Essen. Nach dem WM-Aus konzentriert sich Sara Doorsoun vom VfL Wolfsburg auf die Bundesliga. Nun beginnt die Mission Titelverteidigung. Ein Interview.
Sie sind mal wieder die Gejagten. Doch das sind die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg gewohnt. Als Titelverteidiger in Meisterschaft und Pokal starten sie in die am Freitag beginnende Bundesligasaison, in der sie am Sonntag den SC Sand empfangen (14 Uhr). Sara Doorsoun hatte mit ihrer Schnelligkeit zuletzt im deutschen Trikot bei der WM auf sich aufmerksam gemacht. Nun geht die 27-Jährige in ihre zweite Saison als Wolfsburgerin.
Frau Doorsoun, glauben Sie, dass die WM mit ihren hohen TV-Zuschauerzahlen auch das Interesse an der Bundesliga stärken wird?
Sara Doorsoun: Ich hoffe es. Die Liga ist ja unser tägliches Brot. Turniere wie die WM sind immer die Höhepunkte, und ich glaube, dass wir trotz dem Viertelfinals-Aus einen positiven Eindruck hinterlassen haben und auch im Ligabetrieb neue Zuschauer in die Stadien locken können.
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Die US-Amerikanerin Megan Rapinoe ist mit ihren spielerischen Leistungen und ihren klaren Worten gegen den US-Präsidenten bei der WM zum Superstar aufgestiegen. Hat dieses Turnier dem Frauenfußball gutgetan?
Doorsoun: Ich finde gut, wenn jeder offen und ehrlich seine Meinung äußert. Das sollte immer so sein. Die einen machen es mehr, die anderen weniger, einige sind eben ein bisschen extrovertierter als andere. Grundsätzlich ist es gut, dass es im Frauenfußball Persönlichkeiten gibt, die ansprechen, wenn Dinge nicht so laufen, wie sie einem gefallen. Megan Rapinoe ist bei dieser WM wirklich der neue Star geworden, sie hat da schon viel positives Feedback bekommen.
Ihre Mutter stammt aus der Türkei, Ihr Vater aus dem Iran. Haben Sie im muslimischen Kulturkreis Widerstände miterlebt, wenn Mädchen Fußball spielen wollen?
Doorsoun: Das gibt es, und das sollte man auch nicht missachten. Ich hatte das Glück, dass es bei mir nie ein Thema war. Im Gegenteil, ich wurde immer unterstützt, wurde zum Training gefahren und abgeholt. Im Familienkreis sind alle unfassbar stolz. Ich weiß aber, dass es auch anders sein kann.
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Sehen Sie sich selbst als Vorbild?
Doorsoun: Ich habe immer mehr das Gefühl, dass mich viele Leute als eines sehen. Vergangenes Jahr war ich in einem Mädchen-Fußballcamp und habe es da erst mal selbst richtig bemerkt. Vorher habe ich mich nie damit auseinandergesetzt, ich hatte einfach mein Hobby zum Beruf gemacht und war stolz darauf, dass ich es so machen kann, machen darf. Das Camp hat mir dann vor Augen geführt, dass es nicht immer so reibungslos abläuft wie bei mir, dass es da mitunter in Familien große Diskussionen gibt und nicht alle Mädchen Fußball spielen dürfen, nur weil sie es wollen. Wann immer die Möglichkeit besteht ist, mit jungen Mädels Fußball zu spielen oder wenn es sein muss, auch mal mit den Eltern zu reden, würde ich nun eine viel größere Verantwortung bei mir selbst sehen.
Wie war es bei Ihnen mit den ersten Schritten mit dem Ball?
Doorsoun: Ich habe mit drei Jahren mit dem Fußball angefangen. Das Übliche: Der große Bruder hat die kleine Schwester notgedrungen mit auf den Bollzplatz genommen, hat sie ins Tor gestellt, wo sie am wenigsten anrichten kann. Das hat mir nicht so viel Spaß gemacht, aber irgendwann habe ich dann im Feld spielen dürfen, im Kindergarten habe ich dann auch immer weiter mit den Jungs gespielt und mit sieben dann erstmals im Verein.
Bei den Siegesfeiern des deutschen Teams waren häufig Karnevalsschlager zu hören. Als gebürtige Kölnerin waren Sie doch bestimmt dafür verantwortlich, oder?
Doorsoun: Tatsächlich war Marina Hegering von der SGS Essen der Auslöser. Sie liebt Köln und Kölner Lieder. Nach Spielen finde ich das Liedgut auch toll, natürlich auch an Karneval oder wenn ich generell mal zu Hause bin. Aber das ist nichts, was ich auf jeder Busfahrt höre (lacht). Da höre ich schon eher R’n‘B und Hip Hop.
