Mittersill. Klaas-Jan Huntelaar spricht im Interview über seine Saisonziele mit Schalke 04, die Situation der Mittelstürmer in Deutschland und seinen angeblichen Flirt mit Ajax.

  • Klaas-Jan Huntelaar spricht im Interview über seine Saisonziele mit Schalke 04
  • Der Niederländer bewertet die Situation der Mittelstürmer in Deutschland
  • Auch zu seinem angeblichen Flirt mit Ajax Amsterdam bezieht er Stellung

Klaas-Jan Huntelaar kommt bestens gelaunt zum Interview, im Training hat er Breel Embolo einen Beinschuss verpasst und das Video auf Instagram gepostet: „Willkommen auf Schalke.” Die gute Laune hat aber auch noch andere Gründe.

Herr Huntelaar, Schalke hat in dieser Woche oft mit vier Stürmern trainiert: Kann es sein, dass Schalke die Bundesliga ganz offensiv überrascht?

Klaas-Jan Huntelaar: Das kann sein. Jedes Spiel kann anders sein. Aber die Akzente sind schon nach vorne gerichtet. Das ist für Offensivspieler besonders schön und kann für die ganze Mannschaft auch sehr schön sein.

Wie kann es denn funktionieren, wenn man so offensiv spielt?

Huntelaar: Am wichtigsten ist, dass die Abstände untereinander stimmen, dass man nicht zu weit auseinander steht, weil sonst die Löcher zu groß sind - dann hat der Gegner zu viel Raum. Mannschaften wie Bayern beherrschen das zum Beispiel extrem gut. Bei absoluten Top-Mannschaften stimmen die Abstände fast immer, bei anderen passt das manchmal nicht so genau, und das sieht man dann auf dem Platz. Es muss passen, wenn man offensiv spielt.

Sie haben sich das ja immer gewünscht, dass die Schalker Mannschaft mit vielen Spielern angreifen soll.

Huntelaar: Für jeden Spieler und auch für das Publikum ist das am schönsten. Man spielt Fußball, um zu gewinnen - aber auch, um offensiv etwas zu zeigen. Ich liebe das.

Auch interessant

Hat Schalke in diesem Jahr eine so gute Mannschaft, dass das klappen kann?

Huntelaar: Wir arbeiten daran, dass wir uns verbessern und eine sehr gute Mannschaft werden. Ich denke, man sieht das jetzt schon. Aber wichtig ist, dass man das in der Liga sieht.

Im letzten Jahr haben Sie die Flanken vors Tor vermisst. Sind die Neuzugänge Baba und Coke als stürmende Verteidiger auch für Ihr Spiel wichtig, damit wieder Flanken kommen?

Huntelaar: Für alle, die vorne spielen, auch für den Zehner und den Außenstürmer auf der anderen Seite, ist es wichtig, dass wir außen durchkommen, weil sich dadurch in der Mitte automatisch mehr Räume und Abschluss-Optionen ergeben.

Wie gefällt Ihnen die Transferpolitik bisher?

Huntelaar: Bisher gefällt es mir sehr gut. Wir haben Spieler abgegeben, aber wir haben auch schon einige mit viel Qualität dazu geholt. Schon jetzt haben wir eine sehr gute Truppe zusammen, und es ist ja kein Geheimnis, dass wahrscheinlich noch etwas kommt.

Leroy Sané ist ein großer Verlust, aber er war nicht der Typ, der die Flanken von außen vors Tor geschlagen hat.

Huntelaar: Stimmt, Leroy ist kein Spieler, der mit rechts die Flanken schlägt - er ist mehr auf sein linkes Bein orientiert. Aber trotzdem hat man letztes Jahr auch gesehen, dass wir uns gut verstanden haben. Er hat viele Assists gegeben und Tore gemacht. Das müssen wir mit anderen Spielern kompensieren .

Auch interessant

Schalke stellt in dieser Saison mal wieder alles auf Anfang. Für Sie persönlich ist Markus Weinzierl Ihr siebter Trainer in sieben Jahren. Wie erlebt man das, wenn es jedes Jahr um einen Neubeginn geht?

Huntelaar: So wie es ist: Als Neuanfang. Mit einem neuen Trainer kommen immer auch neue Ideen. Jetzt ist der Umbruch aber noch größer, weil auch ein neuer Manager da ist. Also kann man das diesmal nicht eins zu eins mit den anderen Jahren vergleichen.

Sie selbst werden nächste Woche 33 Jahre alt. Schreckt Sie das?

Huntelaar: Nein, überhaupt nicht.

Keine Angst, dass Ihnen die jüngeren Spieler irgendwann einmal davonlaufen?

Huntelaar: Bis jetzt habe ich das noch nicht oft erlebt (lacht). Ich fühle mich so fit wie in den ganzen letzten Jahren - ich merke noch keinen Unterschied.

Sie sind ja der klassische Mittelstürmer. Solche Typen werden in Deutschland gerade wieder gesucht...

Huntelaar: Ich denke, ich bin klassisch in dem Sinne, dass ich immer mit Toren in Verbindung gebracht werde. Aber ich mache heute auch viele andere Sachen, die die Leute vielleicht weniger sehen.

Können Sie präzisieren, was Sie verändert haben?

Huntelaar: Ich bringe mich mehr ins Spiel ein als früher, zum Beispiel spiele ich jetzt im Training auch manchmal auf der Zehn. Dann ist man noch aktiver im Spielgeschehen. Auch als Stürmer kann man sich ins Mittelfeld zurückfallen lassen, aber dann muss im besten Fall ein anderer Spieler die Position vorne übernehmen. Die meisten Tore werden im Strafraum erzielt. Deswegen ist es wichtig, dass da immer jemand diese Position einnimmt, um die Tore zu machen.

Huntelaar über die Mittelstürmer im modernen Fußball 

Sehen Sie in der Bundesliga überhaupt noch einen klassischen deutschen Mittelstürmer?

Huntelaar: Ich denke, da kommen immer wieder Spieler nach. Aber für die Stürmer ist es schwieriger, in die Mannschaft zu kommen, genauso wie für einen Torwart. Denn auf diesen Positionen wird in der Regel oft Sicherheit gesucht. Man muss sich also vorher beweisen. Wenn man als junger Spieler mit 18 oder 19 Jahren hochkommt, ist die Sicherheit noch nicht da. Meistens muss man dann einen Umweg nehmen, um zu zeigen, was man kann. Und dann kommst du höher und höher.

So war es in Deutschland bei Davie Selke und Sandro Wagner. Haben die das Zeug, um Nationalmannschaft spielen zu können?

Huntelaar: Ja natürlich können die das. Wenn man in den deutschen Jugend-Nationalmannschaften gespielt hat, hat man die Voraussetzung. Am Ende kommen die Leute hoch, die den Willen dazu haben, die für den Fußball leben und alles dafür machen, um besser zu werden. Dann setzt man sich durch - egal, ob es mit 20 Jahren ist oder erst mit 25 oder 26.

Was halten Sie eigentlich von der falschen Neun. Können Sie damit etwas anfangen?

Huntelaar: Man kann alles machen. Natürlich hat man dann manchmal einen Spieler mehr im Mittelfeld, aber am Ende braucht man doch immer einen, der im Sechszehner die Tore macht.

Scheint nicht Ihr Fall zu sein...

Huntelaar: Ich habe ja gesagt, dass ich es auch manchmal schön finde, mich ins Mittelfeld fallen zu lassen. Ob falsche Neun oder echte Neun: Man muss die Momente erkennen, wenn es wirklich brennt: Dann musst du da sein. Und zwar ganz vorne und nicht auf der Zehn oder der falschen Neun - dann bist du zu spät.

Huntelaar über die Saisonziele mit Schalke 

Mario Götze ist in der Nationalmannschaft der Prototyp der falschen Neun, er macht jetzt beim BVB einen Neustart: Trauen Sie ihm zu, dass er da wieder so stark wird wie früher?

Huntelaar: Ja, natürlich. Die Qualität hat er, die verliert man nie. Den Rest muss er sich wieder selbst erarbeiten.

In Dortmund ist ein großer Umbruch, in Wolfsburg ist viel Unruhe, da laufen die Spieler weg. Ist das für Schalke eine Chance?

Huntelaar: Etwas Unruhe muss nicht zwingend schlecht sein. Wenn Spieler verkauft werden, bekommt man Geld und kann neue kaufen. Aber was woanders passiert, liegt sowieso nicht in unserer Hand. Wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren.

Was ist denn für Schalke drin? In Ihren ersten sechs Jahren auf Schalke haben Sie nur einen Titel geholt: Den DFB-Pokal 2011.

Huntelaar: Stimmt, aber den Supercup danach haben wir auch gewonnen…

Wenn Sie noch einmal einen Titel mit Schalke holen wollen, wird es Zeit, oder?

Huntelaar: Die Zeit ist immer reif, um Titel zu holen: Jeder Spieler will Titel gewinnen. Natürlich ist es in Deutschland nicht einfach, aber umso größer die Herausforderung ist, desto schöner ist es, wenn man etwas gewinnt. Der DFB-Pokalsieg 2011 war ein absolutes Highlight - um das noch einmal zu erleben, würde ich alles tun.

Wie ernst war eigentlich Ihr Flirt mit Ajax im Frühjahr?

Huntelaar: Für mich war das kein Flirt. Ein Journalist hat mich gefragt, ob Ajax ein schöner Verein ist, und ich habe gesagt: Ja, ich habe da schon gespielt, das ist ein schöner Verein. Daraus wurde dann eine Story gemacht, dass ich dahin wechseln sollte. Aber ich bin noch nicht fertig hier auf Schalke.