Dortmund. . Kurz nach seiner Ankunft hat Neuzugang Milos Jojic mit seiner Vielseitigkeit und Bescheidenheit bereits Eindruck beim BVB hinterlassen. Der junge und bodenständige Serbe könnte bald schon nicht nur eine Alternative zu Ilkay Gündogan, sondern sogar dessen Nachfolger werden. Klopp hat sich ein Juwel geangelt.

Normalerweise unterhält sich Jürgen Klopp persönlich und ausführlich mit potentiellen Neuzugängen, um ihren Charakter kennenzulernen. Milos Jojic und der BVB-Cheftrainer jedoch, hatten sich Ende Januar nicht viel zu sagen – sie beide sprechen nämlich keine gemeinsame Sprache. Dass Klopp kurz vor Schließung des Transferfensters zugriff, obwohl es mit der Verständigung haperte, belegt, welch große Stücke man an der Strobelallee auf den 21-jährigen Serben hält, den man am Balkan intensiv scouten ließ. „Der Eindruck von ihm war so positiv, dass wir ihn verpflichtet haben. Und dieser ist jetzt nach ein paar Tagen nicht schlechter geworden“, urteilte Klopp.

Mit ein paar Brocken Serbisch hatte Dortmunds Meistercoach von 2011 und 2012 seinen Neuling nach dessen Ankunft begrüßt. Dieser reagierte sichtlich imponiert: „Klopp ist bei uns sehr beliebt. Seine Furchtlos-Mentalität wird in Serbien sehr geschätzt“, sagte Jojic in einem Zeitungsinterview während der Woche.

„Jojic ist jetzt Buvacs erster eigener Spieler“

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Die ersten Fragen des vereinseigenen TV-Senders beantwortete Jojic dank Übersetzungshilfe von Landsmann Neven Subotic. Bei seinen ersten Tagen im Ruhrgebiet griff jedoch vor allem Zeljko Buvac während des Trainings unter die Arme, der in Jugoslawien aufwuchs. „Jojic ist jetzt Buvacs erster eigener Spieler“, sagt Klopp. Sein schweigsamer Co-Trainer habe in den letzten Tagen so viel geredet wie während ihrer kompletten Zusammenarbeit, scherzte er am Donnerstag.

Schon jetzt beglückwünscht man sich in Dortmund zu diesem Transfer, den nicht nur Bayer Leverkusen und der VfB Stuttgart ebenfalls gerne getätigt hätten. Jojic ist seit Oktober frischgebackener A-Nationalspieler und erzielte gleich bei seinem Länderspieldebüt ein Tor. Wohl wissend, dass es im Sommer der Zug bereits abgefahren sein könnte, griff Dortmund schon im Winter zum Schnäppchenpreis von 2,2 Millionen Euro zu. Beraten wird Jojic übrigens vom ehemaligen Bundesliga-Profi Miki Stevic, der von 1999 bis 2002 das schwarz-gelbe Trikot des Reviervereins trug.

Serbiens Shootingstar Jojic hob nach Meisterschaftstor nicht ab 

In seiner Heimat hatte man nicht damit gerechnet, dass Milos Jojic schon im Januar seinen Abschied von Partizan Belgrad auf Facebook verkündet, auch wenn jeder in Serbien nachvollziehen kann, warum der Champions-League-Finalist und der Hinrunden-Topscorer der Premjer-Liga (sechs Tore, sieben Vorlagen) ab sofort gemeinsam in See stechen.

Eine Woche vor Dortmunds Endspiel um die Königsklasse in Wembley vergangenen Mai hatte sich Jojic am Balkan mit einem Tor zum Shootingstar katapultiert. Im Spitzenspiel gegen den Erzrivalen Roter Stern Belgrad zirkelte der Techniker in der Nachspielzeit einen Freistoß zum 1:0-Endstand sehenswert in den Winkel und entschied damit die Meisterschaft. Die Fans rissen ihm nach Abpfiff die Klamotten vom Leid, sodass Jojic nur in Unterhose bekleidet seinen ersten großen Titel feiern konnte. „Das ist wie Schalke gegen Dortmund“, beschrieb er der Bild-Zeitung die Emotionalität seines Derbytores.

Bei seinem Heimatverein FK Jedinstvo Stara Pazova reagiert man nicht verwundert über Jojics Werdegang. Nur 35 Kilometer von Belgrad entfernt genoss „Zeka“ (Serbisch für „Hase“) - wie Milos Jojic als liebevoll Jugendlicher wegen seiner auffälligen Schneidezähne von den Nachbarn genannt wurde – seine fußballerische Ausbildung. Den Ort wählte der serbische Verband aus, um dort sein nationales Fußballzentrum zu errichten. Seit 2008 trainieren die serbischen Nationalmannschaften aller Jahrgänge hier.

„Zeka“ war elf Jahre alt, als er bereits eine Auswahl Jedinstvos als Kapitän führte und von Partizan seinen ersten Vertrag angeboten bekam. Seine Fähigkeit, im zentralen Mittelfeld zu explodieren und mit ein, zwei Pässen in den Strafraum einzudringen, um seine Torgefahr in Szene zu setzen, machten den großen Hauptstadtklub rasch auf Jojic aufmerksam. Sein erster Jugendtrainer, Rade Mitic, der ihn vom achten bis zum zwölften Lebensjahr betreute, schwärmt noch heute von seiner präzisen Schusstechnik.

