Amsterdam. . 1975 verlor der frühere Libero des MSV Duisburg mit den Zebras das Endspiel gegen Frankfurt, heute schneidet er wieder Haare in Amsterdam. Das Pokalfinale gegen Schalke will Kees Bregman vor Ort verfolgen.
Blau-weiß gestreift ist er noch immer. Nur, dass die Abstufungen feiner sind und längs verlaufen. Er trägt ein lässiges Oberhemd zur Jeans, die Ärmel hat er hochgekrempelt, schließlich ist er zum Arbeiten hier. Bis auf die Brille erinnern seine Züge ohne Zweifel an die Panini-Bilder von damals. Auch im ergrauten Zustand fällt ihm das Haar noch etwas tiefer in den Nacken. Sein Lachen ist breit, kräftig der Händedruck. „Willkommen“, sagt der Ex-Libero des MSV Duisburg.
Und willkommen fühlt sich der Kunde, bei „Kees Bregman, Männerfriseur“. So steht es auf dem Schaufenster: eine klare Ansage. Kein „Chez Kees“, keine Allüren, kein Schnickschnack. So wie man Bregman, der inzwischen 63 ist, auch im Wedaustadion kannte und schätzte. Es riecht nicht nach aufdringlichen Sprays, die Kundschaft sind keine Möchtegern-Ronaldos, die sich Leopardenmuster in den Schläfenflaum zwirbeln lassen. „Ich bin ein Nachbarschaftsfriseurchen“ sagt der Haudegen im Amsterdamer Plauderton und klappert mit dem Arbeitsgerät.
Draußen eilen die Autos dem Zubringer entgegen. Bos en Lommer, zu deutsch „Wald und Schatten“, ist ein unscheinbares Viertel im Westen Amsterdams. Farblose Wohnblocks, etwas Einzelhandel, ein marokkanischer Gemüseladen mit Halal-Schlachtbetrieb. Die Frauen tragen Kopftuch, weit entfernt sind die Grachten, die Touristen aus aller Welt verirren sich nicht hierhin. Wäre der MSV Duisburg ein Stadtteil, er könnte Bos en Lommer heißen.
Seine Vergangenheit lässt sich seit fast zwei Jahrzehnten in Kees Bregmans Friseurstube begutachten. Eine Galerie aus Schwarz-Weiß-Fotos zieht sich an den Wänden entlang. Bundesliga-Bilder der Siebziger und Achtziger, Zweikämpfe mit Manfred Kaltz oder Kevin Keegan, und diese Szene aus dem August 1976, als Bregman im ersten Saisonheimspiel gegen Bayern in eine Flanke sprang und zum Ausgleich traf. 5:2 war der Endstand, Bregman hat den Zeitungsbericht aufbewahrt.
Unter dem Spiegel hängt der vergilbte Ausschnitt aus einer einheimischen Fußballzeitschrift: eine Liste niederländischer Torschützen gegen Bayern München. „Ich steh auf Platz drei“, sagt Bregman und grinst. „Hinter Heinz van Haaren und Willi Lippens.“ Als Goalgetter war er vom FC Haarlem einst nach Den Haag und dann nach Duisburg gekommen, im Sommer 1974, als Kicker aus dem Oranjeland nach der WM in Mode waren. „Acht Spiele vor Saisonende sah Detlef Pirsig die Rote Karte und wurde lange gesperrt. Sie wussten nicht, wer letzter Mann spielen sollte, also sagte ich, ich mach es. Trainer Willibert Kremer wollte erst nicht, aber offenbar spielte ich gut.“
Erst nach Pirsigs Abschied wurde der waschechte Amsterdamer zum allseits bekannten „Libero Bregman“. „27 war ich, und mein Stern stieg. Aber ich bin einfach ein Spätzünder. Auch in der Liebe. Meine Freundin ist 39.“ Bregman, der nun auch nicht gerade wie 63 wirkt, wurde erst mit 23 Profi. Da hatte er nach der Lehre schon vier Jahre als Friseur auf dem Buckel.
Rudi Seliger war sauer
Während er erzählt, nimmt er mit Kamm und Schere Maß. Das Radio spielt niederländische Lieder, ab und an singt er mit. Bregman mag seinen Beruf. Der Laden läuft ganz gut, die Haare müssen sich die Leute schließlich auch in Krisenzeiten schneiden lassen, meint er. Auch bei so manchem Mitspieler legte er damals Hand an. „Rudi Seliger habe ich einmal versägt, da war er sauer!“
Die schönste Erinnerung? Bregman muss nicht lange nachdenken. Das Pokalfinale 1975. „Obwohl wir verloren, bekamen wir einen Empfang. Fast die ganze Stadt war da! Geweldig!“ Auch die Erinnerungsmedaille bewahrt er in seinem kleinen Museum auf. Noch immer hat er Kontakt zu Bernard Dietz und Detlef Pirsig. Wenn er zu Besuch ist, wird er auf der Straße erkannt, und auch in der Traditionsmannschaft kickte er schon mal mit – ausgerechnet gegen Schalke. Apropos: Zum Pokalendspiel zwischen dem MSV und Schalke will sich auch „Libero Bregman“ Samstag auf den Weg nach Berlin machen.