Maria Alm. . Karim Haggui hat sich schon im Trainingslager zu einem Anführer gemausert. Bei Fortuna will er wieder das Gefühl haben, gebraucht zu werden.

Karim Haggui dirigiert. Mit den Armen. Mit seiner Stimme. Mit dem Herzen. „Ich liebe Kommunikation“, sagt Fortunas neuer Abwehrspieler. Lautlos Fußball spielen, das könne er nicht. Als Innenverteidiger sei es seine Pflicht, Kommunikation und Verantwortung innerhalb der Mannschaft zu übernehmen.

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Zuletzt war es still geworden um den lautstarken Dirigenten. Haggui und der VfB Stuttgart, der Tunesier im Schwabenland – das passte irgendwie nicht zusammen. Ein halbes Dutzend Bundesliga-Einsätze in den zurückliegenden zwei Jahren spiegeln nicht das Anspruchsdenken eines Führungsspielers wie Haggui wider. „Ich musste in Stuttgart stark bleiben, mit trotz der Umstände persönliche Ziele setzten.“ Das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, nicht dirigieren und kommunizieren zu können – zwei Jahre lang kämpfte der 31-Jährige nicht darum, Gegentore zu verhindern, sondern den Glauben an die eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Haggui will sein Niveau schnell zurückerlangen

Seit drei Wochen lebt er seinen Neuanfang beim Fußball-Zweitligisten in Düsseldorf. „Wenn ich gut arbeite, hart trainiere, dann werde ich hier eine faire Chance erhalten und auch etwas zurückbekommen“, ist sich Haggui sicher. „Wenn man endlich wieder Vertrauen spürt, wenn man merkt, dass man gebraucht wird, dann gibt mir das viel Power!“ Die Zeit in Stuttgart hat ihre Spuren hinterlassen. Die fehlende Spielpraxis wird sich wohl noch eine Zeit lang bemerkbar machen: „Ich weiß, dass ich noch viel Luft nach oben habe, mein Niveau aber schnell zurückerlangen werde, wenn ich Vertrauen und Spielzeit bekomme.“

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Kasserine ist weit weg von Stuttgart und negativen Gedanken. In der tunesischen Stadt sind für Haggui die Uhren stehen gebelieben. Wenn er durch die Straßen der 80000-Einwohner-Stadt schlendert, wird er immer noch erkannt und um Autogramme gebeten. Der letzte Besuch liegt gerade einmal ein Jahr zurück. Viele sehen in ihm immer noch den kleinen Jungen, der täglich mit seinen Freunden in den engen Gassen bolzte, und der von Kasserine aus in die große Fußball-Welt hinauszog. „Diese Stadt ist mein Leben“, sagt Haggui mit glänzenden Augen und seinem stets freundlichen Lächeln, „hier wurde meine Karriere geboren. Und die einstigen Sorgen um sein Heimatland sind inzwischen der Zuversicht gewichen. Als in Tunesien vor vier Jahren die Unruhen ausbrachen, machte sich Haggui ernsthafte Gedanken um seine Familie. „Die tunesische Regierung gibt sich Mühe, die Dinge in den Griff zu bekommen und für geordnete Verhältnisse zu sorgen“, sagt er, „es ist nicht gut, ständig in Angst zu leben. Das Land braucht Zeit, um Stabilität zu entwickeln.“

"Eigentore passieren nun mal"

Seit 2006 ist Deutschland sein Zuhause. Das erste Spiel? „In Düsseldorf. Mit Leverkusen gegen Schalke beim Liga-Cup.“ Eine Frage kann man Haggui aber nicht ersparen. Er weiß, was kommt und lächelt. „Eigentore passieren nun mal, ich werde deshalb meinen Spielstil nicht ändern.“ Vier Stück hat er bereits gesammelt, darunter ein Doppelpack beim legendären 3:5 gegen Borussia Mönchengladbach, als Hannover 96 gleich dreimal ins eigene Netz traf. Mittlerweile kann er darüber lachen. Eigentore, Stuttgart – all das ist inzwischen ganz weit weg.

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Ebenso wie die tunesische Nationalmannschaft. „Das Kapitel ist für mich beendet.“ Er will mehr Zeit für seine Familie haben und sich voll und ganz auf seine Aufgabe bei der Fortuna konzentrieren, wo aus dem Stuttgarter Bankdrücker in gerade einmal drei Wochen der neue, heimliche Dirigent geworden ist.