„Zeka“ war Everybody’s Darling bei Jedinstvo. Viele seiner ehemaligen Teamkollegen sind noch heute im Verein. Sein Freund Aleksandar Sestovic spricht in höchsten Tönen von Jojic: „Er ist einer der wenigen Top-Spieler, der seine Jugendfreunde nicht vergessen hat.“

Jojic ist der erste Spieler des 1992er Jahrgangs, der in Serbien den großen Durchbruch feierte. Nach Jahren bei Partizans Partnerverein Teleoptik, wo Talente erste Erfahrungen sammeln sollen, trat er bei Partizan in die Fußstapfen von Mittelfeld-Lenker Aleksandar Mitrovic, der heute beim RSC Anderlecht in Belgien unter Vertrag steht. Bis auf die Position verbindet beide Kicker jedoch nicht viel. Während Mitrovic für seine wilden Frisuren und Exzentrik bekannt war, gilt Jojic eher als moderater und disziplinierter Typ.

Seine Eltern haben Milos Jojic in seiner fußballerischen Entwicklung stets sehr unterstützt, allerdings ohne ihn unter Druck zu setzen, sagt man bei Jedinstvo. „Zeka“ genoss eine gute Erziehung, in der Bescheidenheit groß geschrieben wurde. Extravagante, teure Klamotten sieht man selten beim mageren 1,77-Mann. Auch nach dem Hype um seine Person nach dem entscheidenden Meisterschaftstor blieb er auf dem Boden, berichteten die Scouts dem BVB. Jojic liebt das Gewöhnliche. Ein Charakterzug, der auch beim Rekordtransfer von Henrikh Mkhitaryan vergangenen Sommer gern gesehen war.

Dortmunds Neuzugang Milos Jojic hinterlässt Eindruck beim BVB 

Obwohl der Spieler der Premjer-Liga-Hinrunde 2013/14 in seiner Heimat vor allem als Vorlagengeber und Motor im offensiven Mittelfeld glänzte, ließ Jürgen Klopp Jojic bei seinem ersten Auftritt auf deutschem Boden im defensiven Mittelfeld neben Sebastian Kehl auflaufen. Als „Achter“ hinterließ er beim 4:3-Erfolg am Dienstag gegen Fortuna Düsseldorf eine blendende Figur. „Das war sehr ordentlich“, lobte sein neuer Trainer. „Sein gutes Auge, Passspiel und seine Ballsicherheit hat er bereits angedeutet.“ Jojic ging keine übermütigen Risikopässe ein und zeigte, bereits verstanden zu haben, dass in Dortmund auch defensiv mitgearbeitet werden muss. Der Neuling wird in den kommenden Wochen lernen müssen, dass in der Bundesliga mehr Widerstand geleistet wird als in Serbiens höchster Spielklasse.

Klopp sieht im Wintertransfer ein „mindestens mittel- bis langfristiges Projekt“, der dem BVB „echt helfen kann – und wird.“ Neben seiner Beidfüssigkeit bringt „Zeka“ vor allem Vielseitigkeit im Mittelfeld mit, wo er de facto alle Positionen bekleiden kann. Tempo, Technik und die Fähigkeit, sich in engen Räumen durchsetzen zu können, fordert Klopp von seinen Akteuren im Zentrum. „Und in diese Kategorie gehört er. Er ist 21, ein ‚Achter’, auch in der eigenen Wahrnehmung, der aber auch auf der Zehn oder außen spielen kann.“ Toni Kroos zählt spielerisch zu Jojics großen Vorbildern. Bei Partizan trug er sogar dessen Rückennummer 39. Auf Grund Jojics Flexibilität stellt Klopp zwei weitere Vergleiche auf: „Auch Reus kann sowohl auf der Zehn, als auch außen spielen. Bevor Ilkay Gündogan zu uns kam, hat er auch keine Acht gespielt und ist es hier bei uns erst geworden. Trotzdem hat er immer mal wieder auf der Zehn gespielt. Die Jungs müssen vielseitig sein. Sich da festzulegen ist nicht notwendig.“

Gündogan soll kein zweiter Fall „Lewandowski“ werden

Dass Klopp Jojic gegen Düsseldorf zunächst nicht in der offensiven Dreier-Reihe im Mittelfeld testete, hat einen besonderen Hintergrund. „Durch das Fehlen von Ilkay Gündogan haben wir auf der Acht keine 25 Alternativen.“, so der BVB-Trainer. Jojic könnte im Sommer aber nicht nur eine Alternative, sondern sogar Gündogans Nachfolger werden, denn der Vertragspoker mit dem deutschen Nationalspieler zieht sich seit Monaten. Sollten Dortmund und Gündogan sich nicht bald einigen können, muss er im Sommer verkauft werden, damit kein zweiter Fall „Lewandowski“ entsteht, also ein ablösefreies Verabschieden eines Stars in 2015.

Klopp will mit seinem Neuen geduldig sein, auch mit dem Wissen, wie lange Lewandowski, Kagawa und Gündogan nach ihrer Ankunft in Dortmund brauchten, um zur Weltklasse aufzusteigen. „Wir werden Jojic keinen Rucksack aufsetzen und sagen, das und das muss er jetzt können. Er ist ein vielseitig einsetzbarer Mittelfeldspieler. Ein cooler Kicker, der gut hierher passt.“ Auch Jojics Art hat bereits Eindruck auf ihn hinterlassen. „Dass er eine angenehme, sympathische Persönlichkeit ist, haben wir schon auch ohne viele Worte herausgefunden.“ Bald wird Jojic aber vor allem mit seinen Ballkünsten von sich reden machen.


— Borussia Dortmund (@BVB) February 3, 2014