damit zusammenhängt, ist schon sehr schwierig. Zudem kommen viele unserer Mitglieder nicht aus Gelsenkirchen. Aber wir machen in der Stadt halt total viel. Wir sind in Gremien vertreten, richten Turniere wie den Come-Together-Cup aus und kümmern uns um den Fan-Laden, um hier präsent zu sein.

Sie haben jetzt schon einige Aktionen der Fan-Initiative angesprochen. Was gehört sonst noch zur Arbeit der Gruppierung?

Schneider: Ein großer Bereich sind die Projekte. Da geht es beispielsweise um Theater, Film und Geschichte, aber es gibt auch Schüleraustausche. Ein weiterer Teil ist die Medienarbeit. Als die Tönnies-Geschichte aktuell war, gab es viele Anfragen aus diesem Bereich, die uns als Antirassismus-Fangruppierung um ein Statement gebeten haben. Und wir treiben natürlich auch den Austausch mit anderen Fans voran, durch Reisen in die Ukraine, nach Polen und Tschechien.

Was waren die bedeutendsten Dinge, die die Fan-Initiative erreicht hat?

Schneider: Wir sind sehr stolz darauf, dass wir alle anderen großen Fangruppen beim Thema Antirassismus hinter uns haben. Wir mit unseren 350 Mitgliedern können in einem so großen Stadion natürlich nicht viel machen. Da braucht es Unterstützung. Dass der Antirassismus-Paragraph in die Vereinssatzung aufgenommen wurde, war ein weiterer Erfolg. Und dass wir mitverantwortlich dafür sind, dass sich in der Arena eine Form von Zivilcourage etabliert hat. Es ist ja schön, wenn jemand wegen der #stehtauf-Aktion einem Ansprechpartner sagen kann, dass da einer etwas Rassistisches gerufen hat. Aber viel geiler ist es, dass derjenige, der sich rassistisch äußert, direkt Widerspruch erntet. Die Preise, die wir bekommen haben, sind auch eine schöne Auszeichnung. Aber wichtiger ist, dass wir inhaltlich mit Prävention und Aufklärung erfolgreich sind.

Wie unterscheidet ihr euch von anderen Fan-Gruppierungen?

Schneider: Wir sind ein ideeller Fanclub. In die anderen Organisationen gehst du ja, wenn du mit denen zum Beispiel zu Auswärtsspielen fährst. Viele unserer Mitglieder sind auch noch in solchen Fan-Gruppierungen und haben sich zusätzlich noch bei uns wegen der inhaltlichen Ausrichtung angemeldet. Aber wir sprechen natürlich immer mit den anderen Gruppierungen, um möglichst viele im Boot zu haben.