Essen. Rot-Weiss-Legende Horst Hrubesch kehrt als U 21-Trainer an die Hafenstraße zurück. In der WAZ-Redaktion spricht er über RWE als Karrierefaktor, einen verschossenen Elfer und die Zukunft des Klubs.
Essen. Er ist Kopfballungeheuer, Europameister, Rot-Weiss-Legende. Als U 21-Trainer kehrt Horst Hrubesch (63) Dienstag zum Länderspiel mit dem DFB-Nachwuchs an die Hafenstraße zurück. In der WAZ-Redaktion blickt er auf seine Zeit bei RWE. Das Gespräch hat Thorsten Schabelon zusammengefasst.
Herr Hrubesch, Sie waren vor einigen Tagen zu Besuch im neuen Essener Stadion. Wie war es?
Horst Hrubesch: Da kam alles wieder hoch. Ich fuhr durch Altenessen, die 224 runter, und wie früher erste Ausfahrt rein. Aber jetzt ist an der Hafenstraße mit den Einfahrten alles anders. Früher haben da die Breitbachs gewohnt, Platzwart Jupp mit Frau, ein kleines Häuschen. Gleich am Georg-Melches-Stadion. Das lief alles vor meinem inneren Auge ab.
Haben Sie auch in Essen gewohnt?
Hrubesch: Ich bin gependelt. Eine halbe Stunde Fahrt, 224, A2, Kamener Kreuz links ab. Erste runter, dann war ich in Hamm. Zuhause. Nach Spielen bin schon mal geblieben. Wobei, wir waren nicht in Essen unterwegs. Wir mussten ausweichen. (lacht)
Sie sagen gerne, Sie seien als Bauer vom Land weit gekommen. Rot-Weiss Essen war ihre erste Profistation. Was hat damals, 1975, für RWE gesprochen?
Hrubesch: Alles. Die Mitspieler. Ente Lippens, Hermann Erlhoff, Heinz Blasey, Dann die Hafenstraße. Anders als die Rote Erde in Dortmund oder die Glückauf-Kampfbahn in Schalke hatte Essen eines der wenigen reinen Fußballstadien, wie es sie heute überall gibt. Es war eng, faszinierend. Beim Einwurf konnten dir die Fans mit dem Schirm auf den Kopf hauen. Ist aber bei mir nie passiert. Ich hatte das RWE-Angebot, musste es aber zu Hause abklären.
Warum?
Hrubesch: Na ja, ich habe weniger bekommenals bei meiner Arbeit. Ich war Dachdecker, mit Akkord konntest du gutes Geld verdienen. Bei RWE gab’s 1800 DM monatlich brutto und 15.000 DM Jahresprämie.
Sie hatten bei RWE eine erlebnisreiche Zeit. Im Debütjahr sind Sie fast in den Europapokal gekommen, im zweiten abgestiegen. Wurde die Fan-Nähe da unangenehm?
Hrubesch: Nein, nie. Die RWE-Fans haben gemault und gemeckert, aber aggressiv waren sie nie. Es lief ja so: Im Sommer waren Ente Lippens, Werner Lorant und Manni Burgsmüller plötzlich weg. Wir mussten eine neue Mannschaft zusammenfummeln. Es lief nicht so schlecht. Dann verletzten sich Dieter Bast und ich. Das konnten wir nicht kompensieren. Nach dem Abstieg sagten alle, jetzt ist der Horst weg. Es gab ja Bundesliga-Angebote. Ich habe gesagt: Ne. Ihr habt mich zum Profi gemacht und mir geholfen. Jetzt helfe ich euch. Aber nur ein Jahr.
Das verlief grandios. Sie haben 41 Tore erzielt. Und sind trotzdem gescheitert - im Relegations-Rückspiel gegen Nürnberg. . .
