Essen. Im EM-Halbfinale trifft Deutschlands Abwehr auf die “Bad Boys“ aus Italien. Balotelli und Cassano sorgen auch neben dem Platz für Schlagzeilen. Die Stürmer bewegen sich zwischen Genie und Wahnsinn. Balotelli bot einer Frau 20.000 Pfund für deren Telefonnummer und beschmiss Kinder mit Dartpfeilen.
Eine geballte Ladung Exzententrik kommt im EM-Halbfinale auf die deutsche Abwehr um Mats Hummels und Holger Badstuber zu. Italiens Mario Balotelli und Antonio Cassano gelten als die "Bad Boys" unter den EM-Stürmern. Kein Skandal und kein Fettnäpchen lassen diese beiden Exzentriker außerhalb des Platzes aus. Und auch auf dem Spielfeld gelten beide als unberechenbar.
Balotelli flog etwa in den vergangenen zwei Jahren fünfmal bei Manchester City vom Platz. In der Premier-League-Partie zwischen Manchester City und Tottenham Hotspur hatte Balotelli den englischen Nationalspieler Parker Ende Januar gegen den Kopf getreten. Parker erlitt eine Risswunde, Balotelli wurde im Nachhinein anhand von TV-Bildern für vier Spiele gesperrt.
Cassanos Fehltritt mit Äußerung über Schwule
Antonio Cassano wurde mehrfach in seiner Karriere von Trainern wegen mangelnder Disziplin aus dem Spielerkader geworfen. Cassano gilt allerdings mittlerweile als geläutert und versucht sich als Teamspieler bei der EM zu präsentieren.
Wenn da nicht diese Pressekonferenz bei der EM 2012 gewesen wäre: "Ich hoffe, dass es bei uns im Team keine Schwulen gibt", sagte der 29-jährige Cassano - genau genommen benutzte er das derbe italienische Wort "frocio", das mit "Schwuchtel" wohl treffender übersetzt ist. Später entschuldigte Cassano sich, er habe "auf keinen Fall die sexuelle Freiheit einzelner Personen zur Diskussion stellen wollen." Wie eine Entschuldigung aus voller Überzeugung klang es nicht.
"Ich habe den Arsch nicht in Nutella"
Mal lässt er sich lachend in eindeutiger Pose mit Eckfahne zwischen den Beinen ablichten, mal liegt er gelangweilt auf der Trainingsmatte, während sich seine Kollegen mit Liegestützen quälen. Mario Balotelli ist immer für ein Foto gut. "Es gehörte schon richtig viel Mut dazu, Mario für die EM zu nominieren", hatte Nationaltrainer Cesare Prandelli vor dem Turnier gesagt - und einfach hat es ihm sein Schützling mit dem blondierten Irokesenschnitt bislang nicht gemacht. Das war aber auch nicht zu erwarten.
"Ich habe den Arsch nicht in Nutella", mit dieser kryptischen Aussage verblüffte Balotelli vor dem Viertelfinale gegen England die versammelten Medien und sogar Prandelli. Im Spiel zeigte sich der Angreifer dann zwar enorm engagiert, versemmelte aber Chance um Chance. Trotzdem hatte Balotelli im Elfmeterschießen den Mut, als erster anzutreten. Er verwandelte sicher.
Es sind Szenen wie diese, die Balotelli charakterisieren. Er ist ein schwieriger Charakter, empfindlich und aufbrausend, bisweilen naiv, oft eigensinnig und immer unberechenbar. Aber auch ein begnadeter Fußballer mit perfekter Ball- und Körperbeherrschung, immer wandelnd auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn.
Balotellis wütender Sturm in Richtung Trainerbank
Skandalnudel Mario Balotelli kann es einfach nicht lassen. Der italienische Stürmer hat mit einer unbedachten Aktion für heftigen Wirbel gesorgt. Beim 2:0 der italienischen Nationalmannschaft gegen Irland hatte sich der erst eingewechselte Balotelli nach seinem sensationellen Tor zum Endstand in Richtung Trainerbank gerichtet und gerade zu Beschimpfungen angesetzt. Mitspieler Leonardo Bonucci hielt ihm jedoch geistesgegenwärtig den Mund zu und verhinderte die Schimpftirade.
