Gelsenkirchen/Fürth. . Ex-Schalker Sérgio da Silva Pinto hofft, dass der Verein, bei dem er Profi wurde, in der Liga bleibt. Auch für Hannover spielte der 38-Jährige.
Als Chefscout des Fußball-Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth ist Sérgio da Silva Pinto viel unterwegs. „Seit Sommer habe ich allein rund 80.000 Kilometer mit dem Auto abgespult. Wir sind mitten in der heißen Planungsphase für die kommende Saison“, sagt der 38-Jährige, der 1999 auf Schalke den Sprung ins Profigeschäft geschafft hat. Seine erfolgreichste Zeit hatte der Mittelfeldspieler aber bei Hannover 96. Mit den „Roten“ zog er 2011/12 sogar ins Viertelfinale der Europa-League ein. Am Sonntag kommt es zum Duell seiner Ex-Klubs. Im Interview spricht er über Abstiegskampf, Identifikation und eine besondere Begegnung mit Schalkes Trainer Huub Stevens.
Herr da Silva Pinto, haben Sie überhaupt Zeit, das Spiel am Sonntag zu sehen?
Sergio Pinto: Nein, leider nicht. Ich werde mir am Abend aber sicher die Zusammenfassung anschauen. Ich habe noch nicht einmal Zeit, unser Heimspiel gegen Arminia Bielefeld im Stadion zu sehen, weil ich wieder unterwegs bin. In welchem Stadion ich am Sonntag sein werde, verrate ich aber nicht (lacht).
Hannover oder Schalke, wer gewinnt?
Pinto: Es wird die Mannschaft gewinnen, die als Team besser funktioniert. In der Situation, in der sich sowohl Schalke als auch Hannover befinden, geht es nur darum, sich auf dem Rasen füreinander zu zerreißen. Das ist Abstiegskampf. Außerdem wird die Mannschaft im Vorteil sein, die weniger Nerven zeigt. Ich bin sehr gespannt, wie das Hannoveraner Publikum nach der Abstimmung bei der Mitgliederversammlung gegen Martin Kind reagieren wird. Es könnte am Sonntag eine Explosion bei den Fans geben und neue Kraft bei den 96’ern freisetzen.
Welche Mannschaft enttäuscht Sie in dieser Saison bislang mehr?
Pinto: Schwer zu sagen. Beide Mannschaften sind weit hinter den Erwartungen. Hannover, immerhin mit dem teuersten Kader aller Zeiten, hätte ich nicht ganz so tief im Tabellenkeller feststeckend erwartet. Dass sich die Mannschaft im unteren Drittel bewegen würde, war mir allerdings klar. Genauso habe ich vor der Saison gesagt, dass es für Schalke nicht einfach werden wird.
Inwieweit?
Pinto: Mir war klar, dass Schalke auf keinen Fall erneut ein Wörtchen um Platz zwei mitreden wird. Dazu sind zu viele Entscheidungen, auch Personalentscheidungen, getroffen worden, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ich bin ja ein Mann klarer Worte. Ich spreche Dinge an und auch aus. Dennoch bitte um Verständnis, dass ich in diesem Fall nicht ins Detail gehen möchte.
Der FC Schalke 04 in der 2. Liga ist aber unvorstellbar, oder?
Pinto: Das ist wirklich unvorstellbar. So sehr ich mich über den Besuch von Schalke bei uns im Sportpark Ronhof in Fürth auch freuen würde, wünsche ich dem ganzen Verein und seinen Fans natürlich, dass Schalke weiterhin erstklassig spielt. Ganz ehrlich: Ein Spiel im DFB-Pokal gegen Schalke würde mir in der nächsten Saison reichen (lacht). Ich halte es allerdings nicht mehr für ausgeschlossen, dass der Klub zumindest in die Relegation muss. Ich drücke Huub Stevens und Mike Büskens ganz fest die Daumen, dass sie den Turn Around schnell schaffen. Der Abstieg wäre eine Katastrophe. Ich glaube nicht, dass sich Schalke davon so schnell erholen würde.
Trauen Sie Schalke denn Abstiegskampf zu? Sind die richtigen Typen dafür an Bord?
Pinto: Auf Schalke fehlen Spieler, die sich mit dem Verein und der Region identifizieren können. Man muss die Kaderliste doch nur mal durchgehen. Die wenigsten Spieler wissen, was es bedeutet, für diesen Klub zu spielen. Und das meine ich gar nicht vorwurfsvoll. Sie kommen von überall her. Woher sollen sie das auch wissen? Aber das kann gerade in einer solch schwierigen Situation die Prozentpunkte ausmachen, die am Ende entscheidend sind. Schalke braucht Spieler, die alles reinwerfen, was im Rahmen des Legalen ist. So ein Typ wie Weston McKennie, der schon in der Knappenschmiede Schalke-Luft geatmet hat. Dass er jetzt verletzt ausfällt, ist sicher kein Vorteil.
In einem Interview haben Sie Huub Stevens mal als den Trainer bezeichnet, der ihnen am meisten in Erinnerung bleiben wird. Warum?
Pinto: Als ich nach meiner Zeit in der Schalker Jugend zu den Profis hochgekommen bin, war ich ziemlich wild, nicht gerade diszipliniert. Bei Huub Stevens reichte, anders als in der Jugend, mein Talent aber allein nicht mehr aus, um zu spielen. Auch wenn ich mich damals oft gefragt habe, was der Huub Stevens eigentlich von mir will, habe ich über seine Ansprachen nachgedacht und konnte ihn sogar ein Stück weit verstehen. Das hat mich als junger Spieler reifen lassen. Ich hatte unter ihm auch gewisse disziplinarische Strafen zu leisten...
Zum Beispiel?
Pinto: Vor einem Training kam ich mal cool mit Kappe und Ohrringen in die Kabine im alten Parkstadion. Huub Stevens sah das aus seinem Trainerbüro und sagte nur: ‚Kappe 20 Mark, Ohrringe 40 Mark.‘ Zuerst dachte ich, dass er mich veräppeln will. Das war doch nicht der Preis, den ich bezahlt hatte. Nein, es war die Strafe, die ich zu zahlen hatte, weil ich so aufgetreten bin (lacht). Der Trainer wollte einfach nicht, dass ich als junger Spieler so rumlaufe. Es fand das respektlos. Das habe ich verstanden.
Auch Schalkes neuen Co-Trainer Mike Büskens kennen Sie aus Ihrer Zeit auf Schalke.
Pinto: Ja. Als wir mit den Schalker Amateuren in der Saison 2002/03 aufgestiegen sind, habe ich die meisten Spiele auf der Sechs neben Mike Büskens gemacht. Mike war der Leitwolf unserer Mannschaft, der Eurofighter. Er war auch später als Trainer erfolgreich, unter anderem hier in Fürth. Auf unserer Geschäftsstelle wird noch in den höchsten Tönen von Mike Büskens gesprochen. Mit einigen Mitarbeitern telefoniert er noch regelmäßig. Ganz Fürth drückt ihm jetzt die Daumen. Ich bin sicher: Wenn die Spieler sich von Huub und Mike etwas annehmen und es umsetzen, wird Schalke den Klassenerhalt schaffen.