Essen. 1860 München gegen Rot-Weiss Essen, mehr Tradition geht kaum. Christoph Dabrowski „braucht keinen zu motivieren“ – und will die Überraschung.
Der Begriff Traumstart wird inflationär benutzt. Auf das, was der TSV 1860 München in diesem Drittliga-Sommer schaffte, trifft er aber hundertprozentig zu: Fünf Siege gab es in den ersten fünf Spielen. Die Löwen thronten wochenlang auf einem Aufstiegsplatz. Der Aufstieg in die zweite Bundesliga? Reine Formsache, meinte man zumindest.
Ganz so leicht ist es dann doch nicht. Die vergangenen drei Spiele haben die Sechziger allesamt verloren. Sechster sind sie vor dem Duell mit Rot-Weiss Essen an diesem Montag (19 Uhr). Und der Haussegen, er hängt mal wieder schief in München.
Rot-Weiss Essen trifft auf „Münchens große Liebe“
Berichte um ein angebliches Job-Endspiel für Trainer Michael Köllner gegen RWE dementierte der Klub vehement, und auch Investor Hasan Ismaik stellte sich demonstrativ hinter den Coach. Köllner selbst holte am Freitag gar zu einem Rundumschlag aus, kritisierte die Medien und witterte eine Verschwörung.
Was klingt wie eine beispiellose Schmonzette, ist gewissermaßen Normalität beim TSV, über den der damalige Vereinspräsident Karl-Heinz Wildmoser zwei Jahre nach dem Bundesliga-Aufstieg 1994 sagte: „Wir sind wie der FC Bayern, wir heißen nur anders.“ Es ist ein Satz, der viel über das Selbstverständnis des Klubs aussagt.
Die chaotische, launische Diva 1860 aus dem Arbeiterviertel Giesing neigt zu Größenwahn, egal, wie trist die Realität gerade aussieht. Bestes Beispiel: Zuletzt traf der Klub 2004 in einem Ligaspiel auf den Nachbarn FC Bayern, trotzdem behaupten die Sechziger, „Münchens große Liebe“ zu sein. Das mag an der großen Historie liegen: Auf dem himmelblauen Briefkopf sind Deutsche Meisterschaften, DFB-Pokalsiege und Europacup-Endspiele vermerkt. In Essen kann man da natürlich locker mithalten.
RWE könnte zum richtigen Zeitpunkt gegen 1860 München spielen
Das Spiel in München könnte für die Rot-Weissen zum perfekten Zeitpunkt kommen. 1860 sucht seine Form, RWE ist seit sechs Spielen ungeschlagen. Der Druck liegt klar bei den Hausherren, und so schiebt Christoph Dabrowski die Favoritenrolle gekonnt Richtung Giesing. Gleichwohl sagt der RWE-Trainer auch: „Wir haben in den letzten Wochen genug Selbstvertrauen getankt und trauen uns zu, dort zu bestehen und die Überraschung zu schaffen.“
Brennpunkte bei Rot-Weiss Essen:
- So geht 1860 München in das RWE-Duell.
- RWE-Trainer Dabrowski nimmt Wollschläger in die Pflicht.
- Rot-Weiss Essen bangt um Andreas Wiegel.
Die Ungeschlagen-Serie seiner Elf wäre am Mittwoch fast gerissen. Beim 0:0 gegen den SV Meppen zeigte Rot-Weiss keine gute Leistung. „Die Mannschaft war selbstkritisch genug, das zu erkennen“, sagt Dabrowski darauf angesprochen.
Einige Akteure wirkten gegen Meppen platt, die Frische schien zu fehlen – konditionell wie geistig. Für das Spiel in München macht sich der 44-Jährige allerdings keine großen Sorgen. Zeit genug hätten seine Spieler, sich bis Montagabend zu regenerieren. „Es ist doch eine schöne Situation“, sagt der Trainer und zählt auf: „Ausverkauftes Haus, Traditionsduell, da braucht man keinen groß zu motivieren.“
RWE: 1500 Fans kommen mit zu 1860
Es könnte ein wilder Ritt werden. Die Löwen müssen gewinnen, damit zur Winterpause nicht das ganz große Chaos ausbricht und die Debatte um Michael Köllner so richtig heiß läuft. Die Essener können dank der jüngsten Ergebnisse befreit aufspielen.
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„Ich glaube, 1860 wird nicht abwarten, sondern das Spiel aktiv gestalten“, schätzt Dabrowski. Ob er damit rechnet, dass es ähnlich torreich wird wie beim Essener 5:3-Sieg in Oldenburg? „Gut möglich“, antwortet er mit einem Schmunzeln und ergänzt: „Ich weiß nicht, ob wir so eine wilde Fahrt jede Woche erleben müssen.“
Die Fans hätten sicherlich nichts dagegen. Etwa 1500 fahren mit nach München, für einen Montagabend ist das beachtlich, aber nicht überraschend: Das Spiel an der Grünwalder Straße ist ein Highlight auf das sich RWE-Anhänger nach dem Aufstieg besonders gefreut hatten und gleichzeitig das letzte Match vor der langen Winterpause.
Zum Abschluss will RWE noch mal alle Kräfte bündeln. „Danach haben wir genug Zeit, uns auszuruhen und alles sacken zu lassen“, meint Dabrowski – und damit ist dann wirklich auch alles gesagt.