Essen. Radio Hafenstraße kommentiert Rot-Weiss Essens Spiele und feiert seinen 15. Geburtstag. Welche verrückten Geschichten der Sender erlebt hat.

Alessandro Draschkowitsch war nervös, keine Frage. Am 23. November 2013 musste er kurzfristig einspringen und das Niederrheinpokalspiel zwischen dem SV Friedrichsfeld und Rot-Weiss Essen für Radio Hafenstraße kommentieren – ganz allein. Es sollte sein erster Einsatz für das Fanradio sein.

Angekommen auf der Bezirkssportanlage baute er auf einem Stehtisch alles auf, der Anpfiff rückte näher. Draschkowitsch erinnert sich: „Ich konnte die Mannschaft nicht aus dem Kopf aufsagen.“ Doch die ganze Anspannung legte sich schnell. Der Ball rollte, plötzlich kannte er alle Spieler der Rot-Weissen, die beim Bezirksligisten 0:2 zurücklagen und das Spiel erst in der Verlängerung drehten. Draschkowitsch hatte die Feuertaufe bestanden – und ist beim Fan-Sender hängengeblieben.

Rot-Weiss Essen: Fansender Radio Hafenstraße hat sich professionalisiert

Heute ist der 35-Jährige der Kopf von Radio Hafenstraße, das in diesem Jahr seinen 15. Geburtstag feiert und jede Partie live kommentiert. Er kümmert sich gemeinsam mit Dirk Hense um Akkreditierungen für die Spiele, die Organisation des Radio-Teams, die Kommunikation mit dem Verein. Draschkowitsch kommentiert regelmäßig die Spiele von RWE, ist auch als Blindenreporter tätig. „Da geht viel Zeit drauf“, sagt er und lacht.

Alle Brennpunkte bei Rot-Weiss Essen:

Draschkowitsch war sogar schon 2007 bei der Gründung ein Teil des Portals, das eine Geschichte voller Aufs und Abs hat. In Hochzeiten umfasste das redaktionelle Team 30 Leute, in schlechten Zeiten waren sie zu dritt. Trotzdem war die Fan-Station bei fast jedem Spiel dabei – egal, wie verrückt die Umstände waren.

Bei den ersten Übertragungen wurde eine Handy-Standleitung in den Fanblock gelegt, der Kommentator ließ sich von einem Zuschauer das Geschehen auf dem Rasen durchgeben. „Daraus hat er sich dann eine Geschichte zurechtgesponnen. Aber das war egal, die Fans konnten zuhören und mitfiebern“, erzählt Draschkowitsch, der nach einer Auszeit 2012 zum Fanradio zurückkehrte, um Musiksendungen zu produzieren.

Radio Hafenstraße überträgt die RWE-Spiele und Musiksendungen

Neben den RWE-Spielen bietet der Sender nämlich auch ein Musikprogramm. Inzwischen sind es sechs Moderatoren, die regelmäßig Shows übertragen, darunter der bekannte Fan-Barde Thomas „Sandy“ Sandgathe. Der gehört auch zum achtköpfigen Team, das die Partien kommentiert.

Teil eins des großen Interviews: RWE-Trainer Dabrowski über den Fehlstart und die Formschwäche.

Die Zeiten haben sich längst geändert. Heute lässt sich festhalten, dass Radio Hafenstraße durchaus ein professionell aufgestellter Sender ist. Das technische Equipment haben sich Draschkowitsch und Co. über die Jahre angeschafft. Der Vergleich zu bekannten Radio-Anstalten hinkt aber natürlich trotzdem. Wer bei den RWE-Fans einschaltet, bekommt einen emotionalen Livekommentar, der mit Stolz die rot-weiße Vereinsbrille trägt.

Teil zwei des großen Interviews: Dabrowski über Trainerdiskussionen und seine Ziele.

Zwar gibt es ein paar Sponsoren, doch der Sender finanziert sich weitgehend selbst. „Wir sind alle berufstätig und machen das ehrenamtlich“, sagt Draschkowitsch. Unterstützung gibt es aber auch aus der Fanszene. Das Radio ist frei empfangbar und viele Anhänger hatten den Wunsch, Geld zu spenden.

