Essen. Pokal-Sensation Rot-Weiss Essen trifft am Mittwoch im Viertelfinale auf Holstein Kiel. Doch in der Meisterschaft spitzt sich die Lage zu.
RB Leipzig kämpft in dieser Saison mit dem FC Bayern um die deutsche Meisterschaft. Im vergangenen Sommer stand der Klub sogar im Halbfinale der Champions League. Der bei vielen Fans ungeliebte Verein mit dem Brausekonzern Red Bull im Rücken hat sich als Großmacht im deutschen Fußball etabliert. Fast vergessen scheint die Saison 2012/13, als die geplante Großoffensive der Sachsen im Keim zu ersticken drohte. Nach zuvor zwei gescheiterten Versuchen, aus der Regionalliga aufzusteigen, drohte RB ein erneuter Rückschlag. In der Aufstiegsrelegation gegen die Sportfreunde Lotte verspielte Leipzig einen 2:0-Vorsprung und musste in die Verlängerung. Dort behielt der Favorit mit dem nötigen Glück letztlich die Oberhand. In den Folgejahren war der Mäzen-Klub nicht mehr aufzuhalten und marschierte bis an die Bundesliga-Spitze durch.
Dass Rot-Weiss Essen einen ähnlich erfolgreichen Weg einschlagen kann, ist wohl trotz aller Euphorie und des großen Potenzials ausgeschlossen. Beide Vereine sind nicht miteinander zu vergleichen. Doch auch RWE hat seit vielen Jahren ambitionierte Pläne. Selbst die 3. Liga soll für den ehemaligen Bundesligisten langfristig nur eine Zwischenstation sein. Das Beispiel RB Leipzig zeigt aber ganz klar: Der erste Schritt dahin könnte der schwerste sein.
Rot-Weiss Essen hat einen gleichwertigen Gegner
Den lange zurecht kritisierten Relegations-Modus müssen die Essener nicht mehr fürchten. Der Erste steigt direkt auf. Endlich. Doch viel leichter ist es dadurch nicht geworden. Die in dieser Saison so hervorragend aufspielenden Essener haben es in der West-Staffel mit einem weiteren Schwergewicht zu tun. Die U23 des BVB II macht es RWE extrem schwer. Diese hochtalentierte Mannschaft mit jungen Top-Spielern wie Steffen Tigges, Taylan Duman oder Ansgar Knauff führt die Regionalliga-Tabelle derzeit sogar an. RWE kann mit einem Nachholspiel in der Hinterhand nach Punkten gleichziehen, hat aber das schlechtere Torverhältnis.
Nicht wenigen sind zweite Mannschaften in der vierten Liga ein Dorn im Auge. Aus Fansicht ist das sicher nachvollziehbar. Die Dortmunder Regionalliga-Reserve würde mit dem Sprung in die Liga wohl nur ihre Spieler und deren Angehörige glücklich machen. In Essen hingegen sehnt sich eine ganze Stadt mit rund 582.000 Einwohnern nach der Rückkehr in den Profifußball.
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Wie groß die Sehnsucht nach nun zehn Jahren Viertliga-Fußball ist, war nach dem sensationellen Triumph im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen Bayer Leverkusen spürbar. Tausende Fans hielt es trotz Corona-Lockdown nicht mehr in den eigenen vier Wänden. Hupkonzerte an vielen Ecken der Stadt, ein großes Feuerwerk am Stadion: Es war ein großer Abend aus RWE-Sicht.
Es ist nicht unrealistisch, dass am Mittwoch ein weiteres Fest in Essen folgt. RWE, ein gefühlter Drittligist, gegen den Zweitligisten Holstein Kiel - größer könnte die Chance eines Regionalligisten auf den Einzug in das Halbfinale des DFB-Pokals wohl nicht sein, auch wenn die Essener auch gegen den Bayern-Bezwinger freilich als Außenseiter ins Spiel gehen.
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Doch so schön ein weiterer Sieg im großen Rampenlicht auch wäre: Für Rot-Weiss hat die Meisterschaft oberste Priorität. Selbst der erste Einzug ins Pokalfinale seit 1994 könnte für ein Scheitern in der Liga nicht entschädigen. Alles andere als der Aufstieg wäre für RWE auf dem geplanten Weg in eine bessere Zukunft eine große Enttäuschung.
Plechaty-Ausfall trifft RWE vor Wochen der Wahrheit hart
Derzeit gibt es zumindest erste Anzeichen zur Besorgnis. Am vergangenen Freitag kassierte RWE in Düsseldorf (0:3) nach einer dreiwöchigen Spielpause die erste Saisonniederlage. Vor dem Spiel schlug Corona innerhalb der Mannschaft zu. Amara Condé und Oguzhan Kefkir, Torschütze zum 1:1 gegen Bayer Leverkusen, wurden positiv auf das Virus getestet. Darüber hinaus trifft der langfristige Ausfall von Rechtsverteidiger Sandro Plechaty (Knorpelschaden) das Team von Trainer Christian Neidhart schwer. Das war bereits bei der U23 von Fortuna Düsseldorf zu spüren.
Es bleibt aus Essener Sicht zu hoffen, dass diese erste Niederlage nur ein Ausrutscher war. Denn die nächsten Aufgaben erlauben keine Schwächephase. Nach dem Pokalspiel gegen Kiel warten der Tabellendritte Fortuna Köln, der Vierte Preußen Münster und schließlich der BVB II. Die alles entscheidende Saisonphase für Rot-Weiss Essen beginnt.