Leverkusen. . Bei Bayer Leverkusen mit Trainer Sascha Lewandowski sichert Marco Reus Borussia Dortmund mit seinem 2:2 per Elfmeter einen Punkt. In der Scorerliste der Bundesliga teilt er sich nun Platz eins mit BVB-Kollege Robert Lewandowski.
Unter allen Merkwürdigkeiten, die auch diese Saison der Fußball-Bundesliga parat hält, ist das die merkwürdigste: Der Mann, der seit drei Spieltagen die Bank von Bayer Leverkusen besetzt und nach zwei Siegen ein vom heimischen Publikum gefeiertes 2:2 gegen Borussia Dortmund verbuchen konnte, lehnt es ab, zum Lotto-King Sascha gekrönt zu werden. Er verhält sich wie ein Tipper, der die Kreuzchen über den richtigen Zahlen gemacht hat, dann aber bei der Verkündung der doch eigentlich frohen Botschaft fremdelt: Nein, wirklich nicht, danke, soll doch ein anderer die Millionen einkassieren.
Der andere, das ist in diesem Fall Roger Schmidt, den die Leverkusener von Red Bull Salzburg losgeeist und für die Zukunft zum Cheftrainer bestimmt haben. Lewandowski, der das Amt vom geschassten Sami Hyypiä übernommen hat, wird sich dann wieder der Arbeit mit der Jugend widmen. Rudi Völler, der ihn endgültig ins grellere Licht der Erstklassigkeit ziehen wollte, sagt: „Das muss man akzeptieren.“ Der Sportdirektor sieht aber auch, dass es Lewandowski geschafft hat, das nach starker Hinrunde in der Winterpause in Tiefschlaf gefallene Ensemble zu wecken: „Sascha hat ein paar Hebel frei gelegt, auch mental.“
Für den BVB bedeutete das: Es musste eine außerordentliche Leistung auf den Rasen gebracht werden, um nach zweimaligem Rückstand zum Remis zu gelangen. Und zwar unter sehr schwierigen Motivationsbedingungen. Jürgen Klopp hatte im Vorfeld gar nicht erst versucht, die Fußballwelt eigenwillig zu interpretieren und „so zu tun, als wäre Platz zwei für uns wichtiger als für Leverkusen die Champions-League-Qualifikation“. Wie bei den Bayern der Kollege Pep Guardiola, der den Akteuren nach der frühen Titelkür Freizeitverhalten nahe gelegt hatte (quasi: Hebel frei gelegt, auch mental), näherte sich der BVB-Trainer der Problematik allerdings nicht.
Den zuletzt angeschlagenen Torhüter Roman Weidenfeller holte Klopp zurück. Für den derzeit angeschlagenen Linksverteidiger Erik Durm schickte er Kevin Großkreutz auf den Rasen. Mehr Eingriffe gab es nicht, obwohl am 17. Mai im Pokalfinale gegen den FCB jede Topkraft topfrisch gebraucht wird. „Nicht aufstellen“, erläuterte der Trainer sein Vorgehen, helfe nicht, „dann reißen sie sich einen Zehnagel“. Was dagegen helfen könnte: immer mehr Souveränität horten. Bei Marco Reus, der nach dem 1:0 von Lars Bender (7. Minute) Oliver Kirch per Freistoß das 1:1 auf den Kopf legte (29.) und nach dem 2:1 von Gonzalo Castro (35.) per Elfmeter das 2:2 (39.) selbst besorgte, entwickelt sich die Form auf diese Weise weltmeisterlich.
Auffällig war auch Kirch, bis vor kurzem in der Außenwahrnehmung noch ein Notnagel mit Rostansätzen. Der 31-Jährige erzielte nicht nur seinen ersten Treffer für Schwarzgelb, mit 102 Aktionen am Ball übertraf er auch alle anderen Feldarbeiter (Bayers Aktivster: Bender, 76). Reus jedoch bewegt sich mit Treffer 16 in der Liste der Torjäger Richtung Robert Lewandowski (18). Und auf der Liste, die Vollendung und Vorarbeit zusammenfasst, rangiert er (16 plus 13) jetzt schon auf einer Höhe mit dem BVB-Kameraden (18 plus 11). Bundestrainer Joachim Löw dürfte das mit Blick auf die WM besonders gut gefallen. Klopp gefällt besonders gut, dass sein neuer Mitte-Mann „unsere Spielweise maximalst verinnerlicht hat“: „Es macht ihm Spaß auch gegen die Kugel zu arbeiten.“
Respekt von Jürgen Klopp
In Halbzeit zwei bot sich dazu reichlich Gelegenheit, weil die Partie ihren Charakter radikal veränderte. „Früh draufgehen“ hatte Lewandowski seiner „Truppe“ verordnet, „zu mutig“, meinte er jedoch anschließend, wäre es gewesen, ständig nur früh draufzugehen. Im Spiel von Bayer stimmte also unter dem Strich nicht allein der feurige Enthusiasmus, sondern auch das kühle taktische Verhalten. Bewirkt wurde das von einem Aushilfstrainer, der sich darüber hinaus sogar den Respekt von Klopp beim aggressiven Liniengeplänkel verschafft hat. Dass Lewandowski das Millionengehalt ausschlägt, könnte Roger Schmidt demnächst nicht nur Freude bereiten. Sehnsucht nach Sascha? Unter dem Bayer-Kreuz immer möglich.