Gelsenkirchen. . Vor einem Jahr hat Schalke den großen Umbruch gemacht. Trainer Weinzierl kämpft aber mit Problemen, die auch sein Vorgänger erkannt hatte.
- Einige Transferentscheidungen beim FC Schalke 04 sind zu hinterfragen
- Bei den Königsblauen ist nur der Verein mit seinem Umfeld konstant geblieben
- Die Frage: Wofür steht Schalkes Fußball eigentlich?
Unverwechselbar sollte der Spielstil sein, und Christian Heidel hatte sogar eine hübsche Idee, um das plakativ zu beschreiben. Selbst wenn die Mannschaft in neutralen Trikots auflaufen würde, müsste man sofort erkennen: Das ist Schalke-Fußball.
So hatte sich Manager Christian Heidel bei seinem Dienstantritt vor einem Jahr den FC Schalke 04 der Zukunft vorgestellt. Er fügte hinzu, dass dieser Spielstil der Mannschaft unabhängig von der Person des jeweiligen Trainers kennzeichnend für Schalke sein sollte. Doch ein Jahr und 50 Pflichtspiele später lässt es einen immer noch ratlos zurück, wenn man sich fragt: Wofür steht Schalkes Fußball eigentlich?
Drei unterschiedliche Typen
Bevor Markus Weinzierl den Job bei den Königsblauen bekam, hatte Schalke die unterschiedlichsten Trainer – jedem konnte man etwas zuordnen. Jens Keller stand für die Jugend, er kombinierte die Talente aus der Knappenschmiede mit erfahrenen Stars (Boateng, Huntelaar) und erzielte so seine Erfolge – zweimal kam Schalke mit ihm in die Champions League. Sein Nachfolger Roberto Di Matteo setzte auf einen (unattraktiven und erfolglosen) Defensivfußball, dessen Nachfolger André Breitenreiter wiederum wollte das Erlebnis Schalke wieder mehr herausstellen und den Spaß wecken.
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Markus Weinzierl ist mehr Kopfmensch als sein direkter Vorgänger. Er will, so hat man wenigstens den Eindruck, kontrollierter nach vorne spielen lassen. Am Ende seines ersten Jahres auf Schalke muss man allerdings feststellen: Weinzierl hat bisher weder das Ergebnis noch das Erlebnis auf seiner Seite. Dabei war der ehemalige Augsburger vor einem Jahr der Trainer, der Schalke langfristig prägen sollte.
Wie so viele seiner Vorgänger.
Als André Breitenreiter zusammen mit Ex-Manager Horst Heldt vor einem Jahr gehen musste, schrieb die WAZ an dieser Stelle: „Die Kritiker, die es heute begrüßen, dass die Zeit von Heldt und Breitenreiter vorbei ist, sollten sich ihre Argumente gut aufbewahren: Auf Schalke werden sie nämlich für gewöhnlich schnell wieder gebraucht. Nur die Namen der Kritisierten sind dann auszutauschen.“
Was Breitenreiter schon wusste
Wir erinnern daran heute nicht um zu behaupten, dass Breitenreiter ein besserer Trainer als Weinzierl ist – dies zu beurteilen, liegt uns fern. Wir greifen diesen Gedanken nur noch einmal auf, weil Trainer auf Schalke früher oder später immer in den Fokus der Kritik geraten, obwohl der ausbleibende Erfolg vielleicht gar nicht so sehr an ihnen festgemacht werden kann. Aber es fehlt oft an der dauerhaften Herangehensweise.
Ein Beispiel: Breitenreiter hatte der WAZ bereits nach einem halben Jahr auf Schalke anvertraut, er würde nun genau wissen, auf welche Spieler er bauen könnte. Er wollte das damals nicht öffentlich machen, aber er hatte schon zu diesem frühen Zeitpunkt feste Vorstellungen zur Umstrukturierung der Mannschaft für sein zweites Jahr – beispielsweise, dass ein Spieler wie Choupo-Moting zu wenig konstant sei, um mit ihm dauerhaft Erfolge zu erzielen. Breitenreiter konnte diese Ideen nicht umsetzen, weil er sein zweites Jahr auf Schalke nicht mehr bekam. Aber es ist interessant, dass sein Nachfolger Weinzierl nach einem Jahr nun fast wortgleich über seinen Spielerkader bilanziert: „Wir wissen jetzt: Wer identifiziert sich mit Schalke? Wer hat das Herz am rechten Fleck? Wer bringt Schalke weiter?“
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Diese Erkenntnis hätte Schalke ein Jahr eher haben können. Eher und auch günstiger.
Einige Transferentscheidungen sind zu hinterfragen
Rund 70 Millionen Euro haben die neuen Spieler gekostet, die Schalke vor einem Jahr für den Neuanfang geholt hat: Das Geld kam aus dem Verkauf von Leroy Sané sowie aus weiteren Transfer-Einnahmen (etwa Boni bei Julian Draxler, Verkauf von Junior Caicara). Das Argument, dass Schalke gerade bei den Neuzugängen großes Verletzungspech hatte, ist stichhaltig (Embolo, Coke, Baba, auch Naldo). Allerdings: Einige Transferentscheidungen sind kritisch zu hinterfragen. Hätte man es bei Yevhen Konoplyanka (12,5 Millionen Euro) nicht vorher erkennen können, dass er so große Defizite im Defensivverhalten hat, dass Weinzierl ihn nicht gebrauchen kann? Hätte man nicht sehen müssen, dass Benjamin Stambouli (8,5 Millionen Euro) Schalke nicht weiter bringt, weil er viel zu sehr Johannes Geis ähnelt?
Heldt hätte nie so investieren dürfen
Schalke hatte vor einem Jahr enorm viel Vertrauen in die neue sportliche Leitung Heidel/ Weinzierl, dass diese das Transfer-Geld gewinnbringend anlegen wird. Nur eine These: Heidels Vorgänger Horst Heldt hätte diese hohe Summe nicht ausgeben dürfen – unter ihm hätte der Aufsichtsrat entschieden, dass ein Teil der Sané-Millionen auf die hohe Kante gelegt wird.
Schalke hat die Mannschaft ausgewechselt, Schalke hat vier Trainer in drei Jahren beschäftigt, Schalke hat zwei Managern die Verantwortung übertragen – konstant geblieben ist nur der Verein mit seinem Umfeld. Ein langjähriger Schalke-Kenner hat unlängst festgestellt, dass es ihn nachdenklich stimmt, wenn die Mannschaft nach einer Heimniederlage gegen die Bayern auf eine Ehrenrunde geht und so für ihren Einsatz gefeiert wird.
Es muss Gründe geben, warum sich der Verein seit etwa drei Jahren in einer Abwärtsspirale befindet. Aber die Gründe kennen nicht einmal die Schalke-Bosse – auch sie rätseln darüber schon seit Jahren.