Hrubesch:. . 83. Minute, mir haut einer auf die Hölzer, Elfmeter. Den ersten hatte ich reingemacht. Ich hatte einen dicken Knöchel, schaute mich um: Keiner wollte schießen. Nürnbergs Torwart stellt sich in eine Ecke. Ich habe nie überlegt, weil ich mir immer sicher war. Damals habe ich überlegt. Bleibt er da? Springt er in die andere Ecke?. Ich habe in die Ecke geschossen, wo er stand. Er hat einen Schritt in die andere Ecke gemacht, kam zurück und hat den Ball mit den Fingerspitzen um den Pfosten gedreht.
Sie wechselten dann nach Hamburg, wurden Nationalspieler und Star.
Hrubesch: Aber Rot-Weiss war der entscheidende Faktor meiner Karriere. Hier hast du sogar im Training ‘was auf die Hölzer gekriegt. Jede Einheit war Wettkampf – die ideale Vorbereitung für Hamburg. Hier habe ich gelernt, was angeschnittene Bälle sind. Ente hat mir die Bälle um die Ohren gehauen, ich wusste anfangs nie, wo die hingehen, egal wie ich sie angenommen habe. Außerdem bin ich bei RWE früh Kapitän geworden. Ich habe gelernt, den Laden zu führen, die Klappe aufzumachen, Verantwortung zu übernehmen.
Welche Rolle spielt RWE heute in Ihrem Leben?
Hrubesch: Ach, ich habe noch Kontakt zu Willi und Frank Mill, auch zu Dieter Bast. Ich schaue in der Zeitung auf die Ergebnisse. Aber da habe ich lange nur gesehen, dass RWE verloren hat. Als klar war, das wir mit der U21 die EM-Playoffs spielen, habe ich gebeten, das Duell nach Essen zu geben. Ich hoffe auf ein volles Stadion und Vollgas durch die Fans, wenn Horst mit seiner Nationalelf kommt.
Kann RWE mal wieder dahin kommen, wo es mit Hrubesch war?
Hrubesch: Ich bin kein Hellseher. Strukturen und ein schönes Stadion sind da. Aber diese Saison werden es wohl die Kölner machen. RWE muss es nächstes Jahr anpacken. Essen ist eine gute Anlaufstelle. Ein oder zwei Ligen weiter oben sollten möglich sein.
Horst Hrubesch über seine Vorbilder und seine Karriere-Bilanz
Herr Hrubesch, heute wird die Fußball-Jugend in Nachwuchsleistungszentren trainiert. Sie kamen vom Land, wurden spät entdeckt.
Hrubesch: Ich habe noch mit 23 Jahren beim SC Westtünnen gespielt. Samstagabend Handball, Sonntag dann Fußball. Mein Highlight war lange die Kreisauswahl Unna-Kamen-Hamm.
Wer waren Ihre Vorbilder?
Hrubesch: Uwe Seeler. Ich war ja für Tore verantwortlich. Und davon hat er eine enorme Masse erzielt. Ich habe noch auf Charly Dörfel und Fritz Walter geschaut. Und auf Hoppy Kurrat und Zange Wosab vom BVB. Ich bin mit dem Fahrrad von Hamm nach Dortmund gefahren, habe beim Spiel gegen Glasgow vom Baum aus zugeschaut. Nachher habe ich mein Fahrrad nicht mehr gefunden.
Heute verdienen Fußballprofis Millionen, bei Ihnen sah das damals noch bescheidener aus.
Hrubesch: Natürlich ist das anders und nicht zu vergleichen. Aber wissen Sie, mit 63 Jahren zieht man schon mal Bilanz, fragt sich, was man hinterlässt. Ich habe alles richtig gemacht und möchte keine Minute missen. Ich habe zwei gesunde Kinder und vier gesunde Enkel. Und eine Frau, die ich kenne, seit ich 14 bin und die schon mal an der richtigen Schraube gedreht hat, wenn ich abgehoben bin. Die Dinge haben sich so zusammengefügt.