Duisburg. In den deutschen Fußballstadien häufen sich derzeit die Protestaktionen der Anhänger. Auch der MSV muss eine Unterbrechung fürchten.
Wenn am kommenden Samstag der MSV Duisburg den FC Viktoria Köln zum Fußball-Drittligaspiel in der Schauinsland-Reisen-Arena empfängt, sollte unter normalen Umständen der sportliche Aspekt im Mittelpunkt stehen. Das liegt auf der Hand, schließlich wollen und müssen die Zebras nach dem 3:1-Erfolg beim SC Verl nun nachlegen, um ihre missliche Lage im Tabellenkeller zu verbessern. Doch nach den vergangenen Wochen ist mehr als nur denkbar, dass auch ein anderes Thema für Aufmerksamkeit sorgen wird. Die Fanproteste gegen den Einstieg eines Investors in die Deutsche Fußball-Liga (DFL) könnten ebenfalls in den Tiefen der Drittklassigkeit ihren Niederschlag finden.
Kaum ein Stadion in der 1. Bundesliga, in dem es am vergangenen Wochenende nicht mindestens Transparente gegen das umstrittene Vorgehen der DFL in Sachen Investor gab – wobei es mancherorts richtig extrem wurde. In Berlin wurde das Spiel zwischen dem 1. FC Union und dem VfL Wolfsburg vor der Halbzeitpause gleich zweimal von Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck unterbrochen, nachdem zunächst die heimischen Fans und beim zweiten Anlauf der Anhang der Gäste Tennisbälle auf das Feld geworfen hatten. Mit fast einer Stunde Unterbrechung ging es dann schließlich weiter, nachdem Unions Pressesprecher per Durchsage klargestellt hatte, dass eine erneute Störung den sofortigen Abbruch nach sich ziehen wurde. Diese Eskalationsstufe wurde von den Fans (noch) nicht gezündet.
In Duisburg hat man derzeit spielklassenbedingt eher wenig mit der Deutschen Fußball-Liga zu tun; gleichwohl begreifen sich viele Anhängerinnen und Anhänger dennoch als Teil einer bundesweiten Szene, die bei aller sportlichen Rivalität im Themenkern auf einem Nenner ist. Einen Vorgeschmack dessen gab es vor eineinhalb Wochen beim Heimspiel des MSV gegen den SSV Jahn Regensburg, als in der zwölften Minute plötzlich diverse Klopapierrollen auf den Platz flogen. Die Hygiene-Utensilien, in der Vergangenheit eher für Choreographien vor dem Anpfiff genutzt, landeten unter anderem auf dem Kasten von Keeper Vincent Müller und machten eine Fortsetzung der Partie erst einmal unmöglich. Die Ordnungskräfte sorgten gemeinsam mit den Kickern dann dafür, dass das Papier recht schnell wieder eingesammelt wurde. Nach drei Minuten konnte die Kugel wieder rollen, weitere Unterbrechungen gab es nicht.
Nachdem sich in den höheren Klassen die Proteste seitdem aber verschärft haben und es in der Problemlage zwischen organisierten Fans und DFL keine offensichtliche Annäherung gab, ist es zumindest wenig wahrscheinlich, dass das Duell zwischen den Zebras und Viktoria Köln ohne Störung über die Bühne gehen wird. „Ja, wir gehen davon aus, dass irgendetwas passieren wird“, erklärt der stellvertretende Pressesprecher des MSV, Niklas Ehrmuth, auf Anfrage der Sportredaktion. Zwar werde der Ordnungsdienst seine Kontrollen beim Einlass in die Arena vor dem aktuellen Hintergrund zwar noch etwas gründlicher gestalten; grundsätzlich sei aber nicht zu verhindern, dass Gegenstände wie Tennisbälle oder Toilettenpapier auf die Ränge geschmuggelt werden.
