Essen. Der Kollaps des dänischen Profis Christian Eriksen erinnert an tödliche Herzerkrankungen. Wie sie entstehen und wie sie sich verhindern lassen.

Am Tag nach dem EM-Spiel gegen Finnland meldete sich der dänische Nationalspieler Christian Eriksen bei seiner Mannschaft. Laut dänischem Verband sendete er aus dem Krankenhaus eine Botschaft. Dem 29-Jährigen Fußball-Star gehe es „den Umständen entsprechend okay“, sagte Mannschaftsarzt Morten Boesen am Sonntagnachmittag. Das war die wichtigste Nachricht nach den schrecklichen Bildern am Samstag.

Fall erinnert an Michael Goolaerts

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Der Mittelfeldspieler von Inter Mailand war auf dem Spielfeld zusammengebrochen und musste wiederbelebt werden. Zu den genauen Ursachen konnte Boesen am Sonntag nichts sagen. DFB-Mannschaftsarzt Tim Meyer wollte über das Geschehene nicht spekulieren, sagte am Sonntag: „Es lagen ganz offensichtlich akute Herzrhythmusstörung vor, es sah aus wie Kammerflimmern.“

Der Zusammenbruch erinnert an den Tod des Radfahrers Michael Goolaerts. Das belgische Talent war 2018 beim Klassiker Paris-Roubaix zusammengebrochen. Goolaerts starb mit 23 Jahren an einem Herzinfarkt. Profisportler sind von den Gefahren eines plötzlichen Herztodes nicht ausgenommen. Prof. Dr. Christoph Hanefeld, Facharzt für Kardiologie am Katholischen Klinikum Bochum, betont nach den schrecklichen Bildern aus Kopenhagen aber: „Wenn so etwas Dramatisches passiert, denken viele, Sport sei gefährlich. Aber das trifft in dieser Form nicht zu.“

Plötzlicher Herztod: 300 Fälle in fünf Jahren

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Der 51-Jährige verweist dafür auf eine Statistik: „Das deutsche Register für plötzliche Herztode beim Sport listet in einem Fünf-Jahres-Zeitraum cirka 300 Fällen auf. Lediglich vier entfielen auf Spitzensportler. Der große Anteil entfällt auf Freizeitsportler. In Deutschland sterben jährlich insgesamt circa 65.000 Menschen am plötzlichen Herztod. Das entspricht 20 Prozent aller durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachter Todesfälle. Nie vergessen sollte man: Sport ist absolut gesund, seine präventive Funktion ist von hoher Bedeutung.“ Der plötzliche Herztod komme nur bei 0,7 bis 3 Prozent pro 100.000 Sporttreibenden vor. Betroffen seien vor allem Männer. Das Durchschnittsalter betrage 47 Jahre.

Prof. Dr. Christoph Hanefeld, Facharzt für Kardiologie am Katholischen Klinikum Bochum
Prof. Dr. Christoph Hanefeld, Facharzt für Kardiologie am Katholischen Klinikum Bochum © Katholisches Klinikum Bochum

Herzprobleme scheinen die Betroffenen meist völlig überraschend zu ereilen. Was passiert im Inneren des Körpers? Hanefeld erklärt den Ablauf so: „Viele wissen nicht, dass unser Herz einen eigenen Herzschrittmacher hat, den sogenannten Sinusknoten. Verschiedene Umstände können dazu führen, dass dieser geregelte elektrische Ablauf gestört wird und im schlimmsten Fall in eine sogenannte chaotische elektrische Erregung übergeht, das sogenannte Kammerflimmern. Das Blut zirkuliert nicht mehr richtig, der Betroffene verliert das Bewusstsein.“ So war es auch bei Eriksen zu sehen. In der 43. Minute sank der dänische Spieler zu Boden und blieb reglos liegen.

Plötzliche Herztod lässt sich nicht immer verhindern

Bei den Ursachen für Herzerkrankungen müssten im Wesentlichen zwei Gruppen unterschieden werden, sagt der Bochumer Arzt. „Bei den unter 35-Jährigen sind in den meisten Fällen strukturelle Herzerkrankungen ursächlich – zum Beispiel angeborene Herzmuskel- oder Klappenerkrankungen sowie Leitungsstörungen. Bei den über 35-Jährigen ist die sogenannte Koronare Herzkrankheit mit der Folge einer akuten Durchblutungsstörung mit Verschluss von Herzkranzgefäßen häufig die Ursache.“ Eine weitere Ursache in allen Altersgruppen würden Herzmuskelentzündungen darstellen. Eine Myokarditis werde oft durch Atemwegserkrankungen ausgelöst – dann wenn Viren auch das Herz befallen. Betroffene schildern, dass sie vor einiger Zeit einen Schnupfen oder Husten hatten. In Folge der Erkrankung entzündete sich der Herzmuskel – unbemerkt. Im schlimmsten Fall droht der plötzliche Herztod.

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Damit es nicht so weit kommt, empfehlen Mediziner wie Hanefeld regelmäßige Untersuchungen. Das Klinikum Bochum etwa arbeitet mit dem Bundesliga-Aufsteiger VfL Bochum zusammen. Dessen Jugendspieler würden ein EKG machen. Sei das Ergebnis auffällig, müssten weitere Untersuchungen folgen. Hanfeld: „Verhindern lässt sich der plötzliche Herztod allerdings nicht immer. Eine Myokarditis kann auch unbemerkt entstehen.“ Profisportler sollten deshalb weitere Tests wie ein Belastungs-EKG machen.

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Schnelles Handeln entscheidend

Bricht ein Spieler auf dem Platz ein, sei schnelles Handeln entscheidend. „Man muss schnell reagieren, wie es die Mannschaft des dänischen Nationalspielers Christian Eriksen gemacht hat. Unser sauerstoff-sensibelstes Organ ist das Gehirn. Wenn es nicht mit Sauerstoff versorgt wird, können schon nach sieben bis acht Minuten irreversible Schäden entstehen. Deshalb ist die Herz-Lungen-Wiederbelebung so wichtig. Die Herzdruckmassage hält den Blutkreislauf aufrecht. Um das Kammerflimmern zu beenden, bedarf es eines elektrischen Impulses. Es braucht also beides: Die Herzdruckmassage und den Defibrillator.“

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