Verschwendungssucht der BVB-Offensive wirft Fragen auf
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Dortmund. . Beim Remis im Revierderby hat sich Borussia Dortmund wieder verschwendungssüchtig gezeigt und Chance um Chance ausgelassen. Das wirft die Frage auf: Wie wird es erst ohne Robert Lewandowski sein? Den Stürmer zieht es im Sommer zu den Bayern. Und als Ersatz ist bisher nur Adrian Ramos im Gespräch, ein 28-Jähriger, der so gar nicht ins schwarzgelbe Beuteschema zu passen scheint
In der 73. Minute hat sich Jürgen Klopp mit einer solchen Vehemenz vor den Kopf geschlagen, dass die dottergelbe Kappe beinahe Schaden genommen hätte. Henrikh Mkhitaryan war es, der im laut Polizei „friedlichsten Derby aller Zeiten“ mit einem weiteren Fehlschuss diese Autoaggression, diese gegen sich selbst gerichtete Gewalt bei seinem Trainer ausgelöst hatte. Doppelpass mit Kevin Großkreutz, schöne, rasante Aktion. Der Armenier kommt an den Ball, zielt, zieht ab – und trifft nicht einmal irgendein Körperteil von Ralf Fährmann, dem alles überragenden Keeper der Schalker. Der Ball zischt einfach links am benetzten Gehäuse vorbei.
Hätte Klopp sich in jeder Situation dieser Art selbst geprügelt, eine Versorgung seiner Stirn mit Wundsalbe wäre vonnöten gewesen. Die Statistiker errechneten 18 Torgelegenheiten für Schwarzgelb gegenüber acht von Königsblau. Und das war aus der Perspektive des Gastgebers die Crux dieser Partie. „Das beste Heimspiel seit Wochen“ (Klopp) konnte in vielerlei Hinsicht ausgelobt werden, verbucht wurde aber nur ein trefferfreies Remis, das an der Tabellenkonstellation nichts ändert. Den Bayern konnte nun sogar mit über Monate hinweg aufgewärmten Worten ganz offiziell zur Meisterschaft gratuliert werden. Der Zweite BVB und der Dritte Schalke sind schlicht weiter einen Punkt voneinander getrennt und führen den Kampf um Tabellenplatz zwei fort.
Von Sebastian Weßling (aufgezeichnet in der Mixed Zone)
In Dortmund haben sie sich dieses eher ideelle Saisonziel gesetzt. „Natürlich wären wir am Ende lieber Zweiter als Dritter“, erklärte Kapitän Sebastian Kehl. Wichtig ist es aber für die Reviernachbarn, nach Derby 144 quasi gemeinsam die beiden Ränge, über die die Champions League direkt erreicht wird, gegen nachrückende Konkurrenten zu verteidigen. Dass die Borussia dabei gegenüber Schalke im Nachteil sein könnte, hat Kehl angedeutet: „Insgesamt“, sagte er, „ist der Kampf um die oberen Ränge bei dem Restprogramm, das wir haben, bei der Dreifachbelastung und bei der dünnen Personaldecke nicht ohne.“
In Sachen Personaldecke muss sich auch der FC Schalke strecken. Beide Klubs könnten bekanntlich schon lange einen kleinen Klinikbetrieb finanzieren. Für den BVB allerdings steht am 15. April obendrauf noch ein Pokal-Halbfinale gegen den VfL Wolfsburg an. Weiterkommen ins Finale sehnlich erwartet. Und am zweiten April geht man in die erste Viertelfinalrunde mit Real Madrid, das Schalke in zwei Spielen mit 9:2 aus der europäischen Königsklasse katapultiert hat. Dass jetzt zu Null gespielt wurde, die Defensivarbeit also funktionierte, lässt sich mit Blick auf die großen Aufgaben als positives Zeichen deuten. Dass trotz bester Chancen nicht wegen eines einmalig missgelaunten Schicksals, sondern in typisch westfälischer Verschwendermanier gegen die von den Madrilenen in die Knie geballerten Königsblauen niemand traf, wirkt dagegen bedrohlich.
Gegen Real wird auch noch Robert Lewandowski gelbgesperrt nicht mittun dürfen. Ein Szenario, das der nächsten Saison vorgreift, in der der Ausnahmestürmer die Bayern-Reihen auffüllen wird. Ein Satz von Ex-Borusse und Sky-Experte Patrick Owomoyela erscheint deshalb nicht nur wie eine Bestandsaufnahme zum ergebnismäßig unbefriedigenden Treff mit den jugendlicheren Schalkern und wie eine Spekulation über den Spielzeitausgang: „Ich glaube, dass der BVB auf Dauer die bessere Mannschaft ist – noch.“ Demnächst ist aber Lewandowski weg. Der Verbleib von Ilkay Gündogan ist ungewiss. Und als Gerücht kreist lediglich, dass Dortmund am Beutemuster Korrekturen vorgenommen habe und an Hertha-Stürmer Ramos interessiert sei, einem 28-Jährigen, der aktuell erstmals wirklich besonders auffällig trifft.
Für die nähere BVB-Zukunft aber ist bedeutender, dass es keine weiteren Verletzten gab. Schließlich muss man Samstag in Stuttgart antreten, wo neuerdings Huub Stevens die Bank hält, der Ex-Schalker, Erfinder der stehenden Null.
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