Mönchengladbach. Die Überraschungsmannschaft der vergangenen Saison, Borussia Mönchengladbach, ist außer Tritt geraten. Trainer Favre und Sportdirektor Eberl überrascht das nicht. Mit ihren Aussagen aber helfen sie der Mannschaft nicht.

Borussia Mönchengladbach lebte in der vergangenen Saison von der Stabilität und von Marco Reus. Beide sind weg: Der Fußballer des Jahres dribbelt, passt und trifft mittlerweile beim deutschen Meister in Dortmund. Und auch die Stabilität hat der Verein mit den Transfers von Roman Neustädter und Dante verkauft.

Trainer Lucien Favre kennt die Situation aus schlechter Erfahrung: Nach einer erfolgreichen Saison mit Hertha BSC Berlin verließen den Verein die Stars Marko Pantelic, Andrej Woronin und Josip Simunic. Wenige Monate später war Favre entlassen, der Neuaufbau gescheitert. Heute warnt Favre vor der gleichen Entwicklung in Mönchengladbach.

Dort hatte der Trainer aus einem Beinahe-Absteiger ein Team entwickelt, das Erinnerungen an längst vergessene Borussen-Erfolge wieder hervorholte; mit einer stabilen Defensive und überfallartigen Angriffen nach Ballgewinn. Und je selbstbewusster Favres Spieler im Laufe der Spielzeit wurden, desto dominanter traten sie auf, desto mehr konnten sie ein Spiel kontrollieren. Der Lohn: Platz vier in der Bundesliga, Gladbachs beste Saison seit 1987.

"Diese Mannschaft ist in seriöser Gefahr" 

Nach dem Verkauf der Achse um Dante, Neustädter und Reus musste Favre seine Elf umbauen. Klar, dass das Zeit braucht. Als nicht mehr Beinahe-Absteiger, sondern als Beinahe-Champions-League-Teilnehmer verpflichtete Borussia für fast 30 Millionen Euro Alvaro Dominguez (23), Granit Xhaka (19) und Luuk de Jong (22) – alles Fußballer, die ihre Qualitäten bereits nachgewiesen und international Interesse geweckt hatten.

In und um Mönchengladbach herrschte Euphorie, Favre aber bremste: „Wir haben uns nicht verstärkt“, sagte er noch vor dem Saisonstart. Eine misslungene Champions-League-Qualifikation und drei durchwachsene Bundesliga-Spiele später warnte er nochmals deutlich: „Diese Mannschaft ist in seriöser Gefahr“, erklärte Favre. „Wir haben eine extrem schwere Saison vor uns.“

Favre behält recht

Der Fußballlehrer Favre wurde für die Sätze belächelt – und behielt recht. Zum Auftakt in die Europa League verzockte er sich, ließ Genius Juan Arango, Kapitän Filip Daems und Neuverpflichtung Luuk de Jong zu Hause. Ein ernüchterndes 0:0 gegen den zyprischen Vertreter AEL Limassol folgte.

In der Bundesliga musste sich wenige Tage später erschrecken, wer Favres Team mit der begeisternden Mannschaft der vergangenen Saison verglich. Gladbach nahm in Leverkusen zwar am Spiel teil, war aber nur Sparringspartner für ziemlich erfolgloses Leverkusener Torschusstraining. Das 1:1-Unentschieden darf getrost als glücklich gewertet werden. Gegen Nürnberg, eine Woche zuvor, kassierte die Borussia erstmals unter Favre drei Gegentore. Der Punktgewinn gegen Hamburg war mehr Beweis für die Moral von Favres Team als für wiederkehrende Stabilität - errungen in Unterzahl und durch einen Last-Minute-Treffer von Neuzugang Dominguez.

Favre zweifelt an verunsicherter Mannschaft

Aber der spanische Innenverteidiger zeigte etliche Unsicherheiten im Spiel, wie auch die Kollegen in der Viererkette, Tony Jantschke, Martin Stranzl und Kapitän Filip Daems. Favre erkennt sein Team kaum wieder. Das einst so stabile Gebilde, das gegnerischen Offensivreihen in der Vergangenheit noch regelmäßig die Wirkung nahm, ist fragil geworden. Das Gladbacher Selbstverständnis schwindet, zu sehen an schlimmen individuellen Fehlern in beinahe jeder Partie.

Die erneuerte Mannschaft brauche eben Zeit, sagte Sportdirektor Max Eberl nach dem glücklichen Unentschieden gegen den HSV. Er will den Druck von den Spielern nehmen, der offensichtlich auf ihnen lastet. Favre sagte: "Es braucht viel, viel Zeit. Es geht noch viel zu langsam." Dann sprach der Trainer seine Zweifel aus, gewohnt charmant, aber niederschmetternd in der Aussage: "Das können wir noch nicht sagen, ob es klappt."

Schon vor Saisonbeginn redete Eberl die Mannschaft, die nun fehlerhaft und ohne Vertrauen in ihre Stärke spielt, schwach: "Platz elf müssen wir mit diesem Kader erreichen. Platz acht wäre ein sehr gutes Ergebnis." Aktuell ist Gladbach Zehnter - und damit in Eberls Soll, aber weit entfernt von den Erwartungen des Umfelds. Und wenn Juan Arangos feiner linker Fuß nicht wäre, stünde es wohl noch viel schlimmer um die Borussia - auch weil der als Torjäger verpflichtete de Jong bisher erst einmal traf.

Die seriöse Gefahr, von der Favre wissend sprach, sie wird sichtbar.