Düsseldorf. Nach der 0:1-Niederlage in Düsseldorf und dem Abrutschen auf einen Abstiegsrang gibt es die ersten „Siewert-Raus“-Rufe. Der RWE-Trainer bleibt cool.
Keine Frage, die Kreditlinie von Rot-Weiss Essen bei seinen eigenen Fans ist aufgebraucht: Als der Düsseldorfer Rafael Garcia nach komatösen 85 Spielminuten im Paul-Janes-Stadion die einzig echte Torchance der gesamten Partie zum 1:0-Sieg seiner Fortunen über die Gäste aus Essen nutzte, hielt sich auch der übersichtlich gefüllte RWE-Fanblock nicht mehr zurück: Man hatte mal wieder „die Schnauze voll“, gefolgt von „Siewert-Raus“-Rufen. Fast schon muss man die Fans bewundern, dass dies nun erst am 29. Spieltag geschieht.
"Wird schon" war gestern
Nun ist es also passiert: Rot-Weiss Essen blickt auf die Linie zur Abstiegszone von unten. Und nach dem Ahlener Sieg am Sonntag gegen Erndtebrück heißt es gar: Mittendrin – statt nur dabei.
Hatten viele gehofft, das kleine Zwischenhoch gegen Tabellenführer Gladbach und durch den Finaleinzug gegen Kray würde bei der Mannschaft „freie Radikale“ im Abstiegskampf loslösen, so war der Rückschlag am Flinger Broich umso heftiger. Der Frust macht sich breit: Im RWE-Block mit unflätigen Drohungen („Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot!“), was nicht nur strafrechtlich sanktionswürdig, sondern auch pädagogisch höchst fragwürdig ist. Wer ruft da schon seine Höchstleistung ab? Und bei den altgedienten Fans auf der Tribüne, da braucht man nur in ihre Gesichter zu schauen: Nackte Angst spiegelt sich da.
Dass die Vereinsführung dieses Szenario am Tag danach erst mal sacken lässt, ist legitim. Eins steht fest: Mit der „Wird-schon“-Mentalität kann es nicht weitergehen. Natürlich wirft man sein großspurig formuliertes Konzept nicht so einfach über den Haufen, Schnellschüsse hatte der Klub in der Vergangenheit zur Genüge. Nur, wenn man sich nun weiter zu Trainer Jan Siewert bekennt, dann muss man es auch deutlich formulieren. Mit allen Konsequenzen. Wer jetzt noch tiefenentspannt ist, ist prädestiniert für Optionsscheine an der Börse. Fußball geht anders. (Ralf Wilhelm)
Nach einer unsäglichen Unentschieden-Serie setzten die 90 Minuten am Flinger Broich dem Ganzen noch einmal die Krone auf: Ängstlich, zaghaft, mutlos im Spiel nach vorne, erweckten die Rot-Weissen vom Anpfiff weg den Eindruck, als sei ein weiteres Remis an diesem Nachmittag das Höchste der Gefühle.
"Raus"-Rufe berührten RWE-Trainer Siewert nicht
Rot-weisse Abwehrbeine bevölkerten in einer Weise den eigenen Strafraum, dass die zuletzt erfolgsverwöhnten Fortunen mit den Nichtangriffs-Bestrebungen der Gäste über weite Strecken des Spiels überhaupt nicht zurecht kamen. Schon auf dem Aufstellungsbogen wurde das Signal zum Rückzug geblasen: Ohne die konterstarken Marcel Platzek und Marwin Studtrucker, die erst einmal auf der Bank Platz nahmen, war das Zeichen schon im Vorfeld eindeutig. Letzterer erfuhr von seinem Bankplatz am Samstagmorgen und war darüber doch baff erstaunt. Fit sei er, bemerkte Studtrucker in aller Vorsicht, und gerne gespielt hätte er auch. Doch das sah Trainer Jan Siewert ganz anders: „Marwin kommt aus einer Verletzung, und es ist auch so, dass die Spieler das Spiel auch durchstehen müssen. So, wie das Spiel gelaufen ist, konnte er erst zu diesem späten Zeitpunkt gebracht werden.“
Kapitän Moritz Fritz hingegen wurde gar nicht eingewechselt. Interessanterweise zwei Akteure, die mit ihrem Jawort für die kommende Saison noch zögern. Zufall?
Aber es war nicht die einzige Merkwürdigkeit an diesem Nachmittag. Nein, so Siewert, ihn berührten die „Raus“-Rufe nicht, gab er nach einer kurzen Bedenkzeit zu Protokoll, um nachzuschieben: „Es ist Unmut da, das ist klar, bei mir ist auch Unmut da. Der Fokus muss sein, weiter mit der Mannschaft zu arbeiten. Wir haben uns selbst da hingebracht, also müssen wir auch gemeinsam da rauskommen.“
Durchhalteparolen, was sollte er auch anderes sagen? Die Körpersprache auf dem Feld bot keinen Ansatz zur Hoffnung. Spieler wie Patrick Huckle, Leon Binder und Benjamin Baier fallen ja auch deshalb noch positiv auf, weil man ihnen abnimmt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles abzurufen. Beim Großteil sieht es allerdings nicht nach Abstiegskampf aus.
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Am Gründonnerstag geht es nun mit dem SC Verl (19.30 Uhr) an der Hafenstraße weiter. Eine Art Angstgegner der Essener, gepaart mit Abstiegskampf. Wie hieß es in der Physik: Minus mal Minus ergibt Plus. Auch im Fußball?
STATISTIK - Fort. Düsseldorf U23 - Rot-Weiss Essen 1:0
RWE: Heller, Weber, Zeiger, Becker, Huckle, Baier, Binder, Ivan, Grund (85. Studtrucker), Jesic (64. Rabihic), Löning (72. Platzek).
Tor: 1:0 Garcia (85.).
Zuschauer: 497