Gelsenkirchen. Schalke-Vorstand Peter Peters hofft, dass das Tönnies-Urteil respektiert wird. Im Interview sagt er: „Alles andere wäre für mich Anarchie.“
Kein anderer hat mit Clemens Tönnies (63) auf Schalke so lange eng zusammengearbeitet wie Peter Peters (57) – seit mittlerweile 25 Jahren. Im WAZ-Interview spricht der Schalke-Vorstand, der zugleich auch Vize-Präsident von DFB und DFL ist, über die dreimonatige Sperre für Tönnies, die mit dem heutigen Tag abgelaufen ist. Peters glaubt, dass „eine deutliche Mehrheit“ unter den Schalke-Mitgliedern es begrüßt, dass Tönnies jetzt wieder an die Spitze des Aufsichtsrates zurückkehrt. „Es gibt nicht lebenslang, das gehört zu einem Miteinander dazu“, so Peters. Gleichwohl habe Tönnies die Sperre getroffen und „nachdenklich“ gemacht.
Clemens Tönnies wird am Samstag nicht im Stadion sein. Wie bewerten Sie das?
Peter Peters: Ich bewerte das als einen völlig normalen Vorgang. Es war auch in der Vergangenheit so, dass Clemens Tönnies nicht bei allen Heimspielen war, wenn er wichtige berufliche Termine hatte, und so ist es auch jetzt.
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Also kein Fernbleiben aus Angst vor möglichen Reaktionen?
Peters: Ganz sicher nicht. Wir kehren mit dem heutigen Tag in die Selbstverständlichkeit zurück: Die Sperre ist ganz regulär abgelaufen. Clemens Tönnies übernimmt selbstverständlich wieder seine Aufgaben auf Schalke. Im Übrigen hätte er ja auch in den vergangenen Monaten zu den Spielen kommen können, er hatte ja kein Stadionverbot, sondern eine Enthebung auf Zeit von seinem Amt im Aufsichtsrat. Er hat sich aber bewusst entschieden: Ich gebe mir diese Distanz und reflektiere, was passiert ist.
Schalke ist für den Umgang mit dem Fall Tönnies heftig kritisiert worden. Wie sehen Sie das heute?
Peters: Ich bleibe dabei, dass ich die Kritik am Verein nach wie vor zurückweise. Denn Schalke 04 hat in dieser Frage mit seinen Gremien bemerkenswerte Entscheidungen getroffen, die letztendlich dazu geführt haben, dass mit dem heutigen Tag eine Sperre abgelaufen ist.
Inwiefern bemerkenswert?
Peters: Mir ist in der Diskussion zu kurz gekommen, dass es hier eine dreimonatige Sperre gegeben hat – das ist kein Freispruch! Die Enthebung von Vereinsämtern auf Zeit ist die zweithöchste Sanktion, die unsere Vereinssatzung vorsieht, darüber steht nur noch die Enthebung auf Dauer. Ich bin ein großer Anhänger von Satzungen und den Entscheidungen der Gremien. Dazu gehört aber auch, dass es danach weitergeht. Es ist ja nicht nur das Rechtsverständnis von Schalke 04, sondern allgemein gültig, dass man nach dem Verbüßen einer Sperre wieder seiner Tätigkeit nachgehen kann.
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Fürchten Sie, dass bei Tönnies etwas hängen bleibt?
Peters: Ich werbe intensiv dafür, dass das nicht so ist. Es gibt nicht lebenslang, das gehört zu einem Miteinander dazu. Ich spreche es niemandem ab, sich eine eigene Meinung zu bilden, aber es ist ja so: Die Entscheidung wurde getroffen auf Basis unserer Vereinssatzung und von einem Gremium, das die Mitglieder gewählt haben. Das Urteil ist also demokratisch legitimiert und wurde bestätigt von der DFB-Ethikkommission - man kann nicht so tun, als hätten alle diese Menschen keine Ahnung. Wir tun alle gut daran, das Urteil auch so zu respektieren. Alles andere wäre für mich Anarchie. Es kann niemals eine Minderheit über eine Mehrheit entscheiden.
Der Schalker Ehrenrat, der die Entscheidung getroffen hat, war in sich offenbar ja auch zerrissen, Kornelia Toporzysek trat in der Folge aus dem Gremium zurück.
Peters: Das ist eine Entscheidung, die wir respektieren müssen, die mir allerdings auch nicht gefallen hat, weil man ja nur im Amt gestalten kann. Der Eindruck der Nicht-Geschlossenheit ist allerdings deutlich falsch. Nach meinen Informationen wurde im Ehrenrat einstimmig bewertet und einstimmig entschieden.
Haben Sie denn Hintergründe zum Rücktritt?
Peters: Nein. Ich muss es respektieren.
Vor acht Jahren, als Schalke gerade die Magath-Zeit überwunden hatte, hat Clemens Tönnies einmal gesagt: Eine solche Zerrissenheit wie unter Magath dürfe es nie wieder auf Schalke geben. Ist der Verein jetzt nicht ähnlich gespalten in Pro und Contra Tönnies?
