Duisburg. Das Positive ging bei der Jahreshauptversammlung des MSV Duisburg unter. Dafür sorgt die schwierige sportliche Situation, die es zu lösen gilt.
Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre: Der MSV Duisburg könnte sich Profifußball leisten, wenn die Mannschaft in der 2. Bundesliga spielt. Das sagte Präsident Ingo Wald am Mittwochabend bei der Mitgliederversammlung der Zebras. Die Neuzugänge hätten funktioniert, wenn die Leistungsträger aus dem Vorjahr weiter die Leistung getragen hätten. So erklärte Sportdirektor Ivica Grlic die sportliche Schieflage. Die Mannschaft erhält alle Unterstützung durch Vorstand und die Fans, wenn die Spieler kämpfen, kratzen und beißen.
Der wiedergewählte Vorstand, Sportdirektor Ivica Grlic, Trainer Torsten Lieberknecht (mit Applaus von den Mitgliedern bedacht) und die Mannschaft kamen aus dem plüschigen Theater am Marientor, ohne ernsthaft durchs Feuer zu müssen. Bei der Aussprache gab es Kritik. Böse Worte gab es nicht. Ein leises Murren ging durch den Raum, als Grlic die Qualitäten der Stürmer John Verhoek und Richard Sukuta-Pasu betonte. Die Stimmung in der Zebra-Familie war besser als der Tabellenplatz. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und im Theater hörte man sich noch sehr vernehmlich atmen.
MSV-Trainer Lieberknecht: Psychologe oder nicht?
Widersprüche gab es am Abend durchaus. Präsident Ingo Wald nannte den Verbleib in der Klasse alternativlos. Das Minus pro Saison in der 3. Liga liegt zwischen 2,5 und 3 Millionen Euro, erläuterte der Finanzexperte Wald. Sein Sportdirektor berichtete über die Verpflichtung von Torsten Lieberknecht: Man wolle mit ihm im Falle eines Abstiegs direkt wieder angreifen. Dann sagte Grlic, der Trainer sei derzeit vor allem als Psychologe und weniger als Fußball-Lehrer gefragt. Lieberknecht hatte in der Pressekonferenz vor dem Spiel Darmstadt-Spiel diese Rolle deutlich abgelehnt: „Als Psychologe sehe ich mich grundsätzlich niemals. Ich bin Trainer.“ Zur Seelenpflege noch so viel: Grlic machte deutlich, dass man kein Gefühl der Angst vermitteln wolle, sondern man will den Glauben der Spieler an sich selbst fördern.
Grlic versprach in seinem Bericht eine „schonungslose“ und „selbstkritische“ Analyse. Dazu gehört der Satz: „Die Leistungsträger des vergangenen Jahres funktionieren nicht wie im letzten Jahr.“ Das sei der Grund, dass sich die Neuzugänge sportlich nicht gut integrieren konnten. Den Niedergang nach dem Flackern der Glühbirne im November erklärte er mit dem 0:4 Anfang Dezember gegen Kiel. Grlic: „Da ist die Mannschaft unerwartet in alte Muster zurückgefallen.“ Er sagte zudem: „Noch aber haben wir alles in der eigenen Hand.“ Wenn die Mannschaft ihr Potential abrufe.
MSV-Manager Grlic glaubt, dass die Qualität reicht
Deshalb musste Präsident Wald die wirklich spannende Frage offen lassen: Halten wir die Klasse? Ivica Grlic machte deutlich, dass er überzeugt sei: Die vorhandene Qualität reiche dafür. Einig waren sich Präsident und Sportchef zudem in einem weiteren Punkt: Das kickende Personal, angeführt von Trainer Torsten Lieberknecht, soll die Karre aus dem Schlamm ziehen.
Nebenbei erklärte Grlic dann noch, warum seine Sicht auf die Problemlage eher intern darstellt. Er ducke sich nicht weg. Er sagt weiter „Wir können uns einfach Lösungen suchen, die der Wirklichkeit nicht gerecht werden. Aber in Wirklichkeit liegt die Wahrheit auf dem Platz.“ Der derzeitige Wahrheits-Report: Rang 18, schlechtester Sturm, schwächste Abwehr, acht Niederlagen aus neun Pflichtspielen mit 24 Gegentoren bei zehn MSV-Treffern.
Zum Abschluss noch die wirklich gute Nachricht, die angesichts der wahrhaft schwierigen sportlichen Lage nicht recht durchscheinen wollte. Dem alten und neuen Vorstand mit Ingo Wald, Bernard Dietz, Udo Steinke und Robert Philipps ist im Zusammenspiel mit Geschäftsführer Peter Mohnhaupt Großes gelungen: Der MSV arbeitet wirtschaftlich in der zweiten Liga. Ohne Geld zu borgen, kam man im vergangenen Spieljahr über die Runden und konnte sogar noch die Schulden leicht drücken.
Duisburg kann in der zweiten Klasse leben
Hier lohnt es, sich zu erinnern: Vor dem Zwangsabstieg 2013 sprachen die Verantwortlichen von einem strukturellen Defizit in Höhe von etwa zwei Millionen Euro. Pro Jahr! Das bedeutet: Was immer man tut, das Geld reicht einfach nicht. Inzwischen lässt es sich in der zweiten Klasse leben und überleben. Das macht den MSV mit etwa 8500 Mitgliedern zukunftsfähig.
Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre. Hier konkret: wenn die Profis nicht absteigen. Denn die 3. Liga kann sich der MSV eben nicht leisten.