Duisburg. . Er ist beim MSV Duisburg eine Ikone, er gilt als bescheidender und sympathischer Mensch: Bernard „Enatz“ Dietz. Ein Bergmanns-Sohn, der im Zebra-Trikot den Bayern mit Beckenbauer, Maier und Müller Respekt einflößte - und später nicht wusste, ob er den Kaiser duzen darf. Nun wird er 65 Jahre alt.
Bernard Dietz steht ungern im Mittelpunkt, aber er ist ein Mann mit einem großen Herzen für den Fußball, und wenn es ihn packt und er ins Reden kommt, dann staunt man, was für ein großer Geschichten-Erzähler er sein kann.
Bernard Dietz erzählt dann gern aus seiner Welt. Seine Welt ist der Fußball, ein Fußball, der untergegangen ist und den man heute gerne verklärt, weil noch nicht so viel Geld im Spiel war, weil die Stars noch nicht so abgeschirmt waren und weil sich vor den Kabinen die Berater noch nicht die Klinke in die Hand gegeben haben.
Seine Welt, und das passt zu diesem Mann, der am 22. März 65 Jahre alt wird, war immer der MSV Duisburg. Eine überschaubare Welt, eine bodenständige, eine, in der man kämpfen musste. Statistiker haben heraus gefunden, dass kein anderer Bundesligaspieler so viele Niederlagen kassiert hat wie Dietz. Der hört sich das an, ohne eine Spur von Groll: „Wir haben eben immer gegen den Abstieg gespielt.“
„Franz“ oder „Herr Beckenbauer“?
Dietz und der MSV. Um es mit Udo Lindenberg zu sagen: ein Paar wie Blitz und Donner. Bernard Dietz ist in Bockum-Hövel geboren, am Rande des Ruhrgebiets. Er hat zwölf Jahre lang für Duisburg gespielt, danach noch fünf für Schalke, er war als Schalker beim 6:6 gegen Bayern München dabei, als der Stern von Olaf Thon aufging, und doch ist er anfangs nach seinem Wechsel in Gedanken oft an Gelsenkirchen vorbei gefahren, Richtung Duisburg. Die Schalker Fans, sagt er, hätten ihm das verziehen: „Ich war ja einer von ihnen“, sagt Dietz und meint: einer wie sie, einer zum Anfassen.
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Dietz erzählt gerne aus dieser Zeit. Es sind Geschichten darüber, dass als Sohn eines Bergmanns wenig selbstverständlich war, Geschichten über seine Ausbildung zum Schmied, während der er sich zwei Finger halb abgeschlagen hat. Geschichten von Fahrten auf dem Moped zum Training, von Respekt und Ehrfurcht eines Jungen, der es als linker Verteidiger erst in die Bundesliga schafft, dann in die Nationalmannschaft – und der vor seinem ersten Treffen mit den großen Kollegen überlegt, ob er „Guten Tag, Herr Beckenbauer“ sagen muss oder sich ein „Hallo, Franz“ zutrauen soll.
"Bomber" Müller bat Duisburger um Schonung
Es sind Geschichten über die Zeit beim kleinen MSV Duisburg, den Fans später spaßhaft MSV Dietzburg genannt haben, weil der MSV mit Dietz gar nicht so klein war. Dietz war in aller Bescheidenheit Anführer dieser Elf, ihr Herz und ihre Seele. Was man mit Herz und Seele schaffen kann, zeigten die Siebziger. Duisburg kaufte den Bayern mit Beckenbauer, Maier und Müller immer wieder den Schneid ab, so sehr, dass eines Tages vor einem Gastspiel ein Brief in Duisburg eintraf, in dem Gerd Müller darum bat, nicht so hart einzusteigen. Da, erinnert sich Dietz, habe seine Mannschaft gewusst, dass sie auch das nächste Spiel gegen die Bayern gewinnen würde.
Eines dieser Spiele gewann der MSV im November 1977 mit 6:3, der Linksverteidiger Dietz sollte den Rechtsaußen Karl-Heinz Rummenigge ausschalten – am Ende hatte Dietz vier Tore erzielt. „Schafft nicht jeder“, sagt er heute.
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Es folgte noch ein größerer Tag. Bei der EM 1980 gewann Deutschland den Titel. Bernd Schuster verzückte damals die Welt, Horst Hrubesch wuchtete im Finale den Ball kurz vor Schluss zum 2:1 gegen Belgien ins Tor, natürlich per Kopf. Und doch war es das Team von Enatz Dietz, der auch für diese Nationalelf als Kapitän längst Herz und Seele geworden war, bescheiden in einem nahezu unglaublichen Ausmaß und stets loyal.
Feier mit fünf Enkelkindern
Bernard Dietz, nach dem sie in Duisburg ihr Vereinsmaskottchen benannt haben, hat später im Fußball weiter gemacht, als Trainer in Bochum, in Ahlen und immer wieder in Duisburg. Vielleicht war das zu viel, Dietz kann schlecht nein sagen, schon gar nicht, wenn sein MSV in der Not nach ihm rief. Innerlich aber hat er sich vom Geschäft mehr und mehr entfernt: zu viel Geld, zu viele Einflüsterer, zu viel Bohei. Und Dietz war ja keiner, der von seinem Talent hätte leben können, seine Karriere war das Ergebnis von Arbeit und Hingabe.
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Was er an seinem Geburtstag tut? Sein MSV trägt ein Freundschaftsspiel gegen Gladbach aus und natürlich geht Dietz ins Stadion. Danach marschiert er 200 Meter weiter zum Eishockey, der EV Duisburg kämpft um den Aufstieg in die 2. Liga. Gefeiert wird erst am Tag nach seinem Geburtstag, mit Frau, Tochter und Sohn, mit den fünf Enkelkindern. „Dann“, sagt Dietz, „muss Opa auf dem Boden krabbeln und weiß nicht, wie er wieder aufstehen soll.“ Zwei kaputte Knie sind der Preis für zwei Jahrzehnte als Profi. Man kann das aber auch anders sehen: Dietz hat sich nie verbiegen lassen. Und das ist mehr, als man über die meisten sagen kann.