Köln. . Der FFC Frankfurt gewinnt trotz eines Patzers von Torhüterin Nadine Angerer mit 2:1 gegen Turbine Potsdam.
Nadine Angerer ist dann mal weg. Tauchurlaub, zwei Wochen. „Ich bin durch“, sagt Angerer eine Stunde nach dem Pokalfinale, und wie sie so da steht, abgekämpft, die Goldmedaille irgendwie um den Hals geknotet, ihre gelben Fußballschuhe in der Hand, Socken an den Füßen, glaubt man ihr aufs Wort. Pokalsieg hin oder her, Deutschlands beste Torhüterin wirkt urlaubsreif.
Sie sollte jeden Tag genießen, schon in drei Wochen geht diese Mammut-Saison weiter, dann mit der Vorbereitung auf die WM 2011. Der Frauenfußball hat sich in diesem Sommer viel vorgenommen, deshalb wird zweieinhalb Monate lang ein Lehrgang den anderen jagen. „Sauhart“ werde das, glaubt Angerer. Immerhin, sie nimmt einen Titel mit. Am Samstag hat sie mit ihrem FFC Frankfurt den DFB-Pokal gewonnen. Das 2:1 (1:1) über den ewigen Rivalen Turbine Potsdam war verdient, aber mindestens einmal war Angerer auf dem Platz vom Glück geküsst. „Ich lass mich ja gerne küssen“, sagt sie da lächelnd.
Angerer macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube
Um eine Antwort ist Nadine Angerer selten verlegen, deshalb kann sie auch die Fragerei nach der vielleicht spielentscheidenden Szene des Pokalfinales nicht aus der Fassung bringen. Nach einer guten Stunde, Frankfurt lag 2:1 vorne, hob Potsdams Jennifer Zietz ihr einen Freistoß ins Tor. Angerer, ungewöhnlich genug, faustete am Ball vorbei und hatte Glück, dass Potsdams Innenverteidigerin Babett Peter im Fünfmeterraum mit hochgestiegen war. Angerer fiel, Schiedsrichterin Christina Jaworek wertete das als Angriff auf die Keeperin und erkannte den Treffer nicht an – eine klare Fehlentscheidung.
Es wäre das 2:2 in einem Pokalfinale gewesen, das damit zurück auf null gestellt worden wäre. Angerer machte nach der Partie aus ihrem Herzen keine Mördergrube: „Als ich am Boden lag, war ich froh, dass der Pfiff kam. Und wenn du das denkst, dann weißt du, dass du vorher etwas falsch gemacht hast. Der Treffer war regulär“, gestand die 32-Jährige ein.
Vielleicht wäre die Szene ein größerer Aufreger geworden, wenn nicht alle das Gefühl gehabt hätten, dass der Fußball sich an diesem Tag für den richtigen Sieger entschieden hatte. Potsdam hatte vor einer Woche die Meisterschaft gewonnen, obwohl Frankfurt über die Saison hinweg den attraktiveren Fußball gespielt hatte. Jetzt heilte der Pokalsieg, der im Frauenfußball einen enormen Stellenwert hat, die Wunden.
Nicht einmal Turbines oft so grantelig wirkender Trainer Bernd Schröder wollte sich aufregen. Auf dem Weg zur Siegerehrung nahm er seine ehemalige Torhüterin kurz in den Arm, um ihr vorzuhalten, dass sie beim aberkannten Freistoßtor nicht hätte fallen müssen. Aber auch das kam ohne die letzte Überzeugung daher, das 2:1 für Frankfurt, das spürten alle Beteiligten, war das richtige Ergebnis.
Turbines Trainer Bernd Schröder geht mit seinem Team hart ins Gericht
Eher ging Schröder mit seinem Team ins Gericht. Zweimal ließ sich Potsdam überrumpeln, kurz nach Spielbeginn durch Svenja Huths 1:0 und kurz nach der Pause, als Kerstin Garefrekes das 2:1 erzielte und damit den Ausgleich der Japanerin Yuki Nagasato zum Tor für die Statistik degradierte. „Das ist ein Problem der Mentalität“, meckerte Schröder, „elf Fußballerinnen sind ‘ne Wundertüte. Wenn die aus der Kabine kommen, wissen die selber nicht, was ihnen gerade durch den Kopf geht.“
Das ist ein typischer Satz für Bernd Schröder. Man kann sich aussuchen, ob er das nun ernst und damit verletzend gemeint hat, oder ob man darin eine ironische Überspitzung sehen will. Schröder ist jedenfalls keiner fürs Florett. Mit Frankfurts Manager Siegfried Dietrich, der schon äußerlich ein wenig an Uli Hoeneß erinnert, und in der Frauen-Branche ähnlich erfolgreich ist und ähnlich stark polarisiert, wird Schröder jedenfalls nicht mehr warm. Frankfurt und Potsdam, Dietrich und Schröder: das versprüht immer noch einen Hauch von Klassenkampf. Angefeuert auch durch Spielerinnen wie Nadine Angerer, die von Potsdam nach Frankfurt gegangen ist.
Diesmal gab’s einen so knapp wie möglich gehaltenen Händedruck zwischen Schröder und Dietrich, dann gehörte die Bühne den Frankfurtern. Sie feierten mit 250 Gästen im größten Vip-Raum des Kölner Stadions. Das hatte wenig Charme, aber die Zeiten, in denen man sich nach dem Pokalsieg in einer Kellerkneipe traf, sind vorbei. Es ist WM-Sommer. Und der Frauenfußball hat Großes vor.