Düsseldorf. Der 63-jährige Trainer Friedhelm Funkel führt mit Fortuna Düsseldorf die Zweitliga-Tabelle an. Ein Interview über Nagelsmann, Ismaik und mehr.

Friedhelm Funkel ist als Trainer ein Urgestein. Seit 1991 steht der 63-Jährige an der Seitenlinie eines Profivereins. Fortuna Düsseldorf ist sein zehnter Klub, und Funkel schreibt gerade eine aufregende Geschichte: Der Traditionsklub steht in der 2. Liga auf Platz eins. Kann Deutschlands Rekordaufstiegstrainer womöglich seinen sechsten Coup feiern? Was hält er vom Trainerjugendwahn? Wie geht er mit Profis um, die sich vor dem Anpfiff die Haare föhnen?

Herr Funkel, sind Sie überrascht über den Höhenflug?

Friedhelm Funkel: Mit Platz eins habe ich nicht gerechnet. Unser Saisonziel war, im oberen Tabellendrittel zu landen.

Was läuft entsprechend besser?

Funkel: Wir sind nicht sehr gut, aber gut. Unser Kader ist sehr ausgeglichen, wir haben Spielglück und sind vom Verletzungspech verschont geblieben. Ich konnte in neun Spielen neun unterschiedliche Mannschaften spielen lassen. Es fühlt sich gerade ausgezeichnet an.

Experten hatten Ihnen das nicht zugetraut. Sie gelten in Zeiten des Jugendwahns als antiquiert…

Funkel: Tatsächlich? Das können nur Leute behaupten, die keine Ahnung vom Fußball haben. Ich unterscheide mich kaum von einem Julian Nagelsmann in Hoffenheim. Auch ich rede mit meinen Spielern, bereite die Mannschaft mit Videoanalysen akribisch vor, tüftle an taktischen Dingen. Das habe ich übrigens immer so gehalten in meiner Trainerkarriere. Aber früher hat man nicht so einen Bohei darüber gemacht.

Sie haben neuerdings sogar einen Mentaltrainer…

Funkel: Und der ist top. Von ihm hole ich mir viele neue Eindrücke. Glauben Sie mir: Im Laufe der Karriere habe auch ich mich verändert.

Ärgert es Sie, wenn Trainer wie Nagelsmann oder Schalkes Domenico Tedesco, beide knapp über 30, als Trainer-Wunderknaben bezeichnet werden und bei Top-Klubs landen?

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Funkel: Nein. Das ist der Lauf der Zeit. Aber manchmal muss ich darüber schmunzeln, wie schnell das mittlerweile geht. Ich kann den jungen Trainern nur sagen: Erst nach sieben, acht Jahren weiß man, ob man tatsächlich ein guter Bundesligatrainer ist.

Was denken Sie, wenn sich Ihre jungen Spieler vor dem Anpfiff die Haare kämmen?

Funkel: Als ich spielte, waren unsere Frisuren eine Katastrophe, die Haare lagen kreuz und quer. Die Jungs heute laufen auf den Platz, als wenn es eine Modenschau wäre. Aber soll ich Ihnen etwas sagen?

Gerne.

Funkel: Die Zeiten haben sich geändert. Wenn ich vor dem Spiel die Kabine betrete, läuft Musik, die so schlimm ist, dass mir die Ohren schmerzen. So Gangsta Rap. Furchtbar. Wenn es nach mir ginge, würde Helene Fischer laufen. Aber dann würden die Spieler aus der Kabine flüchten.

Was treibt Sie an, ständig neue Trainerabenteuer einzugehen?

Funkel: Die Begeisterung. Ich bin ein fanatischer Fußballer, der diesen Sport liebt. Meine Spieler spüren, dass ein Vollblutfußballer vor ihnen steht, der weiß, wovon er spricht. Auch ich habe schon einmal als Spieler 0:7 verloren. Deshalb verstehe ich, wenn einer meiner Jungs auch mal danebenliegt.

Erfahrung ist also etwas, das klüger macht?

Funkel: Erfahrung gehört für mich zu einem guten Trainer dazu.

Wie kommen Sie damit zurecht, dass im Zuge des Transferwahnsinns auch mittelmäßige Spieler Millionen verdienen?

Funkel: Diese Entwicklung kann man nicht mehr stoppen. Vielleicht muss irgendwann der große Knall kommen, dass ein Investor plötzlich abspringt und der Klub gegen die Wand fährt.

Sie haben 2013 bei 1860 München unter dem jordanischen Investor Hasan Ismaik trainiert. Wie war das für Sie?

Funkel: Schlimm. Weil man als Trainer keine Entscheidungen treffen kann, ohne die Erlaubnis eines einzigen Mannes einzuholen. Das kann einen Klub kaputt machen. Deshalb ist die 50+1-Regelung ein Segen für den deutschen Fußball.

Wen haben Sie als Aufsteiger auf der Rechnung?

Funkel: Vor der Saison Union Berlin und Eintracht Braunschweig. Auch den VfL Bochum, weil er große Qualität hat. Die Bochumer werden auch noch weiter nach oben klettern. Überraschend hat sich Holstein Kiel festgesetzt. Und wir natürlich. Das kann gerne so bleiben.

Wie lange wird man Sie noch an der Seitenlinie sehen?

Funkel: Solange es mir Spaß macht. Momentan macht es mir sogar riesige Freude, weil Fortuna Düsseldorf ein geiler Klub ist.