Im Westen. . Am Wochenende startet die Regionalliga West in die neue Saison. Sechs ehemalige Erstligisten tummeln sich inzwischen in der Liga. „Das ist eine kleine Renaissance der Oberliga West“, sagt RWO-Präsident Sommers. Ein ungewöhnlicher Blick in eine ungewöhnliche Liga.

In der Trainerkabine der SSVg Velbert trifft Profifußball auf Spielhölle. An einem Tisch sitzt Coach Hans-Günter Bruns, der ein Jahrzehnt für Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga gespielt hat. An der Wand stehen eine Elektrodart-Scheibe und ein Glücksspiel-Automat. Beide ausrangiert. Auch das ist Regionalliga West: eine Kabine als Abstellkammer. Doch die vierte Spielklasse bietet mehr: Nämlich sechs ehemalige Bundesligisten. Fortuna Köln, Alemannia Aachen, Rot-Weiss Essen, Rot-Weiß Oberhausen, Wattenscheid 09 und den KFC Uerdingen – Straßenbahnderbys und jede Menge Tradition.

Eine Rundreise durch den Regionalliga-Westen zum Auftakt der Saison am Wochenende.

RWO-Präsident Sommers nicht "auf ewig mit Niveau zufrieden"

Hajo Sommers zieht an seiner Selbstgedrehten und stößt kleine Rauchwolken aus. Wenn Rot-Weiß Oberhausens Präsident über Fußball redet, kommt der Kulturliebhaber in ihm durch. Für Sommers, der in Oberhausen die Kleinkunstbühne Ebertbad leitet, bedeutet die Regionalliga auch eine Zeitreise durch die Geschichte der Stadion-Architektur. „Man sieht sich die Stadien an und weiß, wann die Klubs ihre guten Zeiten hatten“, sagt er.

Sein RWO hatte zuletzt eher schlechte als gute Zeiten – das Niederrhein-Stadion versprüht deshalb noch den Charme der Siebzigerjahre. Das gilt auch für den Mondpalast, das Stadion in Herne. Dort will Sommers am Samstag seine Bratwurst essen und das Spiel zwischen dem FC Schalke 04 II und RWO anschauen.

Eigentlich mag der Klubchef die Reserve-Teams nicht. Er freut sich eher auf die Spiele gegen die Essener, die Uerdinger und die Wattenscheider. „Das ist eine kleine Renaissance der Oberliga West“, sagt Sommers. Er meint die Spielklasse aus der Nachkriegszeit, von der Fußballfans im Rentenalter noch heute schwärmen. Trotz der vielen Derbys will Sommers bald raus aus der Regionalliga. „Klar haben wir jetzt viele interessante Spiele. Aber ich kann doch nicht sagen, wir sind auf ewig mit diesem Niveau zufrieden“, so der RWO-Boss.

RWE-Manager Jamro hält sich mit markigen Sprüchen zurück

Wenn Sommers’ Stadion-These stimmt, dann läuft es bei Rot-Weiss Essen gut. Die Handwerker schuften, ein wenig Feinarbeit noch, dann finden Zuschauer bald wieder auf vier Tribünen Platz. Nächste Woche wird die sogenannte „Alte West“ eingeweiht. Auf der Haupttribüne sitzt Damian Jamro und genießt den Blick auf über 20.000 Plätze. „Endlich geht es los“, sagt der RWE-Manager.

Am Samstag kommt Viktoria Köln nach Essen. Der Gegner hat den höchsten Etat, RWE hält mit der höchsten Zuschauerzahl dagegen. 8000 Fans kamen im Vorjahr im Schnitt. Jetzt hofft der Klub auf eine fünfstellige Zahl. „Unsere Fans sind natürlich ein großer Pluspunkt“, sagt Jamro. Auf den Tribünen herrscht Sehnsucht nach höherklassigem Fußball. „Der Aufstieg ist unser Fernziel. Jetzt peilen wir erstmal Platz drei an“, erklärt Jamro.

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Der Manager hält sich mit markigen Sprüchen zurück, die Erinnerungen an den Absturz sind zu frisch. Für RWE ging es in drei Jahren runter von der Zweiten in die Fünfte Liga. Insolvenz inklusive. Nun deutet der Trend wieder nach oben. Wenn die Essener irgendwann mal Meister werden sollten, sind sie aber noch lange nicht aufgestiegen. Dann stünden erstmal Qualifikations-Spiele gegen einen anderen Regionalliga-Meister an. „Ein Unding“, sagt Jamro.

Ein Wattenscheid-Fans schnuppert wieder Profiluft

Mit dem Aufstieg beschäftigt sich Michael Seiß nicht. Beim Edelfan der SG Wattenscheid 09 kribbelt es vor dem Saisonstart trotzdem. Allein, weil er nicht mehr durch die Provinz tingeln muss. „Wir haben wieder einen Fuß in der Tür zum Profifußball“, erklärt Seiß, der vor knapp zwei Monaten die Rückkehr in die Regionalliga feierte. Er hat im Verein schon alles mitgemacht. Seiß geht seit 1985 ins Stadion, sah einen Bundesliga-Sieg gegen Bayern München, aber auch eine Verbandsliga-Pleite bei der SuS Langscheid/Enkhausen. „Ein Wattenscheid-Fan muss extrem leidensfähig sein“, betont Seiß. Als viele Bekannte der Lohrheide den Rücken kehrten, da machte er noch mehr: Seiß war Stadionsprecher, mittlerweile kümmert er sich um die Pressearbeit.

Nun kann er sich wieder mit größeren Namen beschäftigen. Und mit Staus auf den Zufahrtsstraßen. Am Samstag könnte es im Lohrheide-Stadion voll werden. 4000, vielleicht 5000 Fans – wann hat es das zuletzt gegeben? Am Eingang zur Geschäftsstelle kündigt ein Plakat prominenten Besuch an: Der KFC Uerdingen kommt – noch ein ehemaliger Bundesligist, der tief gefallen ist und jetzt wieder hoch will.

Velbert-Coach Hans-Günter Bruns kann keine Party und Show bieten

Die SSVg Velbert hat außer einer ungewöhnlichen Kabineneinrichtung nicht viel zu bieten. Der Klub war nie oben und will nicht nach oben. „Unseren Etat bekommt mancher Spieler der Konkurrenz als Jahresgehalt“, sagt Bruns, der lange für Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga spielte. Aber in den Duelle Arm gegen Reich sieht er einen Reiz: Mit seinen Feierabend-Kickern könnte Bruns die großen Klubs ärgern.

Vielleicht sehen Fußballfans einen Velberter Überraschungssieg demnächst auch im TV. Einige Regionalliga-Spiele werden live übertragen. „Ich glaube nicht, dass wir dabei sind. Die werden sich auf die Spiele der großen Klubs beschränken“, sagt Bruns. Velbert im TV – das ginge nur bei Auswärtsspielen. Das Stadion Sonnenblume ist nicht fernsehtauglich, es gibt in der maroden Spielstätte kein Flutlicht.

Bruns spricht über Uwe Seeler. Der sagte vor kurzem, Fußball bestünde nur noch aus Show und Party. „Damit hat er den Nagel auf dem Kopf getroffen“, sagt Bruns. Party und Show haben sie in Velbert nicht zu bieten. Aber die Regionalliga.