Rennes. Giulia Gwinn schießt die deutschen Frauen zum 1:0-Sieg bei ihrem ersten WM-Spiel gegen China. Das Team hat allerdings noch Luft nach oben.
Am Ende überwog die Erleichterung. Sie klatschten sich ab, umarmten sich, lächelten, als sie zur Anzeigetafel blickten. Es war ein harter Kampf, doch der Start war geglückt: Mit 1:0 (0:0) gewannen die deutschen Fußballfrauen am Samstag ihr erstes Spiel der Weltmeisteschaft gegen China. „Hauptsache, gewonnen“, sagte Torhüterin Almuth Schult. „Nach dem Wie fragt später niemand mehr.“
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Es waren die ausgesprochenen Eindrücke der 28-Jährigen unmittelbar nach dem Schlusspfiff, gerade hatte sie sich vom Rasen im nordwestfranzösischen Rennes Richtung Kabine begeben. Noch immer hatte die Schlussfrau des VfL Wolfsburg die vergangenen Minuten vor 15.283 Zuschauern frisch im Gedächtnis, als der deutsche Sieg nach Phasen des Zitterns und Bangens endlich feststand. Vielleicht fragt man als Spielerin in diesen Momenten nicht nach dem Wie, ist einfach nur froh, dass es vorbei, dass es gut gegangen ist. Wenig später taten Beobachter des Spiels es natürlich doch. Und auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sprach die Art und Weise des Sieges an. „Ich weiß, wir können das besser. Und das fordere ich auch.“
Harte Gangart macht zu schaffen
Denn dieser Erfolg der deutschen Fußballerinnen war ein hart erkämpfter. Er hatte personell gefordert: Dzsenifer Marozsan (Lyon), Alexandra Popp (Wolfsburg) und Marina Hegering (Essen) sind angeschlagen. Er hatte physisch gefordert: Die Chinesinnen stoppten den deutschen Spielfluss durch Härte, oft wurden die Zweikämpfe am Rande des Erlaubten geführt, manchmal gingen sie ungeahndet darüber hinaus. Der Erfolg hatte Nerven gekostet. Nach starkem Beginn und vielen ungenutzten Torchancen, nach einer Phase der Unkonzentriertheit und der Hektik. Doch der Sieg hatte auch Selbstvertrauen gebracht: „Wir sind jetzt im Turnier“, sagte die deutsche Spielführerin Alexandra Popp. „Das erste Spiel ist immer schwierig. Wichtig ist, dass wir uns reingekämpft haben.“
Mit vielen Fragen waren die deutschen Frauen in das Turnier der Weltbesten gestartet. Wie fit ist Torhüterin Schult, die sich lange mit einer Schulterverletzung herumplagte und auch im finalen Testspiel gegen Chile kaum gefordert wurde? Wie eingespielt würde sich die Mannschaft präsentieren nach einer recht kurzen Vorbereitungszeit und mit 15 WM-Debütantinnen? Die Bundestrainerin hatte am Samstagmorgen alle Zweifel zur Seite schieben und öffentlich Mut machen wollen. Sie postete bei Facebook ein Bild des WM-Pokals und schrieb dazu: „Auch mit einem jungen Team im Neuaufbau darf man Träume und ein Ziel haben: am 7. Juli in Lyon zu spielen. Da ist das Objekt der Begierde!“
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Am Ende sind noch nicht alle Fragen beantwortet. Wie fit ist die Torhüterin? Almuth Schult hatte einige starke Szenen, in der 44. Minute aber bewahrte der Pfosten das deutsche Team vor dem Rückstand, mehrfach flog der Ball zum Ende der ersten Halbzeit nur knapp am Tor vorbei. Wie eingespielt würde sich das Team präsentieren? Deutlich wurde nach starken Anfangsminuten mit Torchancen durch Alexandra Popp und Bayerns Sara Däbritz: Da ist noch viel Luft nach oben. Gerade zum Ende der ersten Halbzeit ging es chaotisch in der Abwehr zu, während in der Offensive über längere Phasen Ideenlosigkeit herrschte. Erst als die 19-jährige Giulia Gwinn in der 66. Minute einfach mutig von der Strafraumgrenze aufs Tor schoss, gab es das lang ersehnte Erfolgserlebnis. „Es ist toll, zum Auftakt der WM so ein Tor zu schießen. Das gibt Selbstvertrauen“, sagte die Spielerin des SC Freiburg, fügte aber hinzu: „Wir haben viel auf die Socken bekommen.“
„Wir alle können das noch besser“
Vor allem hatten sie selbst den Gegner stark gemacht. Die chinesischen Torchancen folgten meist auf individuelle Fehler. Sara Doorsoun, einst Spielerin in Essen und Wattenscheid, fabrizierte so einen, als sie in der 14. Minute einen langen Querpass spielte, der von Chinas Angreiferin Li Yang abgefangen und nur dank eines beherzten Einsatzes von Doorsoun noch neben das deutsche Tor abgefälscht wurde. „Ich weiß, dass ich solche Pässe nicht spielen darf“, sagte die Wolfsburgerin. „Aber ich habe es wieder gut gemacht. Das war definitiv nicht mein bestes Spiel. Aber hinten habe ich die Zweikämpfe gewonnen, die ich gewinnen musste. Aber: Wir alle können das aber noch besser.“
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So konnte Martina Voss-Tecklenburg letztendlich doch noch zuversichtlich Richtung der kommenden Aufgabe schauen. „Wir haben uns durchgebissen und uns mit dem verdammten Tor belohnt“, sagte die Bundestrainerin, die nach erfolgreicher Testphase nun auch ihr erstes Pflichtspiel gewonnen hat. „Es war nicht das schönste Spiel, aber vielleicht war der Start mit Widerständen sogar gut.“ Am Mittwoch geht es in Valenciennes gegen Spanien (18 Uhr/ZDF). Es wird wieder eines dieser Spiele sein, die erst einmal gewonnen werden müssen. Nach dem Wie fragt man dann hinterher.