Essen. .
Das Stückchen Film ist nicht mehr taufrisch, die Bilder ruckeln. Man sieht einen baumlangen Mann. Der Mann bückt sich tief hinunter und irgendwie schafft er es, sich in einen Trabant hineinzufalten. Rund 30 Jahre dürften die Bilder alt sein, und es sind vermutlich einige der wenigen Aufnahmen, auf denen sich Bernd Schröder beugt.
Wenn eine knorrige Eiche sich in einen Menschen verwandeln könnte, käme Bernd Schröder heraus. Seit 40 Jahren ist er eine der herausragenden Figuren im Frauenfußball. Seit 40 Jahren ist er: Turbine Potsdam. Am Samstag (16.15 Uhr/ARD) kämpft er mit seinem Team in Köln um den DFB-Pokal der Frauen. Gegner ist der 1. FFC Frankfurt. Es ist Schröders liebster Gegner, weil zwei Weltanschauungen aufeinander prallen.
Bernd Schröder, ein kerzengerader Riese von 68 Jahren, trainiert die Potsdamer Fußballerinnen seit 40 Jahren. Solange verkörpert er diesen Verein. Das ist im Fußball eine Ewigkeit, und Schröders Vita teilt sich gerecht auf in zwei Jahrzehnte Vor- und zwei Jahrzehnte Nach-Wende. Im März 1971 gründete Turbine Potsdam eine Frauenfußball-Abteilung. Die Legende sagt, Schröder sei abends zufällig im Vereinsheim gewesen, man habe ihn angesprochen, ob er nicht den Trainer machen könne, weil es keinen anderen gab.
Training mit Autoreifen
Schröder erzählt heute, er habe aus Pflichtgefühl zugesagt. Pflicht und Verantwortung sind Begriffe, die oft fallen. Er hat kürzlich auch gesagt: „Ich hätte damals auch beim Kegeln oder beim Billard übernommen.“ Er hat danach nicht mehr abgegeben, und am Ende habe, so sagt man, immer nur er entschieden.
Es gibt alte und neue bewegte Bilder von Schröder, bei denen man den Kopf schüttelt. Die alten zeigen Potsdams Fußballlerinnen in den Achtzigern bei Sprints, im Schlepp einen an einer Kette befestigten Autoreifen. Im Hintergrund hört man Schröder brüllen. Die neuen Bilder zeigen modernere Trainingsmethoden. Und im Hintergrund hört man Schröder brüllen: „Tempo! Was machst du denn? Wir sind hier nicht in Mazedonien.“ Sportlich, sagt die Nationalspielerin Conny Pohlers, sei Schröder ein harter Kerl: Man müsse gestanden sein, um nicht loszuheulen.
Damit allein wird man Schröder aber nicht gerecht. Er mag seine Spielerinnen hart anpacken, aber Schröder arbeitet mit System. Und Erfolg. Die Verzahnung von Sportschulen, Uni und Verein hat Potsdam zu einer der beiden großen Kräfte im Frauenfußball gemacht. So weit konnte es nur kommen, weil Turbine nach der Wende dank Schröders Beharrlichkeit nicht in der Versenkung verschwand – wie so viele andere Teams im Osten. Inzwischen ist er belohnt worden für seine Ausdauer. Nicht materiell, Schröder war bis zu seiner Pensionierung Abteilungsleiter bei einem Energieversorger. Auf sein Ehrenamt bei Turbine ist er stolz, so wie auf vier Meistertitel, drei DFB-Pokalsiege und den Gewinn der Champions League.
Wenn einer Potsdam stoppen kann, dann Frankfurt mit Manager Siggi Dietrich. Der Verein ist der Gegenentwurf zu Turbine. Dietrich gilt als professionellster Manager im Frauenfußball. Aber er berät nebenbei auch viele Spielerinnen. Verkürzt könnte man Schröders Animosität auf den Punkt bringen: Schröder lebt für, Dietrich für und vom Frauenfußball.
Davon abgesehen, ist das Pokalfinale der beiden besten Teams auch eine Leistungsschau: Potsdam ist gerade Meister geworden, mit einem Punkt Vorsprung vor Frankfurt. Beide Vereine stellen die halbe Nationalelf, ein Favorit auf den Pokalsieg ist nicht auszumachen.
Nur eines ist sicher: Man wird Bernd Schröder nicht gebeugt sehen. Gerade heute nicht. Ganz gleich, wie’s ausgeht.