Mönchengladbach. Nach dem 2:2-Unentschieden gegen den Hamburger SV spricht Borussia Mönchengladbachs Trainer über die positiven Dinge, die er von seiner Mannschaft gesehen hat. Er will optimistisch in die Zukunft blicken und nicht mehr über die Vergangenheit mit Marco Reus nachdenken.
"Nur ein kleines Stück Papier" ist ein Song von EX-Schlager-Barde Wolfgang Petry. Nur ein kleines Stück Papier liegt vor Gladbachs Trainer Lucien Favre. Es ist eine Serviette mit dem Borussia-Emblem, die der Schweizer so kurzerhand zur Taktiktafel umfunktioniert. Dazu noch der Kugelschreiber eines Journalisten und schon ist der Fußballlehrer in seinem Element. Er zeichnet und er kritzelt, ohne viel dabei zu sagen. Vielleicht auch, weil ihm die Worte fehlen, um das zu beschreiben, was ihn schon seit Saisonbeginn stört. Oder vielleicht, um nicht schon wieder dieselben Erklärungen abgeben zu müssen.
Gladbach mit kämpferischer Leistung gegen den HSV
Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist die Analyse à la Favre. Um das zu übersetzen, steht der 54-Jährige auf. Er steht auf dem Podest vor den Journalisten und zeigt, was seine Spieler haben vermissen lassen. Ballannahme links und abspielen rechts. Und andersrum. Im Gesellschaftspiel Activity wäre der Coach heute unschlagbar gewesen.
Seine Mannschaft war beim 2:2-Unentschieden gegen den wiedererstarkten Hamburger SV, der zum 125-Jährigen Jubiläum in diesen Tagen die Chance auf eine perfekte Woche mit neun Punkten aus drei Siegen wahren wollte, auch auf ihre Art unschlagbar. Erneut holte die Borussia einen glücklichen Punkt, erneut konnten die Fohlen dabei nicht überzeugen. "Kämpferisch" ist der Trainer mit der Leistung einverstanden. Die Mannschaft sei auch wie im Spiel gegen Leverkusen viel gelaufen und habe bis zum Schluss an den Punktgewinn geglaubt - sogar in Unterzahl.
Aber die knapp 116 Kilometer malte Favre auch nicht auf die improvisierte Taktiktafel. "Die Mannschaft ist nicht schnell genug", klagt der Coach, "gedanklich nicht und auch nicht spielerisch." Favre sieht nicht verzweifelt aus. Er lächelt viel und spielt mit den Journalisten Katz und Maus. "Sie sind die Journalisten", sagt der Trainer. "Sie müssen auch mal ihre Analyse schreiben, ohne, dass ich was sage." Er möchte nicht mehr erklären, was alle Leute sehen. Das Offensichtliche spricht er aber dennoch aus: "Wir spielen zu langsam und wir haben zu viele Ballverluste" - das zeigen dann auch wohl die Striche und Punkte auf der Serviette. "Nicht der Mann mit dem Ball macht das Spiel", erklärt Favre den Journalisten. Es seien vor allem die Spieler, die den Ball nicht haben. Und diese Spieler "bewegen sich nicht schnell genug."
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Favre will nicht in der Vergangenheit leben
Mit Marco Reus war das anders. Auch ohne das erneut zu wiederholen, wissen die Journalisten, dass Favre genau das sagen will. Reus machte in der vergangenen Saison jeden Mitspieler stärker. Er beschleunigte das Spiel der Gladbacher und schaffte Räume für Mike Hanke, Juan Arango und Co. Vergangenheit. Der Blick nach vorne zählt jetzt nur noch für den Trainer und er möchte sich auch nicht mehr in diesen Ausreden flüchten. Genauso wenig, wie er sich wiederholen möchte. Den positiven Ansatz versuchte Favre seiner Mannschaft in der Halbzeitpause zu vermitteln. Auch wenn das Gegentor zum 1:2 zu einem unglücklichen Moment kam, seine Elf sollte "auf den Sieg spielen". Der Platzverweis machte die Sache aber schwierig, so der Schweizer. Umso positiver sei zu bewerten, dass seine Mannschaft "noch mal zurückgekommen ist" und in der Nachspielzeit das 2:2 gemacht hat. "Ich habe viele positive Dinge gesehen", lächelt der Eidgenosse. Ein Lächeln, das man ihm gerne abnehmen möchte.
Mund abputzen - vielleicht ja mit der Serviette - und weitermachen. Die Begegnung mit der Vergangenheit in Person von Reus kommt vielleicht zum unpassendsten Moment für Favre und seine Borussia. Am Samstag muss die Borussia nach Dortmund zur anderen Borussia (18.30 Uhr/Live im DerWesten-Ticker). Und bei der spielt bekanntlich Marco Reus. Dafür braucht man kein Experte in Activity zu sein.