Essen. Benjamin Wingerter von Rot-Weiss Essen hofft am Freitagabend im Spiel gegen seinen Ex-Klub und Regionalliga-Spitzenreiter Sportfreunde Lotte auf Wiedergutmachung. Der Mittelfeldspieler spricht im Interview über die momentane Situation bei RWE und seine Rolle an der Hafenstraße.
Während Lotte ungeschlagen an der Tabellenspitze steht, konnte RWE nur vier seiner 14 Regionalliga-Spiele gewinnen. Wo liegt das Problem?
Benjamin Wingerter: Daran sieht man, wie wichtig ein guter Saisonstart ist. Bei uns ging es mit dem Rohrbruch im Stadion Essen schon schlecht los. Dadurch fiel gleich das erste Spiel aus. Wenn man die ersten Spiele dann nicht erfolgreich gestaltet, wird es gerade für uns als junge Mannschaft verdammt schwer. Von Außen kommt dann noch Druck, den ich so nicht kannte.
Ist das größere Umfeld und die größere Anzahl an Fans in einer schweren Phase eher ein Hindernis?
Wingerter: Es macht die Sache auf jeden Fall nicht leichter. Die Fans feuern uns an und wollen mit Toren belohnt werden. Wir Spieler müssen uns klarmachen, dass wir den Buzzer in der Hand haben. Wenn wir ein gutes Spiel machen, werden wir angefeuert.
Bevor Sie zu RWE gewechselt sind, haben Sie vier Jahre in Lotte gespielt. War es dort einfacher?
Wingerter: Lotte ist ein kleiner, familiär geführter Verein. Dort spielt man ein Top-Spiel vor 800 Zuschauern. Da ist es einfacher. Trotzdem weiß jeder, der hier in Essen spielt, worauf er sich eingelassen hat. Es weiß aber auch jeder, dass nach oben alles offen ist, wenn wir erfolgreich spielen. Weil uns Fans und Umfeld dann pushen. Jetzt haben wir aber diesen Fehlstart hingelegt. Das ist bitter. Nun müssen wir schauen, wie wir da rauskommen. Gegen Lotte haben wir eine gute Chance, einiges wiedergutzumachen.
Was macht Sie optimistisch, dass Sie das Lotte-Spiel (Freitag, 19.30 Uhr, im Livestream und Live-Ticker) erfolgreich gestalten?
Wingerter: Lotte kocht auch nur mit Wasser. Trainer Waldemar Wrobel hat Lotte beobachtet. Er hat uns Tipps gegeben und auf die Mannschaft eingestellt. Ich probiere natürlich auch, dem ein oder anderen Spieler auf seinen Gegenspieler vorzubereiten. Lotte spielt robusten, zielorientierten Fußball. Wenn sie nicht wissen, was zu tun ist, wird auch mal ein langer Ball geschlagen. Dann rennen alle hinterher und probieren, Zweikämpfe zu gewinnen. Wenn man nicht kämpft und keine Zweikämpfe annimmt, hat man ohnehin keine Chance.
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Sie kennen Lotte gut. Wie blicken Sie auf Ihre Zeit bei den Sportfreunden zurück?
Wingerter: Die vier Jahre waren eine schöne und erfolgreiche Zeit. Ich habe jedes Jahr um den Aufstieg mitgespielt.
Vergangene Saison sind Sie sogar Meister geworden, aber trotzdem nicht aufgestiegen. Ist die Aufstiegsrunde frustrierend?
Wingerter: Ich bin ein Feind, oder besser gesagt, kein Freund von dieser Relegation. Es ist in dieser Liga nicht leicht, Erster zu werden. Dann spielt man eine erfolgreiche Saison und am Ende entscheidet ein Spiel über den Aufstieg.
Auch RWE würde gerne um den Aufstieg mitspielen.
