Essen. TV-Sender und Printmedien holen sich sachkundige Hilfe. Es wird viel geredet während der Fußball-EM, geschwafelt und erklärt, substanzielle Weisheiten ebenso wie hanebüchener Nonsens. Seltene Aufregung um Mehmet Scholl.
"Es gibt keine Erlaubnisprüfungen die zum Führen eines Titel "Experte" befähigen." So heißt es beim Online-Lexikon Wikipedia. Und deshalb tummeln sich in diesen Tagen zahlreiche ehemalige Fußballspieler und Trainer als Begleiter von Moderatoren im Fernsehen, verfassen Kolumnen (oder lassen sie verfassen) und sitzen in Talkrunden. Es wird viel geredet während der Fußball-EM, geschwafelt und erklärt, substanzielle Weisheiten ebenso wie hanebüchener Nonsens.
Umso aufsehenerregender war es, als Mehmet Scholl in erfrischender Ehrlichkeit nach dem Auftaktspiel der deutschen Mannschaft den Siegtorschützen Mario Gomez wegen seiner Laufleistung kritisierte. Scholl hat einen Trainerschein, er versteht etwas von Spielanalyse. Und er hat in der ARD getan, was ein TV-Experte tun soll: seine Meinung sagen. Dass er sich dabei in der Wortwahl vergriffen hat, ist ein anderer Aspekt.
Olli Kahn wirkt verkniffen
Olli Kahn hat im ZDF augenscheinlich andere Probleme, als eine flapsige Sprache. Wenn der Titan auf der künstlichen Blumeninsel am Strand von Usedom im Zwiegespräch mit Katrin Müller-Hohenstein seine Meinung zum Besten gibt, dann scheint ihm nicht selten die tiefstehende Sonne in die ohnehin oft blinzelnden Augen. Kahn wirkt verkniffen. Und wenn er dann noch zum twittern genötigt wird, bei 13 Grad und kaltem Ostseewind, dann braucht es schon die Disziplin eines Hochleistungssportlers um das Expertentum anständig durchzuhalten.
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Nicht weniger diszipliniert arbeitet derweil der "Capitano". Michael Ballack ist für ESPN in den USA tätig. Neun Stunden täglich steht er bereit. Ist dafür nach Neu England gereist und kann seine Tätigkeit dort mit Besuchen in New York, Boston und eventuell der Suche nach einem Verein in der Major League Soccer verbinden. "Ballack ist sehr vorsichtig, weil er nichts Falsches sagen möchte", sagt ESPN-Produktionschef Jed Drake der "Sport-Bild". Dann ist er offenbar ganz er selbst. Wie Scholl. Jedenfalls vor der allgemeinen Empörung über sein Gomez-Bashing.
Was ist eigentlich Waldis Club?
HSV-Sportchef Frank Arnesen ist für das dänische Fernsehen in Polen und der Ukraine unterwegs. Die ARD ließ Hannovers Trainer Mirko Slomka einfliegen und Kaiserslauterns Meisterspieler Miroslav Kadlec beim Tschechien-Spiel im Regen stehen. Im Frühstücksfernsehen gibt Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah seine Meinung ab. Selbst Lothar Matthäus ist mal wieder gefragt. Und wer im Fernsehen nicht zum Zuge kommt, der geht halt ins Internet. Wie der kurz vor dem Turnier aussortierte Dennis Aogo, der in Hamburg beim Fan-Blog "Matz ab" per Video-Übertragung auftrat.
Bleibt noch Waldis Club "live aus dem Bayerischen Bahnhof in Leipzig". Da weiß man nie so recht, was das eigentlich ist. Expertenrunde oder Comedy, und meinen die eigentlich ernst, was sie da anbieten? Tatsächlich lockt Waldemar Hartmann regelmäßig große Namen an seinen Bier- und Brezn-Tisch. Am 17. Juni kommt sogar Karl-Heinz Rummenigge vorbei. Da könnte man interessante Gespräche führen. Aber wenn es dort mal wirklich sachlich wird, dann grätscht meist Matze Knoop dazwischen und gibt vor, ein Parodist zu sein.
So bleibt von dieser mitternächtlichen Veranstaltung bisher vor allem die vollkommen berechtigte Expertenfrage der TV-Moderatorin Bettina Tiedje in Erinnerung: "Warum eigentlich sind die Trikots von Arjen Robben immer so eng?" (dapd)