Peters: Schalke ist ein lebhafter Verein mit mehr als 160.000 Mitgliedern, zu jeder Mitgliederversammlung kommen über 10.000 Schalker und es werden einzelne Themenkomplexe unterschiedlich bewertet. Einstimmigkeit in allen Fragen zu erzielen, ist nicht möglich und kann auch nicht das Ziel in einer lebendigen Kultur sein. Aber gerade deswegen bin ich ja ein so großer Anhänger von Entscheidungen auf Basis von Mehrheiten und Wahlen – und dem Respekt vor diesen Entscheidungen!
Spüren Sie denn eine deutliche Mehrheit unter den Vereinsmitgliedern, die in den vergangenen Wochen pro CT gewesen sind?
Peters: Ich spüre eine deutliche Mehrheit, die erkennt, was Clemens Tönnies für diesen Verein geleistet hat und auch in Zukunft leisten wird, eine deutliche Mehrheit für die ganz klare Aussage, dass er kein Rassist ist, und ich spüre auch eine deutliche Mehrheit, dass es positiv bewertet wird, dass er sich sofort entschuldigt hat und jetzt zurückkommt. Aber nochmal: Ich respektiere auch andere Meinungen.
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Wie schwer ist Tönnies diese Strafe gefallen?
Peters: Es ist doch völlig klar, dass jeden Menschen so etwas trifft und nachdenklich macht. Clemens hat die Strafe akzeptiert und ist respektvoll damit umgegangen.
Es gab in den vergangenen Wochen Gerüchte, dass Tönnies über einen Rückzug nachgedacht haben soll. Hat es solche Gedanken gegeben?
Peters: Da müssen Sie ihn selbst fragen, ob es solche Gedanken gegeben hat. Ich glaube, jeder Mensch ist betroffen, wenn der Grad der Verurteilung nicht aufhört. Aber jeder reagiert in solchen Situationen anders.
Im Umfeld hört man oft die Vermutung, viele Kritiker hätten auf einen schwachen Tönnies gewartet, um alte Rechnungen zu begleichen. Ist da aus Ihrer Sicht etwas dran?
Peters: Clemens Tönnies würde ich immer als stark bezeichnen. Er ist gewählter, legitimierter Aufsichtsratsvorsitzender von Schalke 04. Er hat die Kompetenz und die Klasse, dieses Amt nachweisbar gut auszuüben. Die Satzung gibt ihm ja Stärke. Deswegen ist allein diese Schlussfolgerung aus meiner Sicht verkehrt. Ich hatte den Eindruck, im Aufsichtsrat selbst gab es überhaupt keine Diskussion.
Wird er nun künftig seine Amtsgeschäfte wieder so ausführen, wie er das immer getan hat?
Peters: Ja, davon gehe ich aus, weil sich diese Art der Zusammenarbeit bewährt hat: Mit Rat und Tat und Kontrolle den Vorstand in wesentlichen Punkten zu begleiten. Im Übrigen ist es ja die Entscheidung des Aufsichtsrates, wie dort gearbeitet wird, und dort ist man auch der festen Überzeugung, dass wir auf Basis der Aufgabenverteilung gut aufgestellt sind.
Tönnies war tatsächlich nie auf Schalke in den drei Monaten der Amtsenthebung?
Peters: Nein.
Wie oft waren Sie in Rheda?
Peters: Ich war auf dem Sommerfest, als unsere Traditionsmannschaft dort gespielt hat. Es war mir wichtig, da an seiner Seite zu sein, so wie es immer war - losgelöst von Schalke. Und ich war genauso auf der Party zur Geburt seines Enkelkinds.
Warum ist Tönnies für Schalke so wichtig? Viele Leute sagen: Schalke braucht ihn, weil er den Kontakt zu wichtigen Sponsoren hält.
Peters: Das stimmt ja auch. Er ist ein erfolgreicher Unternehmer und hat immer wieder wichtige Türen für den Verein geöffnet. Nicht nur in Sachen Sponsoren, auch bei Gesprächen mit Banken über Finanzierungen. Er ist ein guter Verhandlungspartner. Wenn wir Entscheidungen zu treffen haben, ist uns seine Meinung enorm wichtig. Und er hat die Persönlichkeit, diesen Verein mit seiner Vielfalt der Meinungen zusammenzuhalten. Deswegen ist es ja gerade falsch, wenn man von Zerrissenheit spricht: Natürlich gibt es in unseren Gremien bisweilen unterschiedliche Sichtweisen, aber wir haben es in den letzten Jahren immer geschafft, zu gemeinsam getragenen Ergebnissen zu kommen. Das hat viel mit Clemens Tönnies zu tun.
Sie sind Vize-Präsident der DFL: Wie war in den drei Monaten eigentlich Bundesliga-intern das Echo zum Fall Tönnies?
Peters: Die Reaktionen aus der Bundesliga, die ich mitbekommen habe, waren gegen den Mainstream. Sie waren geprägt von der Ansicht: Es ist ein bisschen viel, was jetzt an öffentlicher Verurteilung passiert. Es ist ja heute so, dass viele sich schwertun, das öffentlich zu sagen, aber in vielen Vier-Augen-Gesprächen kam das sehr oft und sehr glaubwürdig herüber. Und das ist auch gut für Clemens Tönnies.