Wenn es denn dann zu einer entsprechenden Unterbrechung kommt, greift das dafür vorgesehene Protokoll, nach dem sich der Schiedsrichter – der momentan vom DFB noch nicht benannt ist – zu richten hat. Es ist davon auszugehen, dass auch dann wieder die Drei-Stufen-Taktik greifen würde, nach der eine dritte durch äußere Einflüsse verursachte Zwangspause zum Abbruch führen würde. So weit sind die Fans bislang noch bei keiner ihrer Aktionen gegangen; ein Indikator, ob sich an der Strategie etwas ändert, könnten die DFL-Partien am Freitagabend sein, an dem der 1. FC Köln in der 1. Bundesliga auf Werder Bremen trifft, während in der 2. Bundesliga Hertha BSC gegen den 1. FC Magdeburg und Hannover 96 – zuletzt beim Spiel in Hamburg durch das Fadenkreuz-Transparent gegen den eigenen Geschäftsführer Martin Kind auffällig geworden – gegen die SpVgg Greuther Fürth kicken.
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Das bisher einzige Profispiel des MSV, das abgebrochen werden musste, fand am 19. Dezember 2021 statt. Ein vermeintlicher Rassismus-Eklat, der sich hinterher als Fehlinterpretation des Schiedsrichter-Assistenten herausstellte, sorgte dafür, dass zwischen den Zebras und dem VfL Osnabrück nach 35 Minuten beim Stand von 0:0 vorzeitig Schluss war. Bei der Neuansetzung kassierten die Hausherren dann eine 3:6-Klatsche. Vergleichbar ist der damalige Fall mit der heutigen Situation nur bedingt, da seinerzeit nach dem vermeintlich rassistischen Vorfall ohne Vorwarnung der Abbruch erfolgte.
Da es bislang also keinen Präzedenzfall gibt, kann auch Niklas Ehrmuth nur erahnen, was bei einem Abbruch wegen andauernder Störaktionen passieren würde. Entsprechend kann er auch die Frage, ob bei einer dann folgenden Neuansetzung die Eintrittskarten ihre Gültigkeit behalten, nicht endgültig beantworten: „Da kann ich nur auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verweisen.“ Auch hier dient der Osnabrück-Abbruch nicht als Blaupause, denn nachdem beim ursprünglichen Termin noch etwa 6500 Zuschauerinnen und Zuschauer dem Spiel beigewohnt hatten, waren es beim zweiten Versuch eineinhalb Monate später nur noch deren 750, weil nun wieder unter Corona-Bedingungen gekickt werden musste. „Richtig ist, dass es natürlich ein großer organisatorischer Aufwand wäre“, erklärt Ehrmuth zur Frage einer Neuansetzung.
Dass es so weit überhaupt erst kommt, wollen er und die übrigen Verantwortlichen beim MSV naturgemäß verhindern. Dabei stellt der Pressesprecher klar, dass Kritik am DFL-Vorgehen keinesfalls unterdrückt werden soll: „Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut, das bei uns auch geachtet wird.“ Auf der Hand liegt aber ebenso, dass die Fan-Aktionen ihre Grenzen haben – spätestens dort, wo ein eventueller sportlicher Erfolg in Gefahr ist.
Es wäre wohl ein Albtraumszenario für die Zebras, dass auf dem Weg zu einem aktuell so notwendigen Sieg ein Abbruch durch das Eingreifen des eigenen Anhangs erfolgt, wobei angesichts noch fehlender Vergleichsfälle auch unklar ist, wie die zuständigen Stellen des DFB die Schuldfrage beurteilen würden. Die war beispielsweise im vergangenen Jahr eindeutig gewesen, als in der Halbzeitpause der Drittligapartie zwischen dem FSV Zwickau und Rot-Weiss Essen ein Fan der Sachsen einen Bierbecher auf den Schiedsrichter geworfen hatte, woraufhin nach dem fälligen Abbruch beim Stand von 1:1 eine 2:0-Wertung zugunsten der Essener erfolgte.