Wingerter: Wir sind alle mit der aktuellen Situation nicht zufrieden. Ich kannte die Essener aus der letzten Saison, als ich mit Lotte gegen sie gespielt hatte. Für mich war RWE eine starke Mannschaft, bei der ich dachte, dass sie mit mir und zwei, drei anderen Verstärkungen auch oben mitspielen kann. Wie jeder weiß, ist es anders gekommen. Nichtsdestotrotz glaube ich an den Verein. Ich habe hier einen Dreijahresvertrag und bin mir sicher, dass wir in den nächsten Jahren oben mitspielen werden und vielleicht auch die Chance bekommen, eine Relegation zu spielen.
RWE steckt momentan aber in der Krise. Ist so eine Phase für Sie neu?
Wingerter: Ja. In Lotte kamen wir nicht in so eine Situation, dass wir drei, vier Spiele verloren oder unentschieden gespielt hätten. Man muss aber lernen, damit umzugehen, um gestärkt aus so einer Situation wieder herauszukommen.
So denkt Wingerter über seine Rolle bei RWE in dieser Saison
Bei Lotte waren Sie vergangene Saison Stammspieler.
Wingerter: Dass ich in Lotte Stammspieler war, hing damit zusammen, dass wir erfolgreich gespielt haben. Warum sollte der Trainer seine Aufstellung ändern, wenn man jedes Spiel gewinnt?
Sie haben nur zwei der letzten fünf Spiele von Beginn gemacht.
Wingerter: Bei RWE hätte ich bestimmt auch kein Spiel auf der Bank gesessen, wenn wir die ersten acht Spiele gewonnen hätten. Ich bin sehr selbstkritisch und suche die Fehler bei mir. Wenn der Trainer mich nicht aufstellt, frage ich mich, aus welchem Grund das sein mag. Er setzt mich nicht auf die Bank, weil ich ein super Spieler bin und eine überragende Form habe. Bei uns spielt gerade Markus Heppke auf der Sechs, Konstantin Fring und Kevin Pires-Rodrigues auf der Acht. Jetzt muss ich gucken, wo meine Position ist. Ich bin aber ein Spieler, der nie aufgibt.
Zuletzt standen Sie beim 1:1 gegen Lippstadt in der Startelf.
Wingerter: Und wir haben wieder nicht gewonnen.
Obwohl RWE das Spiel über 50, 60 Minuten dominiert hat.
Wingerter: Bei der 1:0-Führung und unserer Dominanz in der ersten Halbzeit, hätten wir das 2:0 machen müssen, um Ruhe zu haben. In unserer Situation fangen wir uns den Ausgleich. Wenn du in der Tabelle oben stehst, machst du vielleicht noch das 2:0 und 3:0 und alle sagen 'Wow. Überragend gespielt.' Wir sind momentan mental nicht so gestärkt, dass wir unser Spiel über 90 Minuten durchziehen können.
Woran liegt das?
Wingerter: Wir spielen nicht den Erwachsenen-Fußball, den wir spielen sollten. Gegen Lippstadt können wir am Ende sogar noch verlieren. So etwas darf nicht passieren. Lotte wird bestimmt viele Torchancen bekommen. Wir müssen hellwach sein.
Für Sie ein besonderes Spiel?
Wingerter: Ja, ich freue mich drauf. Ich kenne noch viele Spieler von Lotte. Mit Co-Trainer Andre Wiwerink war ich jahrelang in einer Fahrgemeinschaft. Der Betreuerstab ist noch derselbe wie zu meiner Zeit.
Kommt das Spiel für RWE und insbesondere Sie zu einem unglücklichen Zeitpunkt?
Wingerter: Unglücklicher Zeitpunkt würde ich nicht sagen, weil wir noch keine gute Saison gespielt haben. Wir konnten unseren Fans noch nicht das geben, was sie von uns erwarten. Lotte ist diese Saison bislang ungeschlagen. Mit einem Sieg könnten wir den Fans einiges zurückgeben.