Gelsenkirchen. . Suat Serdar ist einer der wenigen Spieler, die sich auf Schalke zuletzt positiv entwickelt haben. Der Ex-Mainzer hat viele Fürsprecher.
Wer Suat Serdar vor einem Jahr erlebt hat, der wusste, dass der frühere Mainzer nicht zum Reden nach Schalke gekommen war. Man sah einen etwas schüchternen jungen Mann, dem zum Beispiel Interviews immer ein wenig unangenehm schienen. Bei manchen Fragen wurde er sogar ein bisschen rot im Gesicht. Nein, dieser Suat Serdar war keiner, der mit damals 21 Jahren unbedingt im Mittelpunkt stehen musste. Er kam eher höflich, zurückhaltend und bescheiden daher.
An sich sind das ja nun positive Charakterzüge, wenn sich einer im heutzutage durchgeknallten Bundesliga-Business seine Natürlichkeit bewahrt hat. Das Problem war nur: Suat Serdar hat anfangs auch so zurückhaltend gespielt, wie er sich gegeben hat. Immer etwas zaghaft, manchmal wirkte er gehemmt. Man hätte dem Mittelfeldspieler auf dem Platz gerne ein Stück mehr Temperament gewünscht, um sein zweifellos vorhandenes Potenzial abzurufen.
Vielleicht waren es aber auch nur die Anlaufprobleme nach seinem Wechsel von Mainz 05 zu Schalke 04, denn in der Rückrunde spielte Serdar deutlich auffälliger und war in einer immer schlechter werdenden Schalker Mannschaft noch einer der besseren Spieler.
Es gibt sie also doch, die Spieler, die sich dem Phänomen entziehen können, dass Neuzugänge auf Schalke für gewöhnlich fast immer schlechter werden statt besser. Heimlich, still und leise hat sich Suat Serdar sehr ordentlich entwickelt.
Die Auffälligkeiten seiner ersten Bundesliga-Saison auf Schalke fallen ausnahmslos in die Rückrunde: Am 27. Spieltag erzielte der deutsche U21-Nationalspieler das entscheidende Tor zum eminent wichtigen 1:0-Auswärtssieg im Kellerduell bei Hannover 96 und eine Woche später traf er auch bei der unglücklichen 1:2-Heimniederlage gegen Eintracht Frankfurt. In diesem Spiel sah er auch die Gelb-Rote Karte – bereits sein zweiter Platzverweis, nachdem er am 22. Spieltag gegen Freiburg mit glatt Rot vom Feld geflogen war. Beide Platzverweise waren allerdings nicht das Produkt von Undiszipliniertheiten. Sie zeigten eher einen gestiegenen Behauptungswillen, wenngleich Serdar zumindest im Spiel gegen Freiburg damit übers Ziel hinaus schoss und die Mannschaft schwächte. Aber Suat Serdar ergab sich, im Gegensatz zu vielen seiner Mitspieler, zumindest nicht wehrlos dem Schicksal.
Auf Schalke als Goretzka-Nachfolger vorgesehen
Was der in Bingen geborene Deutsch-Türke wirklich drauf hat, zeigte er besonders am 31. Spieltag beim Derbysieg: An ihm wurden die beiden Platzverweise der Dortmunder Spieler Reus und Wolf verursacht, die Serdar von hinten rüde umgrätschten, weil sie ihn anders nicht stoppen konnten. Diese beiden fast deckungsgleichen Szenen unterstrichen eine große Stärke des früheren Mainzers: Wenn er mit dem Ball am Fuß durchs Mittelfeld zieht und Tempo aufnimmt, dann erinnert er schon jetzt ein wenig an Leon Goretzka, dessen herausragende Eigenschaft ebenfalls diese tiefen Läufe sind.
Schalke hatte Serdar vor einem Jahr für 11 Millionen Euro als Nachfolger des nach München abgewanderten Goretzka verpflichtet – das Talent sollte langsam in die Rolle des Nationalspielers hineinwachsen. Diese eine Rechnung der damals verantwortlichen Christian Heidel und Domenico Tedesco könnte noch aufgehen. Eurofighter Mike Büskens, der Serdar in den vergangenen Wochen als Co-Trainer angeleitet hat, ist überzeugt: „Ich glaube zu 100 Prozent an Suat. Das ist ein Junge mit Potenzial.”
Auch andere Experten haben diesen Blick auf den Profi: Freiburgs Trainer Christian Streich wollte Serdar vor Jahren unbedingt von Mainz ausleihen, um ihn unter seinen Händen zu einem herausragenden Bundesligaspieler zu formen – Mainz, damals noch von Christian Heidel geführt, lehnte dies ab. Und bei U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz ist der Schalker auch für die EM-Endrunde in diesem Sommer (16. bis 30. Juni) fest gesetzt. 36 U-Länderspiele (sieben Tore) hat der Techniker für Deutschland bisher bestritten.
Nübel, McKennie – und sonst?
Suat Serdar ist sicher ein heimlicher Gewinner der verlorenen Schalker Saison. Und sonst? Natürlich Torwart Alexander Nübel, der Ralf Fährmann verdrängt hat, vielleicht noch Weston McKennie, der seine Leistungen stabilisiert hat. Bei ihm gilt das, was wir im vergangenen Teil der WAZ-Serie „Saisonende – kommt jetzt die Wende?” angerissen haben: Dass sich die Spieler aus der Knappenschmiede bei den Schalker Profis viel häufiger positiv entwickeln als die Neuzugänge von fremden Vereinen. Nun ist es an Ahmed Kutucu und Nassim Boujellab, dies fortzusetzen. Auch sie zählen zu den wenigen Gewinnern der verkorksten Saison 2018/19 – gemeinsam mit Serdar, dem stillen Suat.