Dortmund. Jahrelang ließ Jürgen Klopp, der Trainer von Borussia Dortmund, fast immer in einer taktischen Grundordnung spielen. Nun experimeniert er – und der BVB steht nicht gut da. An diesem Mittwoch in Anderlecht wird Dortmund deshalb wohl zum 4-2-3-1 zurückkehren.

Jürgen Klopp ist ein Mensch, der gerne diskutiert, das ist eine der großen Stärken dieses Fachmannes. Wie alle Trainer rechtfertigt er seine Entscheidungen zwar immer wieder öffentlich, aber er ist durchaus auch selbstkritisch und an anderen Meinungen interessiert. Und so forderte Dortmunds Trainer die anwesenden Journalisten nach der Niederlage auf Schalke am vorigen Samstag zur Kontroverse auf: „Ihr könnt schreiben, was Ihr wollt, unter Umständen auch ein bisschen was über mich, das ist in Ordnung.“

Und tatsächlich lohnt es sich, Klopps taktisch-strategisches Verhalten vor dem Champions League-Spiel an diesem Mittwoch beim RSC Anderlecht (20.45 Uhr, Sky, ZDF und im Live-Ticker) etwas genauer zu betrachten. Denn nach fast vier Jahren, in denen er seine Mannschaft in der Regel in einer 4-2-3-1-Formation aufs Feld schickte, experimentiert er seit der Sommerpause intensiv mit anderen Systemen. „Wir erachten Systeme für nicht so wichtig, dass wir in irgendeiner Form etwas durchziehen müssen, wir versuchen nicht, die Spieler in ein System zu zwingen“, hat er bereits am ersten Spieltag erläutert.

Man kann den Trainer zweifellos dafür loben, dass er mit viel Kreativität auf die Verletzungen vieler Leistungsträger reagiert. Getrieben von den vielen Ausfällen experimentierte Klopp während der Saisonvorbereitung und in den ersten Bundesligapartien mit einem 4-4-2-System mit Raute, also mit einem offensiven und einem defensiven Spieler im Mittelfeldzentrum. Später lief das Team im 4-1-4-1 auf, zwischenzeitlich kehrte Klopp zum bewährten 4-2-3-1 der vergangenen Jahre zurück, und zuletzt spielte der BVB auch öfter 4-4-2 mit zwei defensiven Spielern im zentralen Mittelfeld. Also ohne Kreativspieler hinter den Spitzen. „Wir suchen immer das richtige System für die beste Elf“, sagt Klopp.

Viele Umstellungen

Allerdings kann man ihm diese Flexibilität auch vorwerfen, schließlich führten die vielen Umstellungen bislang nicht zu den erhofften Erfolgen. „Wie viel Klopp steckt in der Krise?“, fragt die Bild-Zeitung nun gewohnt provokant. Überfordert der Trainer seine Spieler mit den vielen Systemwechseln? Nein, erwidert Klopp natürlich, „es ist ja nicht so, dass wir ständig unter unseren Möglichkeiten bleiben“.

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Hauptursache für zuletzt nur einen Punkt aus drei Partien seien die vielen individuellen Fehler, mit denen die Mannschaft ihre Gegner zum Toreschießen einlädt. Die Frage, ob der BVB mehr Punkte hätte, wenn das alte System beibehalten worden wäre, ist natürlich müßig, interessant ist aber der Hintergrund der Debatte.

Die Wucht des Verletzungspechs

In der vorigen Saison wurden die Dortmunder erstmals mit voller Wucht vom Verletzungspech getroffen, und es hätte vermutlich geholfen, wenn die gesunden Spieler besser mit unterschiedlichen Systemen vertraut gewesen wären, um auf die vielen Ausfälle zu reagieren. Künftig soll das Team verschiedene Herangehensweisen beherrschen. Auf Schalke, wo der BVB in einem 4-4-2 spielte, sei es auch darum gegangen, „den einen oder anderen nicht zu überfordern“, sagt Klopp, und das hätte geklappt, wären da nicht die individuellen Fehler gewesen. Jenseits aller Systemfragen gehe es darum, „die einfachen Dinge richtig zu machen“, sagt Sportdirektor Michael Zorc.

Am Mittwochabend in Anderlecht erwarten Experten auch deshalb, dass Klopp das alte 4-2-3-1 mit Shinji Kagawa im Zentrum hinter einem Stoßstürmer (Adrian Ramos oder Ciro Immobile) wählt. Diese Formation ist den Spielern immer noch am vertrautesten. Und erfolgversprechender als alle Systemwechsel ist natürlich ohnehin die Rückkehr der verletzten Spieler. Reus, Mhkitaryan, vielleicht sogar Gündogan, sollen bald zurück sein.