Rennes. Deutschlands Fußballerinnen verpassen durch das 1:2 im WM-Viertelfinale gegen Schweden auch Olympia 2020. Die Bundestrainerin erhält Rückendeckung.
Als die Türen sich am frühen Sonntagmorgen schlossen und der Mannschaftsbus das Teamhotel in der französischen Bretagne verließ, hatte dieser Augenblick noch einmal etwas Symbolhaftes. Die Blicke waren leer, die Schritte zum Gefährt müde, die dicken Kopfhörer waren auch ein Zeichen an die Umgebung: Lasst uns in Ruhe! Deutschlands Fußballfrauen verließen enttäuscht das schmucke Golfresort in Rennes, nachdem sie die WM-Bühne schon einige Stunden zuvor verlassen hatten. 1:2 (1:1) hatte das Viertelfinale gegen Schweden am Samstagabend geendet. Ein Ende mit Schrecken. Schrecken ohne Ende.
Denn nicht nur die WM ist vorbei. Auch der Traum von den Olympischen Spielen platzte an diesem Abend vor 25.301 Zuschauern im Stadion und fast acht Millionen vor den TV-Geräten. Weil nur die drei besten europäischen Teams kommendes Jahr in Tokio dabei sind, weil nun Schweden, die Niederlande und England (gegen die USA) im Halbfinale stehen. Olympia findet ohne den Titelverteidiger statt
Maroszan: "Der Traum ist geplatzt"
Noch einmal hatten die deutschen Fußballfrauen nach dem Spiel einen Kreis gebildet, wie sie es immer vor und nach jeder Partie getan hatten. Doch dieses Mal war es nicht wie immer, es war das letzte Mal. Sie schritten danach auf die Tribüne zu, bedankten sich für die Unterstützung. Dzsenifer Marozsan ging in diesen Minuten voran, wie sie es eigentlich während des Turniers hätte machen sollen, aber nicht konnte. Ihr Turnier hätte diese WM in Frankreich sein sollen, doch der Zehenbruch im Auftaktspiel verhinderte dies, verhinderte am Ende auch die Halbfinal-Teilnahme in Lyon. In der Stadt, in der Deutschlands beste Fußballerin lebt und für Olympique spielt. „Der Traum ist geplatzt“, sagte die 27-Jährige mit leiser Stimme.
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Sie war Deutschlands letzte Hoffnung in diesem Viertelfinale, und so wechselte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ihren Star in der Halbzeit ein, allerdings war der Effekt überschaubar. Marozsan, gegen China durch ein Foul früh aus dem Spiel genommen, sollte auch bei ihrem zweiten Einsatz nicht mehr in die WM finden. Deutschland hatte sich bisher durchgekämpft mit Alexandra Popp, mit Sara Däbritz und mit Almuth Schult. Spielerinnen auf einem hohen internationalen Niveau, aber eben nicht weltklasse wie Dzsenifer Marozsan. Weitere Spielerinnen auf diesem Top-Niveau gibt es derzeit nicht in Deutschland.
Voss-Tecklenburg vollzog radikalen Umbruch
Was sich aber bald ändern könnte. Mit Lena Oberdorf, diesem 17-jährigen Fußball-Wunderkind, und der 19-jährigen Giulia Gwinn wachsen sie wieder heran. Martina Voss-Tecklenburg baute auch auf diese beiden und setzte das um, was sich Joachim Löw bei den Männern vor der WM 2018 nicht getraut hatte: Sie vollzog den radikalen Umbruch, reiste mit 15 WM-Neulingen nach Frankreich.
Auch für die 51-jährige Bundestrainerin war es das erste große Turnier. Bis zum Viertelfinale hatte sie stets den richtigen Riecher beim Aufstellen ihres Teams gehabt, konnte sie trotz einiger Zittermomente auf ihre Abwehr um Marina Hegering und Sara Doorsoun bauen. Diesmal war es anders. Alexandra Popp spielte im defensiven Mittelfeld statt im Sturm, mit Linda Dallmann und Leonie Maier baute die Bundestrainerin auf zwei Spielerinnen, die zuvor wenig Einsatzzeit erhalten hatten. Nach starken 20 Anfangsminuten und dem Führungstreffer durch Lina Magull (16.) übernahm Schweden das Kommando, zeigte sich routinierter und cleverer. Bei den Gegentreffern (22./48.) machte die deutsche Abwehr keine gute Figur.
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„Die Mannschaft hat Zukunft“
Hatte Voss-Tecklenburg den Umbruch also zu früh eingeleitet? Hinkt der einst titelverwöhnte deutsche Frauenfußball dem Rest Europas hinterher? „Weil wir jetzt ein Spiel verloren haben, stellen wir nicht alles in Frage“, sagte die Bundestrainerin. „Das darf kein Rückschlag sein. Wir müssen diesen Prozess weitergehen.“ Und zum Abstand zur Weltspitze: „Das ist eine Frage der Definition. Wir haben nicht 0:5 verloren, sondern 1:2. Es war sehr eng.“
Oliver Bierhoff, Direktor des Deutschen Fußball-Bundes, stellte sich auch sogleich hinter die Bundestrainerin. „Sie hat in der kurzen Zeit sehr viel bewegt, wir haben tolle Ansätze gesehen, die Erneuerung schreitet voran.“ Auch DFB-Interimspräsident Rainer Koch winkte ab: „Wo keine Probleme sind, muss ich mir auch keine machen.“
Und nun? Im kommenden Jahr wird die Nationalmannschaft durch das Olympia-Aus nur die Qualifikation für die EM 2021 spielen. „Wir müssen darin auch eine Chance sehen, dass es uns Zeit und einen Rahmen gibt, Entwicklungen anzuschieben“, sagte Voss-Tecklenburg. „Diese Mannschaft hat Potenzial und eine Zukunft.“
Es war die letzte Botschaft, bevor sich die Türen des Mannschaftsbusses schlossen. Und es zurück nach Hause ging.