Dortmund. Borussia Dortmund hat in der Bundesliga aus neun Partien nur sieben Punkte geholt, der Rückstand auf die Tabellenplätze, die zur direkten Champions-League-Teilnahme berechtigen, ist groß. Trainer Jürgen Klopp hat dieses Ziel nun aufgegeben - lässt sich aber ein Hintertürchen.

Eigentlich kommt die Frage zu früh. Viel zu früh. Neun Spieltage sind in der Fußball-Bundesliga erst gespielt - noch nicht der Zeitpunkt, sich Gedanken um die Saisonziele zu machen - normalerweise. Wenn man allerdings nur sieben Punkte aus diesen neun Spielen geholt, als Ziel die direkte Champions-League-Qualifikation ausgegeben hat und diese schon zehn Punkte entfernt ist, drängt sich die Frage doch auf: Kann man in neun Spieltagen seine Saisonziele verspielen?

Jürgen Klopp, Trainer von Borussia Dortmund lächelt, aber es ist eher ein gezwungenes als ein fröhliches Lächeln. "Es sieht ein bisschen so aus, ne?", antwortet er, um dann das Ziel Champions League ad acta zu legen - vorerst zumindest. "Es ist jetzt vollkommen klar, damit müssen wir uns jetzt wirklich nicht beschäftigen", sagt Klopp.

Die Gesamtsituation beeinflusst jedes einzelne Spiel

Zwar sucht auch der Coach noch nach Erklärungen, warum tabellarischer Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderklaffen - fürchtet aber schon die Folgeeffekte: "Bei allen anderen Mannschaften in unserer Situation wird gesagt: Das ist Abstiegskampf", sagt er. "Wir werden darauf angesprochen, ob wir die Champions League noch erreichen." Und schon beginnt die Rechnerei: 25 verbleibende Saisonspiele mal drei Punkte - wenn man die alle holen würde....

"Da werden also Pakete geschnürt von außen", klagt Klopp. "Und mit Sicherheit ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass der eine oder andere Spieler das auch getan hat." Das Problem: "In diesem Paket musst du fast jedes Spiel gewinnen, weil es anders fast nicht mehr möglich ist, etwas zu erreichen." Und das lässt es nicht mehr zu, sich ausschließlich auf die eine anstehende Aufgabe zu konzentrieren, nur auf das nächste Spiel zu schauen - einen Anspruch, den man in Dortmund gerade auch in den guten Phasen als ständiges Mantra gehört hat.

Dem BVB fehlt auf dem Platz die Ruhe

"Du bist immer in der Gesamtsituation verhaftet", erklärt Klopp. "Ein 0:0 reicht nicht mehr, deswegen hast du keine Ruhe, um die entscheidenden Situationen richtig auszuspielen - und ein 0:1 entfernt dich gleich um zwei Tore von dem Erfolg." Grundsätzlich gebe es nur drei Ergebnisse, mit denen ein Fußballprofi auf dem Platz umgehen müsse: "Ein 1:0 haben wir zu selten gehabt, der Umgang mit einem 0:0 ist nicht perfekt und der Umgang mit dem 0:1 sehr schlecht." Die Ruhe, die das Dortmunder Umfeld in der aktuellen Lage so sehr auszeichnet, fehlt auf dem Platz.

Deswegen fordert der Trainer nun mehr denn je die volle Konzentration auf das nächste Spiel - in diesem Fall die Pokalpartie beim FC St. Pauli (Dienstag, 20.30 Uhr/im Live-Ticker) - ungeachtet aller Ziele. "Ein Saisonziel soll ja auch helfen", meint Klopp. "Und das tut es im Moment natürlich nicht, deswegen ist das im Moment vollkommen wurscht - und ich werde mich bis weit in die Zukunft nicht damit beschäftigen."

Der Trainer will der Krise mit größtmöglicher Ruhe begegnen

Die Gegenwart ist schließlich kompliziert genug und dem Trainer ist anzumerken, dass auch er ratlos ist - und dass ihn das ziemlich mitnimmt. Fehlendes Glück, fehlende Ruhe vor dem Tor, Gegner, die sich tief in der eigenen Hälfte verbarrikadieren, die großen personellen Probleme - Erklärungsansätze für die Krise hat man von ihm schon viele gehört, doch eine Lösung ist noch nicht gefunden.

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Daher hat sich Klopp offenbar erst einmal entschieden, der Situation mit größtmöglicher Ruhe zu begegnen - und so erlebten die Journalisten auf der Pressekonferenz einen Tag vor dem Pokalspiel einen äußerst kontrollierten Gesprächspartner. Nicht einmal der Verweis auf Lothar Matthäus konnte ihn aus der Ruhe bringen. Der Rekordnationalspieler hatte beim Bezahlsender Sky den Stürmer Ciro Immobile als Fehleinkauf abgestempelt, der nicht ins Dortmunder System passe. Auf derartige Einmischung von außen reagiert Jürgen Klopp sonst oft mit deutlichen Worten. Und jetzt? "In unserer Situation völlig normal, dass über alles gesprochen wird", sagt er. "Das gehört zur Normalität, dazu ist unser Job viel zu öffentlich." Auch negative Kritik könne hilfreich sein.

Klopp: Besser ist nicht zwangsläufig gut genug

Dennoch gelte es, vor allem die positiven Ansätze zu bestärken und sich weiter zu verbessern. Denn Fortschritte habe es auch in den vergangenen Partien gegeben, "aber besser ist nicht zwangsläufig gut genug". Und die Arbeit wird dadurch nicht leichter, dass die positiven Rückmeldungen in Form von Siegen in der Bundesliga ausbleiben.

"Und das addiert sich mit der Zeit", sagt Klopp. "Nicht jede Niederlage ist gleich, die nächste hat die andere noch im Gepäck, deswegen schlägt sie mehr ein." So gesehen hätte der nächste Misserfolg schon Übergepäck, weshalb dringend ein paar Erfolgserlebnisse her müssen. Am besten schon am Dienstag gegen St. Pauli - denn nach Lage der Dinge ist der Pokal schon nach einem Viertel der Saison die einzig verbliebene realistische Aussicht auf einen Titel.