Essen/Kopenhagen. Christian Eriksen geht es besser. Von diesem Tag bleiben Helden zurück. Und eine Frage: Hätte die Partie fortgesetzt werden dürfen?
Es sei das schönste gewesen, Christian wieder lächeln zu sehen, erzählte Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand am Sonntagnachmittag. Als er auf einer Pressekonferenz eine Nacht nach dem dramatischen Zusammenbruch von Christian Eriksen bei der EM 2021 vom Gesundheitszustand seines Spielers berichtete, dem es den Umständen entsprechend „okay“ gehe.
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Schon am Morgen schaltete sich die dänische Nationalelf per Video in das Krankenhauszimmer ihres Kollegen und da habe Eriksen lachen können, so Hjulmand. Gerade durch dieses Gespräch sei die Entscheidung gereift, bei dem Turnier für den Mitspieler weiterzuspielen
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Zuvor hatte die Zeit beim Spiel gegen Finnland (0:1) stillgestanden, als der dänische Nationalspieler am Samstag in der ersten Halbzeit kollabiert war. Die Notärzte kämpften mit Herzdruckmassagen um sein Leben, vor dem Fernseher bangten Millionen Menschen mit. Die Mitspieler, viele mit Tränen in den Augen, bildeten einen Sichtschutz um Eriksen. „Er war schon weg. Es war ein Herzstillstand“, sagte Dänemarks Mannschaftsarzt Martin Boesen am Sonntag. „Wir haben es geschafft, ihn zurückholen.“ Vermutlich war Grund für den Herzstillstand ein Herzinfarkt.
Drama um Christian Eriksen: 50 Minuten bangen
Erst nach knapp 50 Minuten wurde der 29-Jährige unter dem Applaus der Zuschauer vom Rasen transportiert und ins Krankenhaus gebracht. Das Spiel blieb für 107 Minuten unterbrochen, wurde dann fortgesetzt. Joel Pohjanpalo köpfte das Tor für EM-Neuling Finnland (60.), Lukas Hradecky entschärfte einen Elfmeter von Pierre-Emile Hojberg (74.). Das sportliche Geschehen rückte jedoch weit in den Hintergrund. Von diesem Tag in Kopenhagen bleiben vor allem Helden wie Dänemarks Kapitän Simon Kjaer und Mannschaftsarzt Boesen. Zudem drängt sich eine Frage auf: Hätte die Partie überhaupt wieder angepfiffen werden dürfen?
Drama um Christian Eriksen: Uefa verweist auf Statuten
„Wenn ich zurückblicke, war es aus meiner Sicht die falsche Entscheidung“, sagte Hjulmand. Als einzige Alternative zur Fortsetzung der Partie am Samstagabend hatte die Uefa einen Nachholtermin am Sonntag um 12 Uhr angeboten. „Die Spieler waren unter Schock und sollten dann aus diesen zwei Alternativen entscheiden. Vielleicht hätten wir einfach in den Bus steigen sollen und dann gucken, was am nächsten Morgen ist“, erklärte Dänemarks Trainer.
Sportdirektor Peter Möller meinte, dass er zwar keinen Druck der Uefa gespürt habe, aber er müsse im Nachhinein klar sagen, „es war nicht die richtige Entscheidung weiterzuspielen“. Generell müsse man „nachdenken, was man in Zukunft in so einer Situation macht“.
Der Europäische Fußballverband verwies nach der aufkommenden Kritik von vielen Seiten auf seine Statuten, nach denen ein Spiel grundsätzlich am nächsten Tag fortgesetzt werden muss. Ist dies nicht möglich, muss der Nachholtermin möglichst zeitnah erfolgen. Während der EM knubbeln sich jedoch die Partien im Kalender. Die Finnen treten bereits am Mittwoch (15 Uhr) gegen Russland an, das nächste dänische Spiel gegen Belgien soll am Donnerstag (18 Uhr) ausgetragen werden.
Drama um Christian Eriksen: Simon Kjaer hilft seinem Freund
Auf dem Platz war der dänischen Mannschaft der Schock jedenfalls anzumerken. Simon Kjaer bat in der zweiten Halbzeit sogar um seine Auswechslung, zuvor aber hatte sich der dänische Kapitän zu einem der Helden entwickelt.
Nach dem Zusammenbruch legte Kjaer seinen Freund Eriksen in die stabile Seitenlage, verhinderte, dass dieser seine Zunge verschlucken konnte. Er tröstete Eriksens heranstürmende Freundin, die zunächst von Ordnern aufgehalten wurde. Und er brachte seine Mitspieler dazu, einen Sichtschutz um den um sein Leben kämpfenden Kollegen zu bilden. Der 32-jährige Kjaer steht beim AC Mailand unter Vertrag, dem Stadtrivalen von Eriksens Verein Inter Mailand. „Sie sind sehr enge Freunde“, sagte Trainer Hjulmand.
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Die Dänen pausieren nun vorerst mit dem Training. Die Spieler erhalten psychologische Hilfe. Stars wie Portugals Cristiano Ronaldo unterstützten Christian Eriksen in den sozialen Medien. Der Deutsche Fußball-Bund veröffentlichte ein Foto, auf dem die gesamte Nationalelf vor einem Bild von Eriksen posiert. „Wir sind in Gedanken bei Dir“, schrieb der DFB dazu.
Schon am Donnerstag muss Dänemark wieder spielen. Viel bedeutender aber sind die Worte von Mannschaftsarzt Boesen über die Tests mit Christian Eriksen. „Sie waren alle gut“, sagte Boesen.