Danzig. . Das Halbfinale der Fußball-EM 2012 zwischen Deutschland und Italien ist auch ein Duell der Torhüter: Manuel Neuer und Gianluigi Buffon gelten als die Besten der Welt. Aber nur einer kann am Donnerstag der Held werden.
Der Mannschaftsbus steht schon abfahrbereit im Bauch der Arena. Aus einer Traube italienischer Spieler heraus löst sich Gianluigi Buffon. Er hat einen jungen Mann entdeckt, den er zum Abschied sprechen will, sprechen muss. Buffon setzt sich in Bewegung, bleibt vor Manuel Neuer stehen. Buffon redet, redet ohne Unterlass, tippt mit dem Zeigefinger immer wieder gegen dessen Brust. Und Manuel Neuer scheint mit jedem Wort, mit jedem Zeigefingertippen unbehaglicher zumute zu werden, so sehr, dass eigentlich nur noch opulente Schamesröte in seinem Gesicht fehlt. Wie ein kleiner Junge bleibt Manuel Neuer zurück, während Gigi der Große an jenem 9. Februar 2011 von dannen zieht.
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Die Fußball-Mannschaften von Deutschland und Italien, deren Torhüter Neuer und Buffon sind, spielten an diesem kalten Winterabend gegeneinander. Als Kulisse dieses Duells diente das Stadion in Dortmund, jener Ort also, der seit dem Weltmeisterschafts-Halbfinale 2006 für die wohl schmerzhafteste von vielen Niederlagen gegen Italien steht. Buffon war damals beim 0:2 nach Verlängerung nicht zu bezwingen, hatte mit seinen Reflexen und Rettungstaten die deutschen Angreifer schier in die Verzweiflung getrieben.
Löw attestiert Buffon "immer auf einem wahnsinnigen Niveau" zu sein
Die Neuauflage an gleicher Stelle endete mit einem 1:1. Neuer hielt, was es zu halten gab, bis er kurz vor Schluss doch noch einen Ball passieren ließ. Buffon beobachtete all die Paraden vom anderen Ende des Feldes aus und sah sich bestätigt in seiner Meinung, dass dieser Manuel Neuer sein legitimer Erbe als die Nummer 1 des Planeten sei. „Du bist derzeit der beste Torhüter der Welt“, hat Buffon vor dem Turnier gesagt. Ein Satz, der als Überschrift für die Szene von damals in Dortmund taugt.
Es ist die höchste Wertschätzung von einem, der vier Mal Welttorhüter des Jahres war, erstmals zu einem Zeitpunkt, als der Manuel Neuer noch als Fan beim FC Schalke 04 auf der Tribüne stand und zu Leuten wie Buffon ehrfürchtig aufschaute. 2003 nämlich. Neun Jahre später treffen beide im EM-Halbfinale von Warschau (20.45 Uhr/ ARD und im DerWesten-Ticker) aufeinander. Deutschland gegen Italien – ein Duell der Torhüter, ein Duell der besten Torhüter der Welt.
Buffon mag sich mit seinem Urteil festgelegt haben, viele andere tun sich schwer bei der Beantwortung der Frage nach dem Herrscher der Linie. Buffon? Neuer? Oder vielleicht doch der Spanier Iker Casillas? Ein Vergleich fällt schwer, das Torwartspiel hat sich verändert. Es geht nach wie vor darum, die Bälle zu halten, aber es geht auch darum, das Spiel der eigenen Mannschaft besser zu machen, schneller und sicherer. Bundestrainer Joachim Löw lobt Neuers „fußballerische Klasse“ und sein „offensives Spiel“ mit weiten Abwürfen in den Lauf des Mitspielers. Buffon attestiert er „immer auf einem wahnsinnigen Niveau“ und „die Ruhe selbst“ zu sein.
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Was er damit meint, ist am besten im Viertelfinale zu sehen gewesen. In den Sekunden vor dem finalen Drama namens Elfmeterschießen trat der „Portierone“ (Torwartgigant) dem Engländer Steven Gerrard gegenüber und machte sogar noch einen Scherz, über den er selbst freilich am meisten lachte, weil Gerrard ganz und gar nicht zum Lachen zu Mute war. Nicht in dem Moment größter Anspannung. Aber Gigi, der Zampano, ohne den Italien nur die Hälfte wert zu sein scheint, lachte – und hielt anschließend die entscheidenden Elfmeter.
Vor dem jetzigen Turnier wurde der Verdacht laut, Buffon sei in den italienischen Wett- und Manipulationsskandal verwickelt. Wie 2006. Im Turnier spielt das immer weniger eine Rolle, weil der alte Mann überragend hält. Wie 2006. Daher streben die Italiener nach dem Titel. Wie 2006. Manuel Neuer ist der, der das verhindern könnte mit Paraden, wie sie zum Beispiel Italiens Sturm-Diva Mario Balotelli noch in verhängnisvoller Erinnerung hat. Im Halbfinale der U21-EM vor drei Jahren scheiterte der Stürmer spektakulär an Neuer.
Einsame Kerle zwischen den Pfosten
Es sind diese Abende, an denen Torhüter über sich hinaus wachsen können. Diese einsamen Kerle, die zwischen ihren Pfosten stehen und deren Welt zwischen Heldenstatus und Trotteldasein nur wenig Spielraum lässt.
Die Konstellation heute Abend lässt allerdings nur Raum für einen Helden.