Kiew. . Die Duelle deutscher Nationalmannschaften mit denen der Niederlande waren lange geprägt von gegenseitiger Abneigung bis hin zu offenem Hass. In der jüngeren Vergangenheit hat sich das Verhältnis aber entspannt.

Das Trikot von Olaf Thon am Hintern von Ronald Koeman oder Frank Rijkaards „Lama“-Spucke im wallenden Haar von Rudi Völler - jeder Fußball-Fan in Deutschland und den Niederlanden kennt diese Szenen. Das Duell der Nachbarn war lange geprägt von tiefer gegenseitiger Abneigung bis hin zu offenem Hass. „In den 1980er Jahren war das fast so etwas wie Krieg, da wurden Feindbilder aufgebaut“, sagt Oliver Bierhoff, Manager der deutschen Nationalmannschaft.

Mittlerweile hat sich die Beziehung entspannt, auch und vor allem auf dem Rasen. Wie weit es gekommen ist, verdeutlichen Aussagen Hans van Breukelens, jenem Torwart, der Völler im WM-Halbfinale 1990 noch mit grimmigem Blick am Ohr packte. „Ich bin verliebt in euch Deutsche“, sagte er dem Fußball-Magazin 11Freunde, das DFB-Team von Bundestrainer Joachim Löw habe so gar nichts mehr gemein mit den „deutschen Panzern“ von einst. „Ihr spielt holländisch und wir deutsch“, sagt van Breukelen. - Ein Rückblick auf historische Duelle:

7. Juli 1974, WM-Finale in München, DFB-Niederlande 2:1 (2:1)

Die Niederlande um „König“ Johan Cruyff gehen als klarer Favorit ins Spiel, ihr „Voetbal total“ begeistert Fans und Experten. Tage vor dem Endspiel haben der König und seine Prinzen Besuch von weiblichen Fans im Trainingslager in Hiltrup bei Münster - und die Bild veröffentlicht vielsagende Fotos der Stars mit den Schönheiten am Pool. Frau Cruyff sieht die Aufnahmen und macht ihrem Johan in der Nacht vor dem Finale die Hölle heiß. Die Elftal um Cruyff verliert, die „Hiltruper Mädchen“ und eine angebliche Schwalbe von Bernd Hölzenbein vor Paul Breitners Elfmeter zum 1:1 waren Schuld. Sagen die Niederländer. „München „74“ wird zum Trauma, das - so sagen viele Niederländer - neben der Besatzungszeit (1940-45) die hitzige Atmosphäre von 1988 erklärt.

18. Juni 1978, WM-Zwischenrunde in Cordoba, DFB-Niederlande 2:2 (1:1)

„Fußball ist Krieg“, hat der große niederländische Trainer Rinus Michels mal gesagt. 1974 hatte er seinen Krieg verloren, 1978 konnte er ihn nicht mehr gewinnen - Ernst Happel, der ewige Grantler, hatte ihn beerbt. Deutschland führt nach Toren von Rüdiger Abramczik und Dieter Müller 2:1, ehe Rene van de Kerkhof den Traum von der erfolgreichen Titelverteidigung quasi beendet.

14. Juni 1980, EM-Vorrunde in Neapel, DFB-Niederlande 3:2 (1:0)

Spielplan und Ergebnisse der Euro 2012
Spielplan und Ergebnisse der Euro 2012

Deutschland führt 3:0, hat den Final-Einzug vor Augen, als der 19-jährige Lothar Matthäus sein Debüt feiert (73.). Er kommt für Kapitän Bernard Dietz, der unlängst zugab, eine Verletzung simuliert zu haben, um dem Ausnahmetalent zur Premiere zu verhelfen. „Schwupps, nach drei Minuten hatte er den ersten Holländer umgelegt“, erinnert sich Trainer Jupp Derwall später an die Szene, in der Matthäus den Elfmeter verursachte, der zum 1:3 führte. Es reicht aber, Deutschland gewinnt später gegen Belgien den zweiten EM-Pokal. Doch Matthäus muss bis zum 18. November 1981 auf sein zweites Länderspiel warten.

21. Juni 1988, EM-Halbfinale in Hamburg, DFB-Niederlande 1:2 (0:0)

Das Hass-Spiel. „Wir fressen sie auf!“, brüllt Oranje-Kapitän Ruud Gullit vorher, Abwehrchef Ronald Koeman ist im Siegesrausch derart aufgeladen, dass er sich mit Thons Trikot den Allerwertesten abwischt, auf der Tribüne zeigt ein Radioreporter den deutschen Kollegen sein entblößtes Hinterteil. „Lothar, alles ist vorbei“, singt die Elftal in der Kabine, als Franz Beckenbauer zum Gratulieren kommt. Michels, mittlerweile wieder im Amt, bekommt endlich seinen Sieg, in der Heimat kommt es zur größten Massenkundgebung seit der Befreiung von den Nazis 1945. De Telegraaf titelt: „Endlich Rache!“ Und der Poet Jules Deelder schreibt: „Sie, die fielen, erhoben sich jauchzend aus ihrem Grab.“

24. Juni 1990, WM-Achtelfinale in Mailand, DFB-Niederlande 2:1 (0:0)

Seit „Hamburg „88“ ist die Atmosphäre vergiftet, zwei Duelle in der Quali zur EM verstärkten dies. „Wir waren wie ein bisschen wie Kain und Abel, Brüder die sich gegenseitig fertigmachen“, sagt van Breukelen. Rijkaard spuckt zwei Mal in Völlers Lockenpracht, das ganze Spiel ist ein Skandal. Sechs Jahre nach „Mailand „90“ versöhnen sich das“Lama“ und sein Opfer bei einem Frühstück auf Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach, das eine Molkerei-Firma werbewirksam in Szene setzt. Rijkaard räumt ein, dass er damals wegen „privater Probleme“ überreagiert habe, Völler akzeptiert die Entschuldigung. „Die Gage ging an die deutsche Mexikohilfe, damit war der Fall für mich erledigt“, sagt er.

18. Juni 1992, EM-Vorrunde in Göteborg, DFB-Niederlande 1:3 (0:2)

Michels“ Elftal demontiert die Mannschaft von Berti Vogts, der Völler und Matthäus fehlen, nach allen Regeln der Kunst. Die Deutschen kommen trotzdem ins Finale, wo sie sich gegen Außenseiter Dänemark blamieren.

15. Juni 2004, EM-Vorrunde in Porto, DFB-Niederlande 1:1 (1:0)

Nach vier „Freundschaftsspielen“ (der heutige Kapitän Mark van Bommel sagt, dass „es sowas zwischen Deutschland und uns gar nicht gibt“) kommt es erstmals wieder zu einem Turnier-Duell. Die Schweizer Weltwoche schreibt vor dem Spiel vom „dreißigjährigen Krieg, 1974 bis 2004“. Völlers Rumpeltruppe spielt gut, doch weil Fabian Ernst die Flanke von Andy van der Meyde nicht verhindert, kommt die Elftal durch Ruud van Nistelrooy noch zum Ausgleich (81.).

15. November 2011, Freundschaftsspiel in Hamburg, DFB-Niederlande 3:0 (2:0)

„Krieg gibt es keinen mehr, ich habe da eher Freunde wie Nigel de Jong“, sagt Jerome Boateng vor dem Spiel, das die „Holländer“ im DFB-Dress nach einer Glanzleistung gewinnen. Auf die Frage, ob Deutschland jetzt das neue Holland sei, antwortet Bierhoff: „Nein, das wollen wir gar nicht, sonst werden wir ja immer nur Zweiter bei großen Turnieren.“