Essen. Nach der 0:1-Niederlage beim Titelaspiranten Mönchengladbach hat sich die Fascher-Elf wohl endgültig aus dem Meisterschaftsrennen verabschiedet.
Essens Torfabrik hat die Pforten geschlossen, die schmerzhafte 0:1 (0:0)-Niederlage im Spitzentreffen mit der U23 von Borussia Mönchengladbach bestätigt die Spirale nach unten: Im fünften Spiel des neuen Jahres bereits die vierte Niederlage, jeweils mit 0:1.
Es fühlte sich zumindest von den äußeren Umständen wie großer Fußball an. Gladbach empfing die Gäste im Borussia-Park, die rund 1000 RWE-Anhänger demonstrierten zum von Trainer Marc Fascher apostrophierten „Anti-Lauf“ (die Bezeichnung Fluch wurde nun aus dem Trainer-Vokabular gestrichen) die passende Stimmung: Das Volk schwieg in der ersten Halbzeit, was die Stimmung in der großen Arena gespenstisch machte. Stattdessen prangte ein Spruchband in der Fanecke: „Wir wollten ja singen, aber auf unseren Zungen lastet ein Fluch“. Die Anhänger flüchten schon in bittere Ironie.
Und Ironie des Schicksals: Ausgerechnet in Gladbach hätten die Essener die Unterstützung von Beginn an verdient gehabt, die Mannschaft hängte sich wirklich rein und setzte endlich mal wieder auch spielerische Akzente. Der Teamgeist, zumindest unter den aufgebotenen Akteuren, hat unter der Abwärtsspirale jedenfalls noch nicht gelitten.
Stürmische Zeiten im Strandkorb
Sylt ist auch nicht mehr das, was es mal war. Des Deutschen liebste Nordsee-Insel verkommt wohl zur großen Langeweile. Ließ man früher den Tag auf der „Whiskystraße“ im feinen Kampen ausklingen, so finden die heutigen Pensionäre in ihren Strandkörben keine Ruhe, sondern eilen ständig an ihre Schreibtische. So geschehen bei Christian Hülsmann. Die Unruhen um die sportliche und sonstige Krise bei RWE trieben den Aufsichtsratsvorsitzenden zu einer Presseerklärung, die allerdings außer Allgemeinplätzen nichts zu bieten hatte. Schlimmer: Mit Begriffen wie „Kopf des Trainers“ oder „Nebenkriegsschauplätzen“ sollte ein Politiker im Zeitalter des Salafismus sensibler umgehen.
Doch damit nicht genug: Nur zwei Tage später zog es Hülsmann wieder an den Schreibtisch: Diesmal antwortete er auf einen offenen Brief. Im Gästebuch auf der Internet-Seite der Uralt-Ultras! Wo er angeblich Bezug nahm auf „die Melange von verschiedenen Gerüchten“, der Rest wurde elegant ums Thema herumgeschrieben.
Nein, werter Herr Hülsmann, es ging um Tatsachen und Fakten, die wir uns nicht zu Gerüchten abqualifizieren lassen. Der versuchte politische Dreiklang aus „Abwiegeln – Aussitzen – Weiterhangeln“, er wird diesmal nicht funktionieren. Denn anders als das Wahlvolk, welches ihre Versprechungen immer nur alle vier Jahre bekommen muss, greift die Taktik beim Fanvolk zu kurz. Hier findet die Abstimmung mit den Füßen alle 14 Tage auf dem Weg ins Stadion statt. Und der Trend sagt: rückläufig!
Aber noch besteht Hoffnung: Heute beendet Hülsmann seine (Un-)Erholungszeit auf Sylt, am Dienstag ist die nächste Aufsichtsratssitzung. Und da sollte des Trainers Einstandssatz beherzigt werden: Nicht reden – machen! (Ralf Wilhelm)
Das Selbstvertrauen allerdings schon. Kein Wunder, das ständige Pendeln der Stürmer zwischen Anfangself und gepolstertem Tribünenplatz (Kluft, Freiberger) fördert bei den Kandidaten im Sturm nicht gerade die Lust aufs Risiko. Marcel Platzek, der mal wieder im Sturmzentrum ran durfte, war zum Hinspiel nicht mehr wieder zu erkennen, von Durchschlagskraft nicht mehr die Spur. Aber es wurde gekämpft, wie es Trainer Fascher ausdrückte, „bis zur letzten Patrone.“ Und die Führung war zweifelsohne möglich. Ein indirekter Freistoß von Tim Hermes im Strafraum (8.) wurde von einem Abwehrbein gerade noch zur Ecke pariert, nachdem Kevin Freiberger in der Szene zuvor bei seinem Volleyschuss nur die Latte getroffen hatte. „Wir schießen die Gegner momentan eher an, als ihn reinzumachen“, schwang beim RWE-Coach fast schon ein wenig Resignation mit.
Der starke Eindruck in Hälfte eins war es auch, der Gladbachs Trainer Sven Demandt zur Analyse bewegte: „Über ein Unentschieden hätten wir uns nicht beschweren können, auch wenn wir wohl die besseren Torchancen hatten“ Auch in der strittigen Szene, als der (mit Pfiffen!) eingewechselte Sven Kreyer im Strafraum in die Zange genommen wurde und der Elfmeterpfiff ausblieb, hätten sich die Gastgeber nicht mokiert: „Den kann man wohl geben“, meinte Demandt lakonisch.
Richard Weber fälschte vor dem 0:1 den Ball unglücklich ab
So schlichen sich in den letzten 20 Minuten Ungenauigkeiten in die Essener Ordnung, die die technisch versierten Jung-Fohlen gnadenlos nutzten. Ausgerechnet von einem in der RWE-Jugend Ausgebildeten: Nachdem Marlon Ritter seine große Freiheit kurz vor dem Strafraum zu einem Schuss an den Innenpfosten genutzt hatte, machte er es nach 71 Minuten präziser: Bei seinem langgezogenen Konter ließ er sich auch durch die Grätsche Richard Webers nicht mehr stoppen, der den Ball noch unglücklich abfälschte. „Ich weiß nicht, Rot-Weiss liegt mir einfach, gegen RWE sind wir noch motivierter“, so der Torschütze, der aber von einem harten Stück Arbeit sprach: „Die waren anfangs unheimlich aggressiv und haben uns keinen Zentimeter Raum gelassen.“
Die RWE-Fans differenzierten nach Abpfiff deutlich ihren Unmut: Die Mannschaft bekam anerkennenden Applaus, während der Trainer sich „Fascher-Raus-Rufe“ anhören musste. Der war aber schon längst auf dem Weg in den Tunnel.
Die Statistik - Bor. Mönchengladbach U23 - Rot-Weiss Essen 1:0 (0:0)
RWE: Heimann, Binder, Zeiger, Weber, Huckle (75. Steffen), Kluft (63. Kreyer), Treude, Baier, Hermes, Freiberger (46. Studtrucker), Platzek.
Tore: 1:0 Ritter (71.)
Zuschauer: 1500