Wesendorf. 2017 kam er in Deutschland an, eine „lebensgefährliche“ Reise. Flüchtling, jetzt Profi: Moussa Doumbouya lebt bei Rot-Weiss Essen seinen Traum.
Das ist die Geschichte einer Reise, die er „lebensgefährlich“ nennt.
1997 ist Moussa Doumbouya geboren. In Conakry, der Hauptstadt von Guinea. „Ich hatte dort kein schönes Leben“, sagt er. Mit 19 Jahren entschließt er sich, zu flüchten – das Ziel über 5000 Kilometer weit entfernt. Ihm war gesagt worden, dass es ganz leicht sei, nach Europa zu kommen. Aber das stimmte nicht. „Ich bin durch die Sahara, wo es 50 Grad waren, gefahren und saß mit 135 Menschen auf einem Schlauchboot im Mittelmeer.“ Auf so einer Reise, da „lernt man sehr viel“.
Über Mailand kommt er 2017 nach Deutschland. Von Essen weiter ins Flüchtlingsheim nach Dortmund. Münster, Wuppertal, wieder Dortmund, Osnabrück und dann nach Celle in Niedersachsen. Moussa Doumbouya kommt an, beginnt eine Ausbildung zum Dachdecker. Er sagt heute, dass er in Deutschland integriert ist. Hier fühlt er sich wohl.
Die Geschichte dieser abenteuerlichen, lebensgefährlichen Reise könnte hier enden. Das tut sie aber nicht.
Rot-Weiss Essens Doumbouya kommt fast ohne Fußballerfahrung in Deutschland an
In seiner Heimat hatte er mit Freunden Fußball gespielt. Professionell kickte Moussa Doumbouya in Guinea nicht. Als er in Celle landet und seine Ausbildung macht, schließt er sich einem Verein an. Ein Kreisligist ist der SC Wietzenbruch. Doumbouya schießt dort Tore, viele, viele Tore. MTV Eintracht Celle, der beste Klub der Stadt, ein Oberligist, wird auf ihn aufmerksam. Doumbouya schießt auch dort Tore, viele, viele Tore.
Rot-Weiss Essen im Trainingslager:
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Hannover 96 klopft an. Sein Ausbildungs-Chef, den er als „Schwiegervater“ bezeichnet, ermöglicht ihm vieles. Er gibt seinem Lehrling frei, damit der zum Training fahren kann. Moussa Doumbouya darf sich eine Woche lang bei der zweiten Mannschaft von Hannover 96 zeigen. In einem Spiel schießt er ein Tor, bereitet ein weiteres vor. Hannover 96 will ihn für das Regionalliga-Team verpflichten, das ein gewisser Christoph Dabrowski trainiert. Dabrowski bringt ihm bei 96 auch viel Taktisches bei, das kennt der junge Mann so nicht. Aus Guinea nicht, aus Celle nicht.
„Der Fußball und meine Arbeit haben mir geholfen, mich zu integrieren. Ich fühle mich hier wirklich sehr wohl und bin angekommen“, sagt er. In seiner Heimat, in Guinea, da träume jeder davon, Profi zu werden.
Moussa Doumbouya arbeitet sich weiter hoch, er darf bei den Zweitliga-Profis in Hannover mittrainieren. Und am 21. Februar 2021 wird er plötzlich im Auswärtsspiel bei Fortuna Düsseldorf eingewechselt. Doumbouya bereitet einen Treffer vor. „Der Fußball stand für mich immer an zweiter Stelle, die Arbeit an erster Stelle“, sagt er. Bis, ja bis zu jenem Tag im Februar. „Nach meinem ersten Zweitliga-Spiel hatte ich das erste Mal das Gefühl: Vielleicht kann ich im Fußball etwas erreichen. Nach dem Spiel habe ich mir das Ziel gesetzt, es ganz mit dem Fußball zu probieren.“
Doumbouya hat eine besondere Beziehung zu Dabrowski
Ein paar Monate nach seinem Zweitliga-Debüt besucht Moussa Doumbouya die Hafenstraße in Essen. Rot-Weiss spielt gegen Alemannia Aachen, gewinnt 2:1. RWE wird am Ende der Saison in die Dritte Liga aufsteigen, und dorthin hat es auch Moussa Doumbouya geschafft. Von Hannover 96 wechselt er zum FC Ingolstadt. Manchmal werden Träume wahr.
Ein Jahr verbringt er beim FCI. In diesem Sommer wechselt er zu Rot-Weiss Essen; den Verein, den er nicht mehr aus dem Kopf bekommen hat, seit er das erste Mal dort war. „Das war brutal“, erinnert er sich an das 2:1 gegen die Alemannia. „Das Spiel gegen Aachen ist in meinem Herzen geblieben.“
Vor drei Wochen startete er mit RWE in die Saisonvorbereitung. Und trifft auf: Christoph Dabrowski - seinen ersten Trainer im professionellen Fußball. „Als ich in Hannover war, hat er mir sehr viel beigebracht. Ich kam in die Akademie von Hannover 96. Das war etwas ganz anderes als im Amateurfußball. Für seine Unterstützung kann ich mich nur bedanken.“
Nun sind sie wieder vereint, und Moussa Doumbouya wird bei seinem neuen, alten Chefcoach eine wichtige Rolle einnehmen: Neben Ron Berlinski ist der 25-Jährige derzeit die einzig nominelle Sturmspitze im Kader des Drittligisten. Für die Offensive sollen noch Zugänge kommen, jedoch bringt der 1,88 Meter große Sturmtank ein Element ein, das neu ist im Essener Angriff.
Doumbouya: „Meine Arbeit ist es, Tore zu machen“
Groß ist er, physisch stark. Nicht wenigen, die ihn auf dem Trainingsplatz sehen, fällt das Wort „Maschine“ ein, um ihn zu beschreiben. „Der Trainer sagt immer, er braucht mich als Wandspieler. Vorne den Ball festmachen, den Ball verlängern, meinen Körper einsetzen, so will ich der Mannschaft helfen“, umschreibt der Neue seine Spielweise: „Meine Arbeit ist es, Tore zu machen.“
Im Trainingslager in Wesendorf teilt er sich ein Zimmer mit Cedric Harenbrock, dem dienstältesten Rot-Weissen. Das passt, denn Harenbrock hat sich vorgenommen, bei der Integration der Neuzugänge zu helfen. „Die Jungs sind super, keiner ist arrogant – alle sind top“, sagt Moussa Doumbouya über das Team. Er ist überzeugt: „Wir haben Qualität in der Mannschaft. Wir sind eine Woche hier im Trainingslager und sind wie eine Familie.“
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Gespannt ist er, wie die anstehende Saison laufen wird. „Wir brauchen auch unsere Fans, wir können mit ihnen etwas erreichen. Unsere Leidenschaft wird unsere Stärke sein.“
Bald geht es los, bald zählt es, bald darf Moussa Doumbouya das erleben, worauf er sich seit seinem ersten Besuch bei RWE freut: Heimspiel an der Hafenstraße.
Die Geschichte dieser Reise, die er „lebensgefährlich“ nennt, ist noch nicht zu Ende geschrieben.
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