Valenciennes. Beim 1:0-Sieg gegen Spanien war Torhüterin Schult der Rückhalt der DFB-Frauen. Die Bundestrainerin vertraute ihr auch in schwierigen Phasen.

Sie schrie ihre Mitspielerinnen an, fuchtelte wild mit den Armen umher. Sie lachte und umarmte ihre Teamkameradinnen. Wenige Minuten und der offiziell besiegelte 1:0-Sieg gegen Spanien lagen am Mittwochabend bei der Fußball-WM der Frauen zwischen diesen Szenen. Minuten, in denen das deutsche Team um den zweiten Erfolg in Frankreich bangte und den Abpfiff als Erlösung zur Kenntnis nahm. Almuth Schult, die eben noch wild gestikuliert und gerufen hatte, zog nun ihre Torwarthandschuhe aus und war sichtlich zufrieden: „Wir würden uns sicherlich freuen, wenn es spielerisch einfacher läuft. Aber wenn wir es immer über das Kämpferherz schaffen und 1:0 gewinnen, ist mir das auch ziemlich wurscht.“

„Ziemlich wurscht.“ Eine Redensart, die man häufiger hört, die aus dem Munde von Almuth Schult aber zum Schmunzeln anregt. Betreibt die Familie der 28-Jährigen doch einen Bauernhof im niedersächsischen Dörfchen Lomitz. Bei ihren Mitspielerinnen des Bundesligisten VfL Wolfsburg ist Schult deshalb als Lieferantin von frischen Eiern und Milch beliebt. Es ist diese ländliche Idylle, in der der Schult einst ihre Fußballkarriere begann. Noch immer ist sie Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und des Schützenvereins. Hauptberuflich aber ist sie eine mit olympischem Gold, Champions-League-Titel und Deutschen Meisterschaften dekorierte Profi-Torfrau.

Deutschland war schon immer ein Land der starken Torhüter. Mit ihnen wurden Weltmeisterschaften gewonnen. Bei den Männern mit Manuel Neuer (2014), Bodo Illgner (1990), Sepp Maier (1974) und Toni Turek (1954). Bei den Frauen mit Silke Rottenberg (2003) und Nadine Angerer (2007). Stark präsentiert sich auch die derzeitige Nummer eins der Frauen bei der WM in Frankreich.

Immer gut für starke Worte

Vielleicht tut Almuth Schult dies nicht immer auf dem Platz wie jüngst beim 1:0-Sieg gegen Spanien im zweiten Vorrunenspiel. Für starke Worte ist die 28-Jährige aber immer gut. Vor dem Turnier hatte sie kritisiert, dass der Deutsche Fußball-Bund die Entwicklung des Frauenfußballs nicht motiviert genug vorantreibe. Unterlaufen ihr im Spiel Fehler, nimmt sie im Anschluss in der Interviewzone ausführlich Stellung, statt schnurstracks in die Kabine zu eilen. „Ich verstecke mich eben nicht“, sagt Schult.

Schult schafft Schritt aus Angerers Schatten

Lange stand Almuth Schult als Nummer zwei im Schatten von Nadine Angerer (40). Der Olympiasieg 2016 war ihr erster Erfolg als Nummer eins. Mit dem VfL Wolfsburg wurde Schult Champions-League-Sieger 2014, viermal Deutscher Meister und fünfmal Pokalsieger. Gemeinsam mit der US-Amerikanerin Hope Solo wurde sie im Jahr 2014 als Welttorhüterin ausgezeichnet.

Auch den Fauxpas von Nationalmannschafts-Ausrüster Adidas nahm sie mit Humor. Der hatte die Schuhe der Torhüterin mit dem Namen „Almuth Schulth“ bedruckt und dem Nachnamen damit ein zusätzliches „h“ spendiert. Ein Fehler, der aber auch einiges über den Bekanntheitsgrad Almuth Schults aussagt. Sie ist eben kein Manuel Neuer. Und auch noch keine Nadine Angerer.

Überwiegend positives Bild

Die Sicherheit der deutschen Torfraulegende strahlt Schult noch nicht aus. Allerdings: Es ist ihre erste WM als Nummer eins. Und in der hat sie bisher ein überwiegend positives Bild abgegeben. Noch nicht wirklich viel gefordert gegen China (1:0), musste sie gegen Spanien gleich nach wenigen Sekunden eine Großchance entschärfen. In der 14. Minute hatte sie dann Glück, als sie nach einem langen Pass der Spanierinnen zögerte, statt den Winkel zu verkürzen: Stürmerin Nahikari Garcia schoss daneben.

Dennoch: Schult zeigte den richtigen Instinkt beim Herauslaufen und pflückte sämtliche hohe Bälle im Strafraum herunter. Als „ganz wichtigen Stabilisator“ bezeichnete Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sie nun vor dem finalen Gruppenspiel gegen Südafrika am Montag (18 Uhr/ARD/DAZN). „Sie war sehr präsent. Ich bin sehr froh, dass Almuth eine großartige Hilfe für das Team ist, auf und neben dem Platz.“

Schult genoss stets Rückendeckung

Die Bundestrainerin hat immer auf ihre Torhüterin gesetzt. Auch in einer Phase, in der diese alles andere als sicher wirkte. Im Winter war Almuth Schult an Masern erkrankt. Eine Kinderkrankheit, die für Erwachsene lebensgefährlich sein kann. Lange kämpfte die 1,80-Meter-Frau mit der Krankheit, Entzündungen der Leber, der Bindehaut und der Ohren kamen hinzu.

Als sie im Anschluss noch mit einer Schulterverletzung haderte und im vorletzten Testspiel die beiden Gegentreffer der Japanerinnen beim 2:2 selbst verursachte, schien die Reise nach Frankreich als Nummer eins alles andere als sicher. Martina Voss-Tecklenburg aber blieb geduldig. Und bekam sogar Zustimmung von Schults Vorgängerin. „Ihr seid eine mega Mannschaft“, meldete sich Nadine Angerer aus ihrer Wahlheimat USA. „Und ihr habt die beste Torhüterin.“