Gelsenkirchen. Schalkes Torwart geht selbstbewusst in das Spiel in Hannover. Ein Gespräch über Trainer Stevens, Konkurrent Fährmann und einen neuen Vertrag.

Schalkes Stammtorwart Alexander Nübel (22) zeigt sich vor dem Kellerduell am Sonntag (15.30 Uhr) bei Hannover 96 kämpferisch und zuversichtlich zugleich. Er geht fest davon aus, dass die Königsblauen in der Liga bleiben – und aus einer desaströsen Spielzeit die richtigen Lehren ziehen.

Herr Nübel, wann haben Sie eigentlich erfahren, dass Sie auch unter dem neuen Trainer Huub Stevens die Nummer eins bleiben?

Alexander Nübel: Am Samstag vor dem Spiel gegen RB Leipzig. Vorher wusste ich davon nichts. Ich hatte aber ein gutes Gefühl und bin nicht mit Sorgen zur Mannschaftsbesprechung gegangen, weil meine Leistungen in den Wochen zuvor gut waren.

Hat sich für Sie unter Huub Stevens im Vergleich zu seinem Vorgänger Domenico Tedesco etwas verändert?

Nübel: Nein. Die meisten Ratschläge und Tipps kommen, was uns Torhüter anbetrifft, von Torwarttrainer Simon Henzler. Huub Stevens lässt uns in Ruhe arbeiten.

Der ehemalige Schalker Profi Sergio Pinto hat von einer Strafe berichtet, die er als junger Spieler unter Huub Stevens zahlen musste. Alleine das Tragen einer Kappe hat ihn vor Jahren 20 Mark gekostet. Haben Sie als Kappenträger auch schon eine Ansage bekommen?

Nübel: (lacht) Bis jetzt noch nicht, aber das kann ja noch kommen. Es ist eben eine andere Trainerschule, die er verkörpert. Für mich selbst spielt die Kleidung keine Rolle. Jeder kann sich so anziehen, wie er möchte. Das Thema gab es ja gerade erst groß in der Nationalmannschaft.

Beim Schalker Uefa-Cup-Sieg 1997 waren sie erst ein paar Monate alt. Wann haben Sie Huub Stevens das erste Mal bewusst wahrgenommen?

Nübel: Als ich kleiner war, hatte ich noch nicht diesen Schalke-Bezug wie heute. Klar war mir Huub Stevens als Name ein Begriff. Wie er tickt und wie er als Trainer arbeitet, habe ich aber nicht so wahrgenommen.

Alex Nübel im Interview mit Thomas Tartemann und Christoph Winkel.
Alex Nübel im Interview mit Thomas Tartemann und Christoph Winkel. © FFS

Wie ist der Eindruck vom neuen Trainer nach den ersten gemeinsamen Einheiten?

Nübel: Huub Stevens spricht offen und ehrlich mit uns. Er ist immer direkt. Du weißt als Spieler, woran du bist. Er arbeitet mit Spaß und sehr vielen Emotionen, was meiner Meinung nach auch zum Fußball dazu gehört.

Ist Ihnen der Abschied von Domenico Tedesco, der Sie zum Stammtorwart gemacht hat, schwer gefallen?

Nübel: Ein Abschied ist immer schwer. Ich bin jetzt im vierten Jahr hier und habe den vierten Trainer bekommen. Mich hat damals André Breitenreiter aus Paderborn zu Schalke geholt. Er musste nach einem Jahr wieder gehen. Ein neuer Trainer bedeutet für Spieler auch eine neue Herausforderung, man muss seine Ansichten erst einmal kennenlernen.

Schalkes Fans haben in dieser turbulenten Saison eine Menge Tiefpunkte erlebt und ihrem Frust freien Lauf gelassen. Nach dem 0:3 in Mainz kamen “außer Nübel könnt ihr alle gehen”-Sprechchöre auf. Berührt Sie so etwas?

Nübel: Eigentlich war ich nach dem Spiel traurig und sauer. Deswegen habe ich die Sprechchöre erst nicht wahrgenommen, sie aber nachher richtig eingeordnet. Ich freue mich einfach jeden Tag, zum Schalker Training zu fahren und für diesen Klub spielen zu dürfen.

Haben Sie im Kopf mal das Szenario durchgespielt, dass Schalke womöglich absteigen könnte?

Nübel: Nein, darüber habe ich nicht nachgedacht.

Geht das nicht etwas an der Realität vorbei?

Nübel: Ich weiß, wo wir stehen. Und ich weiß, dass wir mit Schalke nicht absteigen. Wir haben Sonntag das Spiel in Hannover vor der Brust. Das werden wir positiv bestreiten. Dann sieht die Sache schon wieder anders aus. Wir werden in den Spielen punkten. Klar, wäre es dann unter dem Strich trotzdem keine schöne Saison, aber dann müssten wir die Spielzeit nach eingehender Analyse mit einer schlechten Platzierung abhaken.

Kann eine schwache Saison in positive Energie umgewandelt werden?

Nübel: Ich sehe das durchaus so. Daraus kann ein Lerneffekt entstehen. Für mich erlebt man in dieser schwierigen Phase auch Emotionen, die einfach dazugehören und die für das Leben wichtig sind. So etwas behält man länger in Erinnerung als Tabellenplatz fünf.

Wie verarbeiten Sie sportliche Rückschläge?