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Allerding gehen viele Spitznamen Ihrer Mitspielerinnen auf Ihr Konto, zum Beispiel in der Nationalmannschaft: Lena Oberdorf nennen alle nur Obi, Marina Hegering ist Maschina…
Doorsoun: Ja, da gibt es mehrere. Nicole Rolser von Bayern München ist Niro, jeder kennt sie auch so. Ihre Schwester Nadine ist Naro, man weiß also jetzt immer, wer gemeint ist. Das kommt eigentlich immer recht spontan. Und oft haben sich diese Spitznamen auch durchgesetzt (lacht).
Ihr eigener Spitzname lautet Speedy Gonzalez. War die Schnelligkeit schon immer Ihre größte Stärke?
Doorsoun: Ja, das war schon so, als ich bei den Jungs gespielt habe. Bis zu einem gewissen Alter war ich immer die Schnellste. Und zum Glück habe ich das so beibehalten.
Mit der Nationalmannschaft sind Sie bei der WM in Frankreich bis ins Viertelfinale gekommen. Was haben Sie in den Wochen nach dem Turnier gemacht?
Doorsoun: Wir hatten nach der WM eigentlich nur zwei Wochen Zeit, um zu entspannen, uns zu erholen, um runterzufahren. Ich bin zu meiner Mama in die Türkei geflogen, habe mein Handy meist an die Seite gelegt und war nicht so leicht zu erreichen für andere. Ich habe wirklich versucht, in diesen zwei Wochen Kräfte zu sammeln, um dann wieder mit neuer Energie in Wolfsburg anzukommen.
Fast das gesamte Frauen-Nationalteam war während der WM in den Sozialen Medien recht aktiv. Brauchten Sie das mal, zwei Wochen ohne Handy?
Doorsoun: Während der WM stand es ja fast nie still, auch Familie und Freunde haben mir häufig geschrieben, was einen ja freut, da möchte man immer antworten und in Kontakt bleiben. Jetzt brauchte ich aber mal Zeit für mich und habe mir dann gesagt: Jetzt bin ich mal nicht erreichbar. Das war wichtig für mich.
Mit dem VfL sind Sie in der vergangenen Saison Meister und Pokalsieger geworden. Ist das also das Ziel, die Titel zu verteidigen und in der Champions League oben mitzuspielen?
Doorsoun: Definitiv. Wir wollen so viele Titel wie möglich gewinnen, wenn es mit der Meisterschaft und dem Pokal klappt, wäre es toll. Im Gegensatz zur Vorsaison über das Viertelfinale der Champions League hinaus zu kommen wäre auch eine tolle Sache. Dafür werden wir alles geben.
Zum Auftakt geht es gegen den SC Sand, danach gegen den MSV Duisburg: Ein entspannter Saisonstart?
Doorsoun: Wir müssen von Beginn an fokussiert auftreten. Ich weiß wie es ist, als Underdog gegen den großen Favoriten anzutreten. In meiner Zeit in Wattenscheid und Essen haben wir uns immer gesagt, dass wir es diesen vermeintlich stärkeren Gegnern so schwer wie möglich machen wollen. Mit dieser Einstellung werden auch der SC Sand und Duisburg gegen uns spielen. Respektlosigkeit kann sich keiner erlauben, Fehler werden schon ab dem ersten Spiel bestraft.
Wer sind die großen Konkurrenten?
Doorsoun: Ganz klar der FC Bayern, die Münchener zählen immer zum Favoritenkreis. Auf die SGS Essen bin ich auch sehr gespannt, sie hat vergangene Saison wirklich gut gespielt, Turbine Potsdam ist immer unangenehm, der SC Freiburg ist immer unangenehm. Es könnte lange spannend bleiben in der Liga.
Sie haben in der Bundesliga unter anderem bei der SG Wattenscheid und der SGS Essen gespielt. Was unterscheidet Ihren jetzigen Klub vom Rest der Liga?
Doorsoun: Beim VfL ist alles top professionell, die Strukturen sind so gut wie bei kaum einem anderen Verein in der Liga. Ich muss hier einfach nur Fußball spielen, meine Leistungen bringen und mich nicht mit irgendwelchen Nebenkriegsschauplätzen beschäftigen wie den Begebenheiten der Trainingsplätze oder ob unsere Trainingsklamotten rechtzeitig da sind. Zugegeben, das sind jetzt kleine Dinge, die am Ende aber im Großen und Ganzen aber viel ausmachen.
Personell gibt es einige Veränderungen, unter anderem müssen Sie die Leistungsträgerinnen Nilla Fischer ersetzen. Wie stark ist der neue VfL?
Doorsoun: Ich denke, dass wir in der Breite noch stärker geworden sind als vergangene Saison. Der Konkurrenzkampf im Team selbst wird auch wieder groß sein. Wobei unsere Abgänge auch nicht so leicht zu ersetzen sein werden.