Der italienische Skandalstürmer Mario Balotelli hat sich bei Mitspieler Leonardo Bonucci für dessen "Mundschutz" im EM-Gruppenspiel gegen Irland (2:0) bedankt. "Er ist zu mir gekommen und hat Danke gesagt. Ich schätze es war gut, dass ich eingeschritten bin und Schlimmeres verhindert habe", sagte Bonucci.
Zwischen "Idiot" und "Herz aus Gold"
"Er ist ein Junge mit einem Herzen aus Gold" - mit diesen Worten verzieh Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli seinem Problemprofi den Vorfall im letzten EM-Gruppenspiel gegen Irland. Prandelli hält schon länger seine schützende Hand über den "Bad Boy". Auch bei Roberto Mancini, Balotellis Trainer beim englischen Meister Manchester City, weckt der Vollblutstürmer den Vaterinstinkt. Zwar habe er ihn nach einem Platzverweis auch schon mal "Idiot" genannt, und natürlich bringe Balotelli ihn mit seiner verrückten Art oft um den Verstand, 'aber ich liebe ihn, weil er ein guter Mensch ist', sagt Mancini.
Von seiner Pflegemutter ist Mario Balotelli einmal losgeschickt worden, um ein Bügelbrett zu kaufen - zurück kam er mit einem Trampolin und einer Carrera-Bahn. Auch heute noch macht Balotelli meist das Gegenteil von dem, was er eigentlich soll. Die Boulevardmedien lieben ihn dafür, und auch die Fans amüsieren sich insgeheim prächtig über die vielen Eskapaden der Skandalnudel. Nur seine Trainer verzweifeln, denn der italienische Nationalstürmer hat sein riesiges Talent noch nicht ansatzweise ausgereizt. Deswegen geben sie ihm eine letzte Chance. Und noch eine. Und eine allerletzte.
Balotelli schmiss Dartpfeile nach Jugendlichen
Die breite Öffentlichkeit hat eine andere Meinung, und daran ist der 21-Jährige zum großen Teil selbst schuld. "Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich kein böser Bube bin, sondern schüchtern", sagt er - um im nächsten Moment einer jungen Frau 20.000 Pfund für ihre Telefonnummer zu bieten. Balotellis Verhalten - zumindest das in der Öffentlichkeit - als exzentrisch zu bezeichnen, ist fast schon untertrieben.
Einmal hielt er mit seinem Bentley bei einer Schule in Manchester, nur um dort die Toilette aufzusuchen. Ein anderes Mal ließ er sich in Neapel mit Mafiabossen fotografieren. Balotelli hat es auch schon fertig bekommen, im dartverrückten England mit Dartpfeilen auf Jugendspieler zu werfen - aus Spaß. Darum dreht sich vieles in seinem Leben. Im Oktober 2010 wurde Balotelli im italienischen Brescia festgenommen, weil er mit seinem Luxus-Sportwagen auf das Gelände eines Frauen-Gefängnisses fuhr - angeblich wollte er eine Prostituierte beglücken.
Bei Rassismus dreht der exzentrische Italiener durch
Die Liste seiner kuriosen Verfehlungen ist lang, und man kann nur vermuten, welche Gründe hinter seinem Verhalten stecken. Der Sohn ghanaischer Einwanderer wurde von seinen leiblichen Eltern im Krankenhaus zurückgelassen, weil sie das Geld für die Magen-Behandlung des kleinen Mario nicht bezahlen konnten. Ein Jahr später nahm ihn die Pflegefamilie Balotelli zu sich auf. Den Kontakt zu seinen leiblichen Eltern lehnt er kategorisch ab.
Balotelli nimmt es ihnen übel, dass sie ihn alleine gelassen haben. Alleine mit den rassistischen Anfeindungen, die der dunkelhäutige Spieler seit seiner Kindheit erfährt. Auch bei der EM 2012 wurde Italiens Balotelli schon von kroatischen Fans wegen seiner Hautfarbe beleidigt. Dem Fachblatt France Football hatte er vor der EM gesagt: "Wenn mich jemand auf der Straße mit einer Banane bewirft, werde ich ins Gefängnis gehen müssen, weil ich denjenigen umbringen werde." Auch mit diesem Satz sorgte er für einen Skandal. (we/sid/dapd)