Nübel: Die Nacht nach einer Niederlage kann ich nicht gut schlafen. Der Sonntag ist anschließend auch nicht so toll. Meistens bekommt meine Freundin meine schlechte Laune mit (lacht), aber die verpackt das sehr gut. Bei manchen Spielen, die zu emotional sind, bleibt sie weg. Sonst schaut sie die meisten Begegnungen im Stadion.

Waren Sie froh, dass Sie beim 0:7 gegen Manchester City nicht im Tor gestanden haben?

Nübel: Nein, ich hätte auch da gerne gespielt. Man weiß nie, wann man es wieder schafft, wieder in ein Achtelfinale der Champions League zu kommen. Deswegen war ich auch traurig, dass ich da nicht spielen durfte. Das 2:3 im Hinspiel tat aber mehr weh als die Klatsche im Rückspiel.

Wie ist das Verhältnis zu Konkurrent Ralf Fährmann?

Nübel: Daran hat sich nicht viel geändert. Wir sprechen ganz normal über die Dinge, unterhalten uns auch über Sachen, die nichts mit dem Fußball zu tun haben, wir schicken uns zwischendurch Nachrichten. Das läuft mit dem dritten Torwart Michael Langer und auch mit Torwarttrainer Simon Henzler ähnlich. Ich habe auch bei der U21-Nationalelf gute Erfahrungen gemacht.

Welche?

Nübel: Torwarttrainer Klaus Thomforde sagt: Wir trainieren zusammen, wir arbeiten alle zusammen und der Keeper, der spielt, zeigt das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit auf dem Platz. Das ist hier auf Schalke auch so.

Tragen Sie in der nächsten Saison bei Schalke die Nummer “1” auf dem Rücken?

Nübel: Das weiß ich nicht. Ich würde auch mit der Nummer 35 spielen. Klar hat die “1” eine gewisse Symbolik, aber für mich spielt sie noch nicht diese große, entscheidende Rolle.

Wäre die aktuelle Konstellation mit Ihnen als Stammtorwart und Ralf Fährmann als Vertreter auch im kommenden Jahr denkbar?

Nübel: Was Ralf nächste Saison macht, weiß ich nicht. Er ist für mich immer noch einer der besten Torhüter in Deutschland, er will immer spielen. Genauso, wie ich auch spielen will. Ralf hat noch eineinhalb Jahre Vertrag, bei mir ist die Situation gleich. Es sieht so aus, als bestreiten wir auch die kommende Saison gemeinsam auf Schalke.

Im Januar gab es bei Ihnen Überlegungen, sich zu einem anderen Verein ausleihen zu lassen, um Wettkampfpraxis zu sammeln. Das dürfte jetzt kein Thema mehr sein, oder?

Nübel: Die Situation hat sich verändert. Es gibt auch nicht viele Vereine, die vom Stellenwert über Schalke 04 stehen. Schalke zählt zu den Top-20 in Europa. Es macht also jetzt keinen Sinn, zu sagen: Ich möchte zum Beispiel nach Holland wechseln.

Auch interessant

Das heißt übersetzt: Sie können sich vorstellen, auf Schalke zu verlängern?

Nübel: Wir werden sicherlich Gespräche führen. Jetzt konzentriere ich mich aber nur auf die letzten Spiele bis zum Saisonende, darauf richte ich meinen Fokus. Im Sommer kann man sich dann in entspannter Atmosphäre zusammensetzen, um zu schauen, wie es weitergeht.

Sie haben mit Ralf Fährmann den selben Spielerberater. Ist das Fluch und Segen zugleich?

Nübel: Für mich als Spieler nicht. Für unseren Berater Stefan Backs ist es vermutlich schwieriger. Ich bin letztes Jahr zu ihm gewechselt, weil ich seine Kompetenz schätze. Für mich war wichtig, dass ich Vertrauen spüre und gut versorgt werde. Es gibt aktuell keinen Grund für mich, daran etwas zu ändern.

Spüren Sie als erster Torwart eine andere Akzeptanz?

Nübel: Die ist eher gestiegen, als ich von der Nummer drei zur Nummer zwei geworden bin. Jetzt hat sich für mich eigentlich nichts geändert.

Worauf kommt es am Sonntag in Hannover an? Erwarten Sie ein Nervenspiel?

Nübel: Ich denke ja. Jedes Spiel ist jetzt ein Finale für uns. Wir spielen darum, in der Klasse zu bleiben und wollen nicht in die Relegation reinrutschen. Es kommt auf Leidenschaft und Willen an. Wenn wir das einbringen, kommt auch unsere Qualität zum Tragen. Und dann bringen wir das Ding zu unseren Gunsten zu Ende.

Auch interessant

Können Sie ausschließen, dass die Fans im Endspurt noch mal enttäuscht nach Hause fahren?

Nübel: Wenn wir 15. werden, sind die Fans natürlich enttäuscht. Aber es geht jetzt darum, wir die Saison vernünftig zu Ende bringen, im DFB-Pokal noch die Chance aufrechterhalten. Danach muss man die Saison analysieren. Im letzten Jahr hatten wir viel zu feiern als Vizemeister. Die schlechte Zeit, die wir jetzt durchlaufen, gehört aber auch dazu. Das ist eigentlich das Spannende an einem Verein, dass man positive und negative Phasen erlebt.

Würden Sie als Schalke-Fan der Mannschaft hinterherreisen?

Nübel: Ja, na klar. Ich war früher beim SC Paderborn in der Fankurve. Der Klub ist dreimal abgestiegen, trotzdem zittert man mit seinem Verein und bleibt ihm treu. Und das gilt umso mehr für einen großen Verein wie Schalke 04.