Wilnsdorf. .

Beim EM-Qualifikationsspiel gegen die Schweiz am Samstag in Augsburg tritt die Fußball-Nationalmannschaft der Frauen erstmals nach der WM an. Im Interview mit DerWesten äußert sich die im siegerländischen Wilnsdorf lebende Bundestrainerin Silvia Neid.

Frau Neid, Spiel eins nach dem Viertelfinal-Aus bei der Heim-WM, Spiel eins nach dem Ende der Ära Birgit Prinz - sind Sie nervöser als vor anderen Partien?

Silvia Neid: Die Partie wird schwierig werden, weil nicht nur Birgit Prinz fehlt, sondern mit ihr Kerstin Garefrekes, Ariane Hingst und Ursula Holl insgesamt vier Spielerinnen ihren Rücktritt aus der Nationalelf erklärt haben. Außerdem sind Kim Kulig, Celia Okoyino da Mbabi und Dzsenifer Marozsan verletzt. Es fehlen also einige Spielerinnen, das ist die Gelegenheit für andere, sich zu beweisen.

Sie standen nach der WM öffentlich sehr in der Kritik. Wie haben Sie diese anstrengenden Tage weggesteckt?

Neid: Zum einen bin ich in den Urlaub gefahren, um Abstand zu gewinnen. In südliche Gefilde mit sehr viel Sonne. Zum anderen habe ich sehr viele gute Freunde und einen Arbeitgeber, der immer hinter mir steht. Aber es haben mir auch viele andere Menschen sehr, sehr nette Briefe geschrieben. Es tat gut, so viel Rückhalt zu erfahren.

Ist die eiskalte Chefin, so wurden Sie charakterisiert, gar nicht so kühl und herablassend wie es zu lesen war?

Simone Laudehr nach dem WM-Aus gegen Japan.
Simone Laudehr nach dem WM-Aus gegen Japan. "Es tat gut, so viel Rückhalt zu erfahren", sagt Silvia Neid. Foto: dapd

Neid: So etwas würde niemand gerne über sich lesen. Ich frage mich jedoch, wie diese Leute zu diesem Urteil kommen. Wie gut kennen sie mich wirklich? Haben das Menschen gesagt, mit denen ich tagtäglich zusammenarbeite?

Haben Sie mittlerweile für sich die sachliche Nachbetrachtung der WM abgeschlossen und vielleicht sogar neue Sichtweisen auf bestimmte Dinge entdeckt?

Neid: Im großen Ganzen ist die WM-Analyse abgeschlossen. Es geht noch um ein paar Punkte. Da geht es nicht nur um unsere Mannschaft, sondern um generelle Trends im Frauenfußball.

Für Ihre Mannschaft liegen aber schon Erkenntnisse vor, oder?

Neid: Wir haben gesehen, dass unser Abwehrverhalten gut war, wir aber nach der Balleroberung wenig Kreativität und Pass-Sicherheit nach vorne hatten. Das Viertelfinale gegen Japan war allerdings so ein Spiel, das man einfach wegstecken muss. Wenn der Zweite der Weltrangliste gegen den Vierten spielt, geht es um Nuancen - und an dem Tag war Japan einfach besser.

War das ungewohnt große öffentliche Interesse inklusive vieler Experten-Kolumnen auch ein Grund für das frühe WM-Aus?

Neid: Uns war im Vorfeld klar, dass wir in den öffentlichen Fokus rücken würden. Mir ist es jedoch nicht gelungen, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass andere Nationen auch Fußball spielen können. Es ging ja immer nur darum: Wer steht im Finale gegen unsere Mannschaft? Dass man bis dorthin erstmal fünf Spiele bestreiten muss, das hat man leider vergessen.

Für das Spiel gegen die Schweiz haben Sie 15 Spielerinnen aus dem WM-Kader nominiert. Einen Umbruch halten Sie demnach nicht für nötig?

Neid: Die Mannschaft bekommt doch auf jeden Fall ein anderes Gesicht. Prinz, Garefrekes und Hingst sind ja Spielerinnen, die mehr als ein Jahrzehnt in der Nationalelf waren und diese mitgeprägt haben. Sie werden fehlen. Das ist ein kleiner Umbruch. Aber wir müssen nicht in Hektik verfallen. Unsere Mannschaft ist im Schnitt recht jung, wir haben elf Spielerinnen im Aufgebot, die jünger als 25 sind.

"Werden über alles reden": Silvia Neid und Ex-Nationalspielerin Birgit Prinz. Foto: dapd

Zum Beispiel Svenja Huth vom 1. FFC Frankfurt, die Sie erstmals nominiert haben. Aber warum musste Svenjas Mannschaftskameradin Melanie Behringer sie darüber informieren? Rufen Sie die Spielerinnen nicht an?

Neid: Ich spreche vor einer Nominierung immer intensiv mit dem Vereinstrainer über die Spielerin. Dann sage ich dem Trainer, dass ich sie nominieren werde. Gelegentlich rufe ich die Spielerin an, mal sagt es ihr der Vereinstrainer - das ist ganz unterschiedlich.

Bei der WM war die Gevelsbergerin Alexandra Popp die Jüngste im deutschen Kader. Ist sie bereits in der Lage, die Rolle von Birgit Prinz im Sturm zu übernehmen?

Neid: Alex ist auf einem guten Weg. Aber sie ist erst 20 und hat noch vieles vor sich. Sie muss weiter an sich arbeiten, um sich so zu entwickeln wie bisher. Das dauert seine Zeit - und die Zeit muss man ihr geben. Man sollte aber nicht den Fehler begehen, sie mit Birgit Prinz zu vergleichen. Sie war eine Ausnahmespielerin, die wird es nicht beliebig oft wieder geben. Alex wird ihren eigenen Weg gehen.

Apropos Birgit Prinz. Gab es bereits eine Aussprache? Man las viel von einem Zerwürfnis.

Neid: Birgit und ich werden uns treffen. Wir haben einen Termin vereinbart. Wir werden uns in Ruhe zusammensetzen und über alles reden.

Es macht den Eindruck, als sähen Sie vieles entspannter als es teilweise öffentlich dargestellt wird.

Neid: (lacht) Genau. Sehr viel entspannter.