Warum Bundestrainer Löw nach der EM-Gala tobte

Essen. Nach dem 4:2-Erfolg im EM-Viertelfinale gegen Griechenland schwärmte Bundestrainer Joachim Löw von der “tollen Leistung“ der “jüngsten Mannschaft mit großen Perspektiven“. Aber er tobte, weil seine Mannschaft Chancen ausließ - und die überraschende Aufstellung schon Stunden zuvor öffentlich wurde.

Griechenlands Trainer ist ein an Lebensfalten reicher Typ, der die dunklen Winkel des Fußballgeschäftes kennt. Nach dem mit einer 2:4-Niederlage gegen Deutschlands Nationalelf besiegelten EM-Aus verfügte der Verlierer Fernando Santos deshalb über das feinsinnige Gespür dafür, sich ausgerechnet mit den Problemen des glorreichen Siegers Joachim Löw zu beschäftigen. Die Startelf, mit der der Bundestrainer ihn überraschen wollte, hatte er nämlich „erwartet“, weil die Spielernamen bereits mehr als acht Stunden vor Anpfiff durch die Medienlandschaft geisterten: „Wir könnten darüber spekulieren“, erklärte Santos, „wie es gewesen wäre, wenn es nicht so gelaufen wäre.“

Vierter Halbfinaleinzug in Folge - 15. Sieg in Folge in einem Pflichtspiel

Nicht so gelaufen bedeutet: wenn der Maulwurf im deutschen Team oder in der deutschen Crew Griechenland auf die Gewinnerseite geschaufelt hätte. Nicht so gelaufen bedeutet: wenn Philipp Lahm, Sami Khedira, Miroslav Klose und Marco Reus die Titeljäger mit ihren Treffern nicht weitergebracht hätten. Löw zeigte sich am Ende natürlich zufrieden. Der Einzug ins Halbfinale der EM war mit dem Erfolg von Danzig souverän bewältigt worden. Sein Ensemble hatte die Griechen fast über die gesamte Spielzeit hinweg unter dem Daumen gehabt. Aus Historiker-Sicht gab es Beeindruckendes zu vermelden. Vierter Halbfinaleinzug in Folge. WM 2006, EM 2008, WM 2010, EM 2012. 15. Sieg in Folge in einer Pflichtpartie. Weltrekord. „Ich bin stolz, eine tolle Leistung“, lobte der Bundestrainer.

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So emotional erlebt man Löw selten, wenn er nicht gerade beobachten muss, wie beste Chancen an den Nachthimmel geschossen werden. Auch das hatte die Partie zu bieten. Einen Bundestrainer, der seine konservativ grundierte Berechenbarkeit hinter sich gelassen und drei von vier Offensivspielern, die sieg- und torreich aus drei Vorrundenpartien hervorgegangen waren, einfach auswechselt hatte. Miroslav Klose für Mario Gomez. Andre Schürrle für Lukas Podolski. Marco Reus für Thomas Müller. Und dann: Dass alles funktionierte auf dem Feld, sich das aber nicht in statistischen Werten ausdrückte

Als Löw am Rasenrand tobte, ließ er also mehr als den üblichen Druck ab. Wäre sein Wagemut nicht belohnt worden, hätten die Kritiker ihn zur Verantwortung gezogen. Das war ihm klar. Gewinnerteam verändert. In diesem so wichtigen Spiel. Unglaublich. Santos hat diese Gefahr erkannt. Auf die Bundestrainer-Variationen, berichtete er, habe er die Mannschaft einstellen können. Und wenn seine Griechen siegreich gewesen wären, welche Folgen hätte das für den Kollegen gehabt?

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Bundestrainer Joachim Löw während des Trainings.

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Von Frank Lamers

Für eine Taktikumschulung befand sich die Kunde von den spektakulären Wechseln eben absolut ausreichend lange auf der Reise durch das weltweite elektronische Netz. Und schon vor der ersten Vorrundenpartie gegen Portugal war sehr, sehr frühzeitig die Nachricht unterwegs gewesen, dass Mario Gomez statt des allseits erwarteten Miroslav Klose die Spitze des Sturms bilden würde. Gerätselt wird darüber, wo sich das Leck befinden könnte. Haben Spieler mit Familie, Freunden, Beratern gesprochen? Hat dann jemand die Information weiter getragen? Schürrle verkündete: „Ich glaube nicht, dass es jemand aus der Mannschaft war.“ Kapitän Lahm wies darauf hin, dass sich „natürlich ein Vorteil“ für den Gegner ergeben habe, und führte dem Maulwurf seine Verantwortung „für die Nation, die mitfiebert“ vor Augen: „Das hat derjenige nicht verstanden.“

Wer ist der Maulwurf?

Wenn am Donnerstag der Halbfinalanpfiff in Warschau immer näher und näher herantickt, wird man darauf achten müssen, bei welchem Zeigerstand neue Löw-Variationen zu vernehmen sein werden. Vielleicht doch wieder mit Gomez, mit Podolski, mit Müller? Dabei handelt es sich nicht mehr allein um eine sportliche Frage. Lahm erinnerte daran, dass der Aufbau einer bedeutenden Mannschaft über Jahre hinweg geschehen müsse. Es geht also auch um die Zukunft. Und die dürfte Löw im Blick gehabt haben, als er angefressen anmerkte: „Das ist nicht in meinem Sinne.“ Weil schon ein einziger Maulwurf der Schönheit eines Gartens mächtig schaden kann.