Krakau. Die Stimmung in der Squadra Azzurra vor der emotionsgeladenen Neuauflage des WM-Halbfinals von 2006 ist glänzend, und vor allem Trainer Cesare Prandelli gibt für den Erfolg buchstäblich alles. Prandelli ist verantwortlich für das, was Bundestrainer Joachim Löw voller Respekt „das neue Italien“ nennt.

„Magier“ Andrea Pirlo bekommt schon Küsschen von den Mannschaftskollegen, Trainer Cesare Prandelli läuft sich mitten in der Nacht die Füße wund: Die Italiener fiebern dem großen EM-Halbfinale gegen ihren Lieblingsgegner Deutschland entgegen und tun buchstäblich alles für den Erfolg - auf ihre ganz eigene Art.

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Die Stimmung in der Squadra Azzurra vor der emotionsgeladenen Neuauflage des WM-Halbfinals von 2006 ist glänzend. Da genügt ein Blick auf den Trainingsplatz in Krakau: Als sich die Ersatzspieler locker den Ball zupassen, albern die Elfmeter-Helden aus dem Viertelfinale gegen England auf der Ersatzbank herum. Und während Gianluigi Buffon Witzchen macht, setzt sich Leonardo Bonnuci neben Pirlo, legt dem genialen Regisseur liebevoll den Arm um die Schulter und herzt ihn innig. Der Lupfer-König, der im Elfmeterschießen gegen die Three Lions mit seinem ultracoolen Versuch noch Nerven aus Stahl bewiesen hatte, lächelt verlegen.

Etwas abseits davon beobachtete Cesare Prandelli die Szenerie, ernst, nachdenklich, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er schien schon über einem Ansatz zu brüten, wie das DFB-Team zu knacken sein könnte. „Deutschland hat eine solide Mannschaft. Wir müssen die Momente nutzen, in denen Deutschland schwächer sein wird. Jede Mannschaft hat solche Phasen“, sagte Prandelli, „aber sie sind stark, mit ihrem Regisseur Özil. Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir noch kreativer werden.“

Prandelli lässt risikoreich spielen

Prandelli ist verantwortlich für das, was Bundestrainer Joachim Löw voller Respekt „das neue Italien“ nennt. Der 54-Jährige lässt im Gegensatz zu fast allen seinen Vorgängern offensiv und risikoreich spielen, ohne dass sein Team jemals das Auge für taktische Disziplin verliert. „Die junge Generation liebt diesen Fußball“, sagt der Coach - also lässt er sie.

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Als der ruhige, stets höfliche Prandelli am Montag den Pressekonferenzraum im Casa Azzurra betrat, spendeten die Journalisten ihm anerkennend Beifall. Ihm selbst war das gar nicht recht, fast beschämt winkte er ab. Werte wie Zurückhaltung und Demut spielen für den Trainer, dessen Frau Manuela vor knapp fünf Jahren an Krebs gestorben ist, auch bei dieser EM eine wichtige Rolle.

Nach dem Viertelfinale gegen England pilgerte Prandelli bereits zum zweiten Mal während der EM zu Fuß zum 20 Kilometer entfernten Kloster Bielany, das von Mönchen des toskanischen Camaldolesi-Ordens geführt wird. Mit seinen Assistenten ging er früh morgens gegen vier Uhr los, direkt nachdem sie aus dem Spielort Kiew zurückgekehrt waren.

Pirlo, Buffon und De Rossi waren 2006 dabei

Als längst wieder die Sonne schien, kehrte die Gruppe ins Teamhotel Turowka in Wieliczka zurück. Wenige Stunden später saß Prandelli in Krakau in der Casa Azzurri und berichtete den Journalisten mit leuchtenden Augen über „das Match“, wie er das legendäre Viertelfinale zwischen Italien und Deutschland bei der WM 1970 in Mexiko bezeichnet. „Ich erinnere mich, dass ich das Spiel mit meinem Vater am Fernseher gesehen habe. Das war das aufregendste, was ich jemals erlebt habe“, sagte Prandelli.

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Damals unterlag die DFB-Elf mit 3:4 nach Verlängerung, und weder vorher noch nachher hat Italien jemals ein Spiel bei einem großen Turnier gegen Deutschland verloren. Natürlich soll dies nach dem Willen der Spieler auch so bleiben. „Deutschland hat ein großartiges Team, ihren Stil kann man mit dem der Spanier vergleichen. Aber wir können sie schlagen, natürlich können wir sie schlagen!“, sagte Daniele De Rossi.

Neben Pirlo und Buffon ist der Mittelfeldspieler vom AS Rom der einzige verbliebene Weltmeister von 2006 im Team. Von dem 2:0-Sieg nach Verlängerung im Halbfinale gegen den damaligen Gastgeber wird das Trio seinen jungen Mitspielern derzeit besonders gerne erzählen. (sid)