Warschau. Italien, der Angstgegner. Gegen keine andere europäische Nationalmannschaft hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eine so verheerende Bilanz wie gegen den Halbfinal-Gegner bei der Europameisterschaft. Doch die Gelegenheit zur Korrektur scheint günstig.

"Ginge es nach mir", sagt der italienische Nationalcoach Cesare Prandelli, "würden wir jedes Jahr gegen Deutschland spielen." Spiele gegen die großen Fußball-Nationen sind gute Tests, aber das meint Prandelli nicht. Die Squadra Azzurra, das weiß Prandelli wie jedes kleine Kind in Italien, kann gegen Deutschland nicht verlieren. Seit 17 Jahren, seit fünf Spielen hat eine DFB-Auswahl gegen den Halbfinal-Gegner bei der EM am Donnerstag in Warschau (20.45 Uhr/ARD und im Ticker bei uns) nicht gewinnen können. Bei Turnieren ist die Bilanz geradezu verheerend: kein Sieg bei sieben Vergleichen (drei Unentschieden).

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Selbst, dass erneut ein Manipulationsskandal Italiens Turnier-Vorbereitung gestört hatte, wird Deutschland nicht helfen. Zum einen hat die "Squadra" das Bohei um verschobene Spiele in positive Energie umgewandelt. Zum anderen zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher, dass Skandale im Vorfeld großer Turniere einen Erfolg der "Azzurri" geradezu garantieren. 1982 war das beim WM-Sieg in Spanien so, auch 2006 beim Triumph in Deutschland. In beiden Fällen beseitigte Italien auf dem Weg zum Pokal die deutsche Mannschaft. "Italien ist unser Angstgegner bei Turnieren", sagt Franz Beckenbauer. Aber, auch das sagt der "Kaiser": "Diesmal kann uns der Gegner eigentlich egal sein."

Nur vier Weltmeister von 2006 stehen im Kader

Zumal die italienische Mannschaft sich im Umbruch befindet. Nur noch vier Weltmeister von 2006 stehen im Kader, mit Torhüter Gianluigi Buffon und dem Regisseur Andrea Pirlo aber zwei Klassemänner. In Antonio Cassano und Mario Balotelli verfügt Italien über zwei zwar hoch veranlagte, aber auch äußerst exzentrische Stürmer. Prandelli ist es bisher gelungen, die beiden weitgehend im Zaum zu halten. Überhaupt gilt der Coach, der nach dem WM-Disastro 2010 mit dem Aus in der Vorrunde übernommen hatte, als Vater des "neuen Italiens".

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Dieses lässt er wahlweise im 3-5-2 oder im 4-2-3-1 agieren. Bei der EURO verunsicherte er mit seinem Fünfermittelfeld sogar Spanien. Der Welt- und Europameister kam zum EM-Auftakt gegen die Azzurri über ein 1:1 nicht hinaus. "Das ist mein Italien", verkündete Prandelli stolz.

Dennoch, meint er, haben der Titelverteidiger und die DFB-Elf seinem Team noch etwas voraus. "Wir sind nicht die beste Mannschaft im Turnier, aber wir wollen eine der besten Europas werden, wie es Italien immer war. Aber um auf dieses Niveau zu kommen, fehlt uns noch ein letzter, kleiner Schritt."

Das letzte Duell im Februar 2011 endete 1:1

Beim bislang letzten Duell, einem 1:1 in Dortmund im Februar 2011, fanden die Italiener die bei der WM verlorenen "Würde zurück", wie Tuttosport damals kommentierte. Die deutschen Spieler waren gleichwohl nicht so überzeugt von ihrem Gegner. "Wäre es um Punkte gegangen, hätten wir die geschlagen", sagte Mesut Özil. Den Beweis wollen er und seine Kollegen in Warschau erbringen. (sid)