Evian-les-Bains. Nationalspieler Jonas Hector spricht im Interview unter anderem über den Achtelfinalgegner Slowakei und einen möglichen Wechsel nach der EM.
Jonas Hector ist immer noch ein schüchterner Mensch, obwohl er jetzt ein gestandener Nationalspieler ist. Aber so auffällig der Kölner Linksverteidiger auf dem Rasen spielt, so zurückhaltend agiert er daneben. Vor dem Achtelfinale gegen die Slowakei am Sonntag (18 Uhr/ live bei uns im Ticker) spricht der 26-Jährige über seinen ungewöhnlichen Karriereweg, die EM als Bühne und eingerostetes Französisch.
Herr Hector, viele fragen sich, wie es sein kann, dass Sie der einzige Nationalspieler sind, der seit einem Jahr in jedem Länderspiel von Anfang an dabei ist. Haben Sie eine Erklärung?
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Jonas Hector: Ich hoffe, dass der Bundestrainer eine gute Erklärung hat.
Kann es daran liegen, dass die linke Abwehrseite seit Philipp Lahms Wechsel vor Jahren nach rechts immer als Problemposition in der Nationalmannschaft gesehen wurde, die nun besetzt ist?
Hector: Das wäre natürlich toll, wenn ich mich dauerhaft hinten links etablieren könnte. Aber ich muss Ihnen trotzdem widersprechen…
Nur zu…
Hector: Vor zwei Jahren sind wir Weltmeister mit Benedikt Höwedes als linkem Verteidiger geworden. So groß kann das Problem hinten links also nicht gewesen sein.
Höwedes war eine Turnierlösung. Davor und danach hat er kaum für Deutschland hinten links verteidigt.
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Hector: Stimmt. Aber die Turnierlösung hat funktioniert. Unabhängig vom Turnier will ich mich natürlich auf dieser Position festbeißen. Ich will mich hier in Frankreich beweisen und etablieren.
Joshua Kimmich hat neulich verraten, dass er sich YouTube-Videos von Philipp Lahm anschaut, um sich Anschauungsmaterial für seine Rolle als Rechtsverteidiger zu besorgen. Wen googeln Sie?
Hector: Ich schaue schon genau hin, wie andere Spieler die Rolle des Linksverteidigers interpretieren. Barcelonas Jordi Alba zum Beispiel. Oder Luís Felipe, der es bei Atlético Madrid überragend macht, aber ganz anders als Alba. Generell bin ich ja nun aber auch schon eine ganze Weile Linksverteidiger, da muss ich mir jetzt nicht mehr jeden Abend Vorbilder im Internet suchen.
Löw hat vor ein paar Tagen gesagt, dass die Außenverteidigerposition die anspruchsvollste im modernen Fußball sei. Was macht es so schwierig?
Hector: Die Balance zwischen Defensive und Offensive. Dieses Gleichgewicht zwischen Abwehr und Angriff kann man nur schwer trainieren. Man hat zwar diese Schablonen im Training, aber man braucht eben auch ein Gespür dafür, wann man sich nach vorne einschaltet und wann man es besser sein lässt.
Sie waren früher im offensiven Mittelfeld, dann im defensiven Mittelfeld und sind nun bis nach hinten links durchgereicht worden. War diese Versetzung der entscheidende Schlüssel für Ihre Karriere?
Hector: 'Durchgereicht‘ ist eine unfaire Formulierung, finde ich. Wer sich im Fußball auskennt weiß, dass alle elf Mann auf dem Platz funktionieren müssen, da gibt es keine Rangfolge der Positionen. Aber sicher wäre ich auf einer anderen Position nicht hier. Als offensiver Mittelfeldspieler wäre ich jedenfalls kein Nationalspieler geworden. Holger Stanislawski war es, der mich von den Amateuren zu den Profis beim FC hochgezogen hat. Damals war ich noch defensiver Mittelfeldspieler. In der Vorbereitung hatte er dann die Idee, mich als Linksverteidiger auszuprobieren – und auf dieser Position habe ich mich festgebissen.
Hector mag die große Aufmerksamkeit nicht
Christoph Kramer, der bei der WM 2014 eine ähnliche Aschenputtelstory hingelegt hat wie Sie jetzt, schrieb alles in sein Tagebuch, um die besonderen Momente festzuhalten. Wie machen Sie das?
Hector: Ich sauge alles auf und präge es mir ein. Außerdem sind genug Kameras hier auf einen gerichtet. Da kann man sich ein paar Bilder abspeichern.
Sie mögen diese große Aufmerksamkeit nicht unbedingt, stimmt’s?
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Hector: Ja, das wird sich wohl auch nicht mehr ändern.
Sie werden immer noch von einigen unterschätzt. Viele in Deutschland unterschätzen auch den kommenden Gegner Slowakei…
Hector: Wichtig ist, dass wir sie nicht unterschätzen. Wir hatten ein Testspiel gegen die Slowakei, das uns aufgezeigt hat, wie gefährlich sie sein können. Dementsprechend sind wir gewarnt.
Wobei das Testspiel in Augsburg aufgrund des Unwetters ja nicht gerade aussagekräftig war…
Hector: Nein, das natürlich nicht. Aber wir haben in der ersten Halbzeit geführt, hatten den Gegner im Griff und plötzlich saßen wir in der Kabine und lagen 1:2 hinten. Wir wissen also, was uns erwartet.
So ein Turnier ist auch eine Bühne. Es gab um Sie im Vorfeld einigen Wirbel. Es heißt, Liverpool und Wolfsburg seien interessiert.
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Hector: Ich nehme das gar nicht wahr. Ich versuche, mich auf den Fußball zu konzentrieren und habe keine Gedanken an irgendwelche Vereinswechsel. Oft ist das ja auch nur ein Ding der Presse.
Schmeichelt es Ihnen, wenn sie die kolportierten Ablösesummen von 15 bis 20 Millionen Euro hören?
Hector: Mir ist das völlig egal. Das wird einfach irgendwo geschrieben. Ich beschäftige mich damit gar nicht.
Erst Fußball, dann das Studium
Sie studieren nebenbei BWL. Als Ökonom müssten Sie diese Zahlen doch aufhorchen lassen.
Hector: Das hat doch alles nichts mit mir zu tun. Das Geld, sollte es geboten werden, bekomme ja nicht ich.
Haben Sie auch Bücher fürs Studium mit in Frankreich?
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Hector: Ich habe meine Unterlagen auf dem Laptop und auch hier dabei. Wenn ich einen freien Tag habe, schaue ich schon mal rein.
Wann stünde die nächste Prüfung an?
Hector: Das weiß ich gar nicht so genau. Hier denke ich eher an Fußball. Und da steht die Prüfung gegen die Slowakei auf dem Programm.