Das Team von Radio Hafenstraße

Radio Hafenstraße ist ein Herzensprojekt von vielen ehrenamtlichen RWE-Fans. Anne Gensler, Linus Reincke, Markus Biersa, Thomas „Sandy“ Sandgathe und Steffi Arndt senden regelmäßig Musikshows. Alessandro Draschkowitsch, Christopher Kristen, Jan Laacks, Luca Warncke, Patrick Radtke, Stefan Arndt, „Sandy“ und Sebastian Nöckel kommentieren die Partien von RWE. Zur Redaktion gehört auch Dirk Hense.

Wer im Team mitwirken oder das Projekt unterstützen möchte, kann über die Website Kontakt zum Radio aufnehmen: radio-hafenstrasse.de.

So richtete Radio Hafenstraße ein entsprechendes Konto ein. „Von dem Geld haben wir uns zum Beispiel ein Laptop gekauft“, sagt Draschkowitsch. Das ist nicht der einzige Beleg dafür, dass der Sender seinen Platz im Biotop Hafenstraße längst gefunden hat.

Rot-Weiss Essens Fanszene unterstützt Radio Hafenstraße

Es ist gerade ein paar Wochen her, dass RWE in Osnabrück gespielt hat. Sogar von einigen VfL-Fans wurde Draschkowitsch anhand seiner Stimme erkannt. „Das macht einen schon stolz. Aber du machst dich damit auch angreifbar, deine Stimme kennt irgendwann jeder“, sagt der Organisator, der selbst die unschönen Seiten des Hobbys kennengelernt hat. Ihm wurde schon Gewalt angedroht.

Radio Hafenstraße ist längst ein wichtiger Teil der Fanszene von Rot-Weiss Essen.
Radio Hafenstraße ist längst ein wichtiger Teil der Fanszene von Rot-Weiss Essen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Aber klar, das Schöne überwiegt. Es ist eben eine Bestätigung, wenn wöchentlich 2500 bis 3500 Zuhörerinnen und Zuhörer einschalten, so viele sind es in der Regel bei Liga-Spielen. Den Allzeitrekord knackten sie am 14. Mai dieses Jahres, beim entscheidenden Regionalliga-Match um den Aufstieg gegen Rot Weiss Ahlen. Etwa 12.000 Leute hörten sich die Übertragung von Essens 2:0-Siegs bei Radio Hafenstraße an.

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Doch der Aufstieg in die dritte Liga hat die Arbeit für Radio Hafenstraße erschwert. „Als Sender brauchst du ab hier eine Radiolizenz und Presseausweise“, sagt Draschkowitsch. Lizenzen kosten mehrere Tausend Euro im Jahr. Hinzukommen die Gebühren für die Musikshows, die das Portal an die Gema und GVL entrichten müssen. „Das alles läppert sich, ein Radio ist nicht günstig.“

Radio Hafenstraße kommentiert die Spiele des Drittligisten Rot-Weiss Essen live.
Radio Hafenstraße kommentiert die Spiele des Drittligisten Rot-Weiss Essen live. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Radio Hafenstraße hatte Glück. In den 15 Jahren waren sie fast bei jedem Spiel von RWE, konnten sich so Freiräume schaffen und können auch im Profifußball munter weiter senden. Dabei soll es nicht bleiben. Ideen hat das Team genug für die Zukunft, ihnen schwebt beispielsweise vor, einen Podcast aufzusetzen.

„Was uns aber ganz wichtig ist“, ergänzt Draschkowitsch, „wir wollen kein Geld verdienen. Wenn uns jemand Geld dafür geben würde, dass wir die Arbeit bezahlt bekommen würden, im Gegenzug aber Gebühren für den Radio-Empfang nehmen müssten, würde ich das Angebot auf jeden Fall ablehnen.“

Es soll eben, ganz getreu dem Motto von Radio Hafenstraße, ein Projekt von Fans für Fans bleiben.

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