Meschede. Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies war auf Werbetour im Sauerland. Dabei ging es auch um die Neuausrichtung des Klubs mit Christian Heidel.
Die Erinnerung an diesen Moment wirkt nach. Dieses gellende Pfeifkonzert, das seinen Ursprung in der Nordkurve hatte, dieser Hass, der von dort durch die Veltins-Arena schwappte und gegen den Mann am Mikrofon gerichtet war. Erich Theune ist dieses Verhalten selbst mit etwas zeitlichem Abstand noch zuwider. „Auf diese Stufe werde ich mich nicht stellen“, sagt der Geschäftsführer des Fan-Klubs Schalker Freunde Wennemen. Er hebt seine Stimme. Er ist – erbost.
Der Mann, der vor dem Heimspiel des FC Schalke 04 gegen den FC Augsburg das Mikrofon in der Hand hielt und gnadenlos ausgepfiffen wurde, als er die Vertragsverlängerung mit Hauptsponsor Gazprom verkündete, sitzt im dunklen Anzug neben Theune und verzieht keine Miene: Es ist Clemens Tönnies, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Königsblauen, kurz: der Schalke-Boss – und an diesem Dienstagabend soll dessen Besuch im Sauerland zu einem Heimspiel werden.
Keine Feindseligkeiten gegenüber Tönnies
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Die Schützenhalle Meschede-Nord ist deshalb dem Anlass entsprechend geschmückt worden. An den Fenstern hängen Schalke-Fahnen, zwischen altem Kutschenrad und Pferdepflug ist ebenfalls ein blau-weißes Stück Stoff gespannt. Selbst die hölzerne Tafel, auf welcher die ehemaligen Schützenkönige der Schützengemeinschaft Meschede-Nord aufgelistet sind, wird verdeckt. „Blau-weißer Mythos Meschede“ prangt stattdessen als Schriftzug von der Wand, vor der Erich Theune, Clemens Tönnies, dessen Aufsichtsrats-Kollege Peter Lange und Co. sitzen. „Was die Familie Tönnies für Schalke getan hat“, ergänzt Theune seine einleitenden Worte, „ich wüsste gar nicht, wo wir sonst stehen würden.“
Er möchte Pöbeleien gegen „CT“ im Vorfeld im Keim ersticken. Obwohl sie gar nicht zu erwarten sind. Denn die knapp 70 erschienenen Vereinsmitglieder des FC Schalke 04 stehen Tönnies, der um seine Wiederwahl bei der Mitgliederversammlung des Klubs am 26. Juni wirbt, teilweise zwar sachlich-kritisch gegenüber, aber gewiss nicht feindselig. Die Fan-Kultur im Sauerland unterscheidet sich von jener in Gelsenkirchen oder im Ruhrgebiet – das wird an diesem Abend in Meschede mal wieder deutlich.
Tönnies trifft den Ton der Anwesenden
Mit seiner direkten Art, mit seinen auch mal derben Sprüchen trifft Tönnies zudem den Ton der anwesenden Schalker. Morgens begrüßte er den neuen Sportvorstand Christian Heidel zum Dienstantritt und zur Büroübernahme von Horst Heldt an der Geschäftsstelle in Gelsenkirchen, abends kämpft er um seine Zukunft auf Schalke. Und wenn Tönnies von der Neuausrichtung des Klubs erzählt oder von der einheitlichen Spielphilosophie, die Heidel allen Mannschaften der Knappen überstülpen möchte, erntet er Applaus. Der Sauerländer klopft mit der geballten Faust auf die Holztische oder klimpert mit Flaschen.
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Natürlich werben Tönnies und Lange mit Erfolgen wie dem Bau der Arena und der Schuldentilgung für sich. Sie versprechen, dass Schalke 04 mit ihnen ein eingetragener Verein bleiben wird. Und sie geben sich lernfähig. Besonders Tönnies. Das Gesicht und das Sprachrohr von Schalke soll in Zukunft Christian Heidel sein. Tönnies möchte sich noch mehr zurücknehmen und seine öffentlichen Auftritte und Äußerungen weiter reduzieren. „“Wir haben mit Christian Heidel einen richtig guten Mann verpflichtet“, sagt Tönnies dazu. Wo er mit Schalke in Zukunft hin möchte? „Ich sage: unter die ersten Drei der Tabelle.“
Keine Erhöhung der Kartenpreise
Als gute Wahlkämpfer verkünden die beiden auch positive Nachrichten. Dass der Vertrag von Marketingvorstand Alexander Jobst um „vier oder fünf Jahre“, so Tönnies, verlängert werden soll etwa, oder dass Jugend-Trainer Norbert Elgert seine Wechselgedanken ad acta gelegt hat und die Kartenpreise unter ihrer Regie in der kommenden Saison nicht weiter erhöht werden sollen.
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Als Tönnies gefragt wird, wie lange er sich Schalke „überhaupt noch antuen will“, antwortet er: „Wir haben noch 132 Millionen Euro Schulden, das war mal mehr als doppelt so viel. Ich gehe erst, wenn das bezahlt ist. Aber ich respektiere auch eine demokratische Entscheidung.“ Den Besuch im Sauerland wird er diesbezüglich in guter Erinnerung behalten: Diese Schalker unterstützen ihn. Zum kompletten königsblauen Glück fehlt eigentlich nur das gemeinsam gesungene Vereinslied